Normen
EStG 1972 §16 Abs1 Z9;
EStG 1972 §20 Abs1;
EStG 1972 §26 Z7;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §20 Abs1;
EStG 1988 §26 Z4;
EStG 1972 §16 Abs1 Z9;
EStG 1972 §20 Abs1;
EStG 1972 §26 Z7;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §20 Abs1;
EStG 1988 §26 Z4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte bezog in den Streitjahren u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb eines Gasthauses, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Landtagsabgeordneter sowie sonstige Einkünfte als Funktionär der Kammer der gewerblichen Wirtschaft.
Wohnung und Gewerbebetrieb des Mitbeteiligten befinden sich in F, Sitz des Landtages und der Kammer in K. Im Zuge einer die Kalenderjahre 1988 bis 1990 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung ließ der Prüfer u.a. die für die Aufenthalte in K geltend gemachten Tagesgelder (1988: S 23.965,--, 1989: S 19.400,--, 1990: S 36.240,--) nicht als Werbungskosten zum Abzug zu und begründete dies damit, dass es sich bei den Fahrten vom Wohnort F zur Arbeitsstätte K nicht um beruflich veranlasste Reisen im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 bzw. 1988 handle.
In der dagegen erhobenen Berufung beantragte der Mitbeteiligte für jene Fahrten, die er als Kammerfunktionär von F nach K zurückgelegt habe, Tagesgelder anzuerkennen. Hinsichtlich der in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter unternommenen Fahrten von F nach K stimmte er hingegen der Rechtsansicht des Finanzamtes zu. Mitte April 1990 habe er sein Mandat als Landtagsabgeordneter zurückgelegt. Die Wahl zum Kammerfunktionär sei auf Grund seiner besonderen Erfahrungen, gewonnen aus der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, erfolgt. Als Funktionär übe er seine Tätigkeit vom Betriebs- bzw. Wohnort aus durch. Die Fahrt vom Betriebsort zur Kammer nach K stelle eine Reise dar, da die Kammer für einen Funktionär nicht als Dienstort anzusehen sei. Insbesondere in Saisonzeiten sei seine Anwesenheit am Betriebsort in F erforderlich, sodass notwendige Besprechungen, Anfragen und Erledigungen im Zusammenhang mit seiner Kammertätigkeit regelmäßig auch am Wohnort erfolgten.
Mit Vorhalt vom 23. August 1993 teilte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten mit, eine Auswertung der von ihm vorgelegten Reiserechnungen habe folgende Verteilung der "Reisestunden" ergeben:
1988 1989 1990
1. Tätigkeit als Abgeordneter
Fahrten nach K 236 202 154
Fahrten Inland 11 69 48
Fahrten Ausland 144
2. Tätigkeit als Kammerfunktionär
Fahrten im Nahbereich zum Wohnort 75 179 44
Fahrten nach und im Nahbereich
zu K 706 958 1.164
Fahrten Inland 479 537 622
Fahrten Ausland 84 60
In Abänderung der Feststellungen der abgabenbehördlichen
Prüfung sei davon auszugehen, dass sowohl F als auch K als
Tätigkeitsmittelpunkte anzusehen seien. Daraus folge, dass auch die
im Nahbereich zum Wohnort und im Nahbereich zu K unternommenen
Fahrten keine Reisen im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988
darstellten. Die Tagesgelder im Zusammenhang mit den sonstigen
Einkünften seien - da der Durchschnitt der Einkünfte als
Kammerfunktionär der letzten drei Jahre vor 1988 rund S 183.000,--
betragen habe - auf Basis von S 320,-- (anstatt S 400,--) zu
berechnen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Begründend führte sie aus, der Mittelpunkt der Tätigkeit des Mitbeteiligten als Kammerfunktionär liege an seinem Wohn- und Betriebsort in F. Der Mitbeteiligte habe seine Kammerfunktion nur dadurch erlangen können, dass er einen gewerblichen Betrieb führe. Der Gewerbebetrieb erfordere auch weiterhin seine Anwesenheit in F. Daraus folge, dass der Mittelpunkt der Tätigkeit des Mitbeteiligten als Kammerfunktionär am "betriebsbezogenen Standort" in F liege. Dies auch deshalb, weil sich der Mitbeteiligte im Streitzeitraum nicht ununterbrochen in K aufgehalten habe, sondern nur zur Erledigung der Verwaltungsarbeiten nach K gefahren sei. Dafür spreche auch der Umstand, dass der Mitbeteiligte von jenem Finanzamt, das für den Wohnort F zuständig sei, zur Einkommensteuer veranlagt werde. Weiters habe der Mitbeteiligte aus repräsentativen Gründen häufig Einladungen zu übernehmen, sodass schon aus diesem Grund von einem Verpflegungsmehraufwand, den die Tagesgelder letztendlich abdecken sollen, gesprochen werden müsse. Somit seien lediglich die Fahrten im Nahbereich von F nicht als Reisen, jene nach K und im Nahbereich von K hingegen als Reisen im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 bzw. 1988 anzuerkennen.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Mit dem Begriff der "Reise" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 bzw. 1988 hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt auseinander gesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Aufenthalt an einem Ort, der als Mittelpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen angesehen werden muss, keine Reise darstellt, wobei zu einem (weiteren) Mittelpunkt der Tätigkeit ein Ort auf Grund längeren Aufenthaltes des Steuerpflichtigen wird. Der längere Aufenthalt ermöglicht es ihm, sich dort über die Verpflegungsmöglichkeiten zu informieren und so jenen Verpflegungsmehraufwand zu vermeiden, der allein die Annahme von Werbungskosten statt nicht abzugsfähiger (üblicher) Verpflegungsaufwendungen der privaten Lebensführung rechtfertigt. Erstreckt sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf mehrere Orte in der Weise, dass jeder Ort - für sich betrachtet - Mittelpunkt der Tätigkeit sein könnte, dann ist jeder dieser Orte als Mittelpunkt der Tätigkeit zu qualifizieren und der Aufenthalt an ihm keine Reise (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1991, 90/13/0199, m.w.N.).
Auch die mit Unterbrechungen ausgeübte Beschäftigung an einem Ort begründet dessen Eignung zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit, sofern die Dauer einer solchen wiederkehrenden Beschäftigung am selben Ort insgesamt ein Ausmaß erreicht, welches zum Wegfall der Voraussetzungen des in typisierender Betrachtungsweise unterstellten Verpflegungsmehraufwandes aus den gleichen Überlegungen zu führen hat, wie sie bei einer nicht unterbrochenen Aufenthaltsdauer an einem Beschäftigungsort nach Verstreichen eines typisiert als angemessen zu beurteilenden Zeitraumes Platz zu greifen haben (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 96/13/0132, m.w.N.).
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen vermögen die Ausführungen der belangten Behörde den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Mag der Mitbeteiligte seine Aufgaben als Kammerfunktionär zum Teil auch von seinem Wohn- bzw. Betriebsort aus erledigt haben, so stellte er doch in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede, sich regelmäßig in K aufgehalten zu haben, um seine Agenden in der Kammer unter Zuhilfenahme des dafür vorhandenen Apparates zu besorgen. Wenn die belangte Behörde K wegen des "nicht ununterbrochenen Aufenthaltes des Mitbeteiligten in K" nicht als Mittelpunkt der Tätigkeit ansah, so hat sie die Rechtslage verkannt. Nach der angeführten Rechtsprechung hat der Ansatz von Tagesgeldern als Werbungskosten einen Verpflegungsmehraufwand zur Voraussetzung. Ein solcher Mehraufwand liegt aber dann nicht mehr vor, wenn dem Steuerpflichtigen im Hinblick auf einen bereits längeren Aufenthalt am Reiseort und die entsprechende Ortskenntnis höhere Verpflegungsaufwendungen als am Wohnort nicht erwachsen. Zutreffend weist der beschwerdeführende Präsident in diesem Zusammenhang darauf hin, dass den Tagesgeldern nicht die von der belangten Behörde zugemessene Funktion, dem Mitbeteiligten allfälligen Repräsentationsaufwand abzugelten, zukomme.
Zu den vom Mitbeteiligten in der Gegenschrift geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ist zu bemerken, dass auch Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Reisekosten nur bei Erfüllung des oben aufgezeigten Reisekostenbegriffes als Werbungskosten geltend machen können (vgl. dazu die bereits angeführten hg. Erkenntnisse, die jeweils Reisekosten von Arbeitnehmern betroffen haben). Auch stellen vom Arbeitgeber im Sinne des § 26 Z. 4 EStG 1988 geleistete Tagesgelder steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, wenn sie nicht einen tatsächlich angefallenen Mehraufwand im oben beschriebenen Sinn abgelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 99/14/0082). Die vom Mitbeteiligten als verfassungswidrig erachtete Differenzierung zwischen den Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und allen anderen Abgabepflichtigen liegt daher nicht vor.
Hinsichtlich jener Reisen des Jahres 1988, welche nach dem Gesagten den Reisebegriff des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1972 erfüllen, wird - worauf der beschwerdeführende Präsident zutreffend hinweist - im fortgesetzten Verfahren auch auf die Höhe der Vorjahreseinkünfte Bedacht zu nehmen sein.
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 26. April 2000
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