Normen
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
Spruch:
Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. November 1997 war der Mitbeteiligte für schuldig erkannt worden, er habe am 29. Juni 1997 um 19.50 Uhr in Wien 2 auf einer näher bezeichneten Straße ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Wochen) zu verhängen gewesen sei.
Auf Grund der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Februar 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG das Verfahren ein.
Über die gegen diesen Bescheid vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 2 B-VG erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Dem erstinstanzlichen Straferkenntnis lagen die Ergebnisse einer Atemalkoholuntersuchung zu Grunde, welche beim Mitbeteiligten einen Atemluftalkoholgehalt von 0, 42 mg/l (erste Messung) bzw. von 0, 41 mg/l (zweite Messung) ergeben hatte.
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass - wie ein ergänzendes Ermittlungsverfahren ergeben habe - der Mitbeteiligte am 29. Juni 1997 um 21.40 Uhr durch einen Dienst habenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt eine Blutabnahme habe durchführen lassen. Die Auswertung der Blutprobe durch das Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien habe bezogen auf den Zeitpunkt der Blutabnahme eine Blutalkoholkonzentration von 0,60 Promille ergeben. Der im Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkerberechtigung beigezogene ärztliche Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft Amstetten habe auf Grund dieser Angaben unter Annahme einer stündlichen Abbaurate von 0,1 Promille eine Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von 0,78 Promille errechnet. Da nach der Straßenverkehrsordnung 1960 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der 19. Novelle der Zustand einer Person bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 Promille oder darüber als durch Alkohol beeinträchtigt gelte, stehe fest, dass der Mitbeteiligte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen habe.
Der beschwerdeführende Bundesminister hat insbesondere geltend gemacht, angesichts der in der Literatur für die der Rückrechnung des Blutalkoholwertes angeführten stündlichen Abbauquoten von 0,1 Promille bis zu 0,28 Promille erweise sich der beim Mitbeteiligten gemessene Alkoholgehalt der Atemluft von mehr als 0,4 mg/l als in der Bandbreite der möglichen Blutalkoholwerte im Zeitpunkt der Anhaltung gelegen. Das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung sei daher nicht geeignet, die Beweiskraft der Atemalkoholmessung zu erschüttern.
§ 5 Straßenverkehrsordnung 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 19. Novelle, BGBl. Nr. 518/1994 lautet
"§ 5. Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol
(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
. . . . . . . . . . . . . . .
(3) Die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt ist mit
einem Gerät vorzunehmen, das den Alkoholgehalt der Atemluft misst
und entsprechend anzeigt (Alkomat).
. . . . . . . . . . . . . . .
(8) Ein bei einer öffentlichen Krankenanstalt Dienst habender
Arzt hat eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des
Blutalkoholgehaltes vorzunehmen, wenn eine Person dies verlangt und
angibt, bei ihr habe eine Untersuchung nach § 5 Abs. 2 eine
Alkoholbeeinträchtigung ergeben. Der Arzt hat die Blutprobe der
nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne
unnötigen Aufschub zu übermitteln und dieser Namen, Geburtsdatum
und Adresse des Probanden sowie den Zeitpunkt der Blutabnahme
bekannt zu geben.
. . . . . . . . . . . . . . ."
Der Gesetzgeber ging bei der seinerzeitigen Neufassung dieser Bestimmung durch die 19. Novelle der Straßenverkehrsordnung 1960 von der Gleichwertigkeit der Atemalkoholmessung und der Blutuntersuchung sowie davon aus, dass die bei einer auf Verlangen des Probanden vorgenommenen Untersuchung des Blutes auf Alkohol erzielten Messergebnisse gleichermaßen wie vom Beschuldigten selbst beigebrachte Beweismittel von der Behörde im Verwaltungsstrafverfahren im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen sein werden (vgl. 1580 BlgNR 18. GP 20 f, sowie das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/03/0119, mit weiteren Verweisen).
Die belangte Behörde hat der Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens die von einem den Anforderungen des Abs. 8 des angeführten Paragrafen entsprechenden Arzt abgenommene Blutprobe, das Ergebnis der Untersuchung dieser Probe durch das angeführte Universitätsinstitut sowie das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten zu Grunde gelegt. Der letztgenannte Sachverständige hat ausgeführt, dass in der Literatur der Bereich, innerhalb dessen der stündliche Abbauwert des Blutalkohols schwanke, mit 0,1 bis 0,3 Promille angegeben werde; der statistische Mittelwert liege bei 1,5 Promille. Da die für den Mitbeteiligten maßgebliche stündliche Abbaurate, die von der Leistungsfähigkeit der Leber abhänge, nicht bekannt sei und nur durch aufwändige Untersuchungen festgestellt werden könne, sei von der für den Mitbeteiligten günstigen stündlichen Abbaurate von 0,1 Promille auszugehen gewesen.
Diesem Gutachten kann - mit Ausnahme der Einschätzung des Abbauwertes von 0,1 Promille als für den Mitbeteiligten günstig - nicht entnommen werden, auf Grund welcher Umstände die vom Sachverständigen angegebene Abbaurate gerade hinsichtlich der Person des Mitbeteiligten als zutreffend angesehen werden sollte. Mit der nicht weiter erläuterten tragenden Begründung des Gutachtens, dass ein bestimmter Wert für den Mitbeteiligten günstiger und deshalb zu Grunde zu legen sei, verlässt der Sachverständige aber den Boden der Tatsachen; es liegt insoweit lediglich eine willkürliche Annahme vor.
Damit lag gegenüber der beim Mitbeteiligten vorgenommenen Atemluftuntersuchung kein "gleichwertiges" Beweismittel vor. Davon, dass das Ergebnis der Atemluftmessung durch das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten entkräftet worden sei, kann keine Rede sein. Daraus folgt, dass der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid musste daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Wien, am 3. November 2000
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