Normen
AVG §9;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
AVG §9;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit der am 21. Dezember 1998 zur Post gegebenen Beschwerde machte LM in seiner Stellung als alleiniger Geschäftsführer der Beschwerdeführerin die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung der Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 1994 und 1995 (idF: Säumnisbeschwerde) geltend.
Da die Säumnisbeschwerde weder mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen war, noch jenen Inhalt aufwies, der nach § 28 VwGG erforderlich ist, forderte der Verwaltungsgerichtshof LM auf, die der Säumnisbeschwerde anhaftenden Mängel zu beheben. Dieser Aufforderung kam LM nicht nach.
In der Folge gelangte dem Verwaltungsgerichtshof, an den LM als physische Person und als alleiniger Geschäftsführer mehrerer GmbH seit dem Jahr 1996 bis zum Juli 1999 185 Beschwerden und Anträge gerichtet hatte, zur Kenntnis, dass betreffend LM ein Sachwalterbestellungsverfahren anhängig ist, wobei ua die belangte Behörde angeregt hat, für LM hinsichtlich der bei der Abgabenbehörde durchzuführenden Verfahren einen Sachwalter zu bestellen. Der Verwaltungsgerichtshof regte daraufhin an, auch hinsichtlich der bei ihm durchzuführenden Verfahren für LM einen Sachwalter zu bestellen, wobei insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass auf Grund der mutwilligen und offenbar aussichtslosen bisher eingebrachten Beschwerden und Anträge LM dem Bund Stempelgebühren von insgesamt 122.500 S schuldet, wodurch sein Vermögensstand geschädigt und sein Lebensunterhalt gefährdet erscheine. Unter einem ersuchte der Verwaltungsgerichtshof, alle im Sachwalterbestellungsverfahren erstellten Gutachten betreffend die Handlungsfähigkeit des LM zu übermitteln.
Mit Beschluss vom 12. Jänner 2000 wurde ein Rechtsanwalt zum einstweiligen Sachwalter ua zur Vertretung vor Gerichten (mit Ausnahme Strafsachen) des LM bestellt.
Dem Verwaltungsgerichtshof liegen folgende Gutachten sowie das Protokoll in der Sachwalterschaftssache betreffend LM vor:
1. Psychiatrisches Gutachten Dris. HS, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger, vom 9. April 1998
2. Neuropsychiatrisches Gutachten Dris. BM, Ordentlicher Universitätsprofessor für Forensische Psychiatrie, vom 11. September 1998
3. Neuropsychiatrisches Ergänzungsgutachten Dris. BM, wie oben, vom 10. Dezember 1998
4. Neurologisch-Psychiatrisches Fachgutachten Dris. DK, Leiter der Neurologischen-Psychiatrischen Abteilung eines allgemeinen öffentlichen Krankenhauses, gerichtlich beeideter Sachverständiger, vom 16. Jänner 1999
5. Ergänzungsgutachten Dris. HS, wie oben, vom 23. September 1999
6. Protokoll in der Sachwalterschaftssache LM, vom 21. Dezember 1999
Bereits im Gutachten 1. wird ausgeführt, LM leide an einer paranoiden Entwicklung, die als wahnhafte Störung zu klassifizieren sei. Es sei daher das Vorliegen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung zu erwägen. Die paranoide Problematik sei jedoch noch nicht so weit ausgestaltet, dass dadurch die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des LM grundsätzlich aufgehoben wäre. Eine Herabsetzung dieser Fähigkeit müsse allerdings angenommen werden.
Im Gutachten 2. wird ausgeführt, LM leide unter einer kombinierten narzisstischen sensitiven Persönlichkeitsstörung, die zu situationsunangemessenem Bestehen auf eigenen Rechten mit der Tendenz zu stark überhöhtem Selbstwertgefühl, insbesondere im Relevanzbereich wirtschaftlicher Angelegenheiten führe. Gesamthaft gesehen liege somit eine kombinierte paranoide Persönlichkeitsstörung vor. Die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des LM sei zwar noch gegeben, werde allerdings durch die paranoide und querulatorische Entwicklung erheblich beeinträchtigt. Der psychische Zustand des LM verschlechtere sich, weswegen bei Anhalten der Krankheitsentwicklung das Vollbild einer Wahnerkrankung geradezu erwartet werden müsse.
Im Gutachten 3. wird unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Gutachten 2. festgehalten, es sei bei LM bereits zum Vollbild einer Wahnerkrankung gekommen. Die Wahnkriterien nach Jaspers seien aus neuropsychiatrischer Sicht gegeben. Insbesondere im ökonomischen Bereich bestehe keine Realitätskontrolle. Aus der ursprünglich bestandenen kombinierten Persönlichkeitsstörung habe sich eine wahnhafte Störung mit Psychosecharakter entwickelt. LM sei nicht mehr in der Lage, im Zusammenhang mit seinen wirtschaftlichen Angelegenheiten realitätsbezogen zu agieren.
Im Gutachten 4. werden zunächst die Ergebnisse der bisher erstellten Gutachten wiedergegeben und ausgeführt, die bereits im Gutachten 3. festgestellte wahnhafte Störung habe den Grad einer Psychose erreicht, weswegen es LM nicht mehr möglich sei, sich in ökonomischen Angelegenheiten vom Wahninhalt zu distanzieren. Da LM durch die wahnhafte Entwicklung den Bezug zur Realität verloren habe, sei er nicht mehr in der Lage, Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen. Mangels Prozessfähigkeit (mit Ausnahme Strafsachen) werde daher die Bestellung eines Sachwalters vorgeschlagen.
Im Gutachten 5. wird unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der bisher erstellten Gutachten, insbesondere auf das Gutachten 3. festgehalten, die Grenze zur Wahnerkrankung im engeren Sinn sei bereits überschritten worden. Dies würde den Zeitpunkt des Eintrittes der Unzurechnungsfähigkeit markieren. Die grundsätzliche psychiatrische Problematik bestehe bereits zumindest seit dem Jahr 1993, wobei damals eine wahnhafte Störung mit Psychosecharakter noch nicht hätte diagnostiziert werden können. Die Entwicklung in diese Richtung sei jedoch bereits seit damals im Gang gewesen. Die endgültige Aufhebung der Diskretionsfähigkeit könne in Übereinstimmung mit den bisher erstellten Gutachten gegen Ende des Jahres 1998 angenommen werden.
Im Protokoll 6. wird festgehalten, mit einer Besserung des Zustandes des LM könne mit Sicherheit nicht gerechnet werden. Eher werde es zu einer Verschlechterung kommen. Bei LM müsse von einer psychischen Erkrankung iSd § 273 ABGB gesprochen werden. Seine Erkrankung habe zur Folge, dass seine Gedankeninhalte im Hinblick auf seine ökonomische Situation absolut von der Realität abwichen, weswegen es ihm nicht mehr möglich sei, in diesen Angelegenheiten die Realität zu erkennen. LM könne seine eigenen Interessen im Rahmen von Prozessen nicht mehr steuern, weswegen ihm die Prozessfähigkeit abzusprechen sei.
Auf Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes gab der Sachwalter mit Schreiben vom 22. Februar 2000 bekannt, er trete 77 hg protokollierten Verfahren, darunter auch dem zu entscheidenden, nicht bei.
Der Beschluss über die Bestellung eines Sachwalters hat konstitutive Wirkung für die Zeit ab seiner Erlassung. Hinsichtlich jener Beschwerden und Anträge, die LM als physische Person und als Geschäftsführer mehrerer GmbH vor dem 12. Jänner 2000 an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet hat, ist vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen ist, ob LM schon damals nicht mehr prozessfähig gewesen ist, somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite der Verfahren und der sich in diesen ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen derartiger Verfahren entsprechend zu verhalten (vgl das hg Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, 95/20/0729, mwA).
Der Verwaltungsgerichtshof gelangt auf Grund der vorliegenden unter 1. bis 6. angeführten Beweismittel zu dem Schluss, dass LM kurz nach Erstellung des Gutachtens 2. am 11. September 1998 bereits so erkrankt gewesen ist, dass sich aus der ursprünglich bestandenen kombinierten narzisstischen sensitiven Persönlichkeitsstörung iSd Ausführungen im Gutachten 3. eine wahnhafte Störung mit Psychosecharakter entwickelt hat, weswegen er - wie sich auch aus dem Gutachten 5. ergibt - gegen Ende des Jahres 1998 nicht mehr in der Lage gewesen ist, seine ökonomischen Angelegenheiten, somit auch die Bedeutung und Tragweite der Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und der sich in diesen ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen. Daran ändert der Umstand nichts, dass nach dem Gutachten 5. die grundsätzliche psychiatrische Problematik schon zumindest ab dem Jahr 1993 gegeben war. Dies hat jedoch bis kurz nach Erstellung des Gutachtens 2. noch nicht dazu geführt, dass LM in seinen ökonomischen Angelegenheiten prozessunfähig gewesen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass LM auf Grund seiner Wahnerkrankung und des damit verbundenen Realitätsverlustes in Ansehung seiner ökonomischen Angelegenheiten mit Ablauf des Monates September 1998 nicht mehr prozessfähig gewesen ist.
Mangels Prozessfähigkeit des LM im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war die Beschwerde in einem nach § 12 Abs 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 16. Mai 2000
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