VwGH 99/18/0393

VwGH99/18/039320.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der J (auch: J) K, geboren am 18. Juli 1964, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. September 1999, Zl. SD 389/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §37;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. September 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine philippinische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin befinde sich seit 21. April 1991 in Österreich und habe im Zeitraum von Juli 1991 bis Juli 1993 über mehrere Sichtvermerke verfügt. Am 3. Mai 1993 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und noch im selben Monat die Ausstellung eines Befreiungsscheines beantragt. In der Folge sei ihr eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung erteilt und im Anschluss daran bis 12. März 1996 verlängert worden. Der weitere Verlängerungsantrag vom 16. Februar 1996 sei vom "Amt der Wiener Landesregierung" mit Bescheid vom 29. Juni 1996 wegen des Eingehens einer "Scheinehe" abgewiesen worden. In diesem Verfahren habe sich herausgestellt, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte niemals gemeinsam polizeilich gemeldet gewesen seien. Vielmehr habe sich die Beschwerdeführerin nur mit Nebenwohnsitz an der Adresse ihres Gatten angemeldet, wobei es sich offenbar um eine Scheinanmeldung gehandelt habe. Die Ehe sei jedenfalls am 30. Jänner 1996 einvernehmlich geschieden worden. Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres damaligen Ehegatten vor der Behörde und des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin selbst angegeben habe, den Österreicher nur geheiratet zu haben, weil sie in Österreich bleiben wolle, sei der Schluss gezogen worden, dass es sich um eine reine Formehe zum Zweck der Erlangung des Zuganges zum Arbeitsmarkt und fremdenrechtlich relevanter Bewilligungen gehandelt habe.

Trotz zweier weiterer ablehnender Bescheide bezüglich der Erteilung eines Aufenthaltstitels sei die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Am 12. März 1998 habe sie abermals einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und wenige Tage darauf einen Antrag auf Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit diesem österreichischen Staatsbürger gestellt. Bei der Vernehmung vor der Erstbehörde am 10. April 1998 habe der Gatte der Beschwerdeführerin - nach Belehrung über sein Entschlagungsrecht - ausgesagt, dass er von der Beschwerdeführerin in einem Lokal angesprochen worden wäre, ob er sie gegen eine Bezahlung von öS 40.000,-- heiraten wollte. Da es ihm als Frühpensionist finanziell nicht gut gegangen wäre, hätte er diesem Ansinnen zugestimmt. Den Betrag von S 40.000,-- hätte er am Tag vor der Hochzeit bar von seiner Gattin erhalten. Er hätte die Ehe aus rein finanziellen Überlegungen geschlossen. Eine Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft wäre von vornherein nie beabsichtigt gewesen. Seine Gattin hätte nie bei ihm gewohnt, sondern wäre lediglich zum Schein bei ihm angemeldet gewesen.

Diese Angaben seien der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden. Daraufhin habe sie der Behörde eine notariell beglaubigte Erklärung ihres Ehegatten vom 7. Juli 1998 vorgelegt, in der dieser seine niederschriftlichen Angaben vom 10. April 1998 widerrufe und erkläre, für die Eheschließung kein Geld bekommen zu haben. Am 16. Februar 1999 sei der Gatte der Beschwerdeführerin daher neuerlich vernommen worden. Dabei habe er ausgeführt, zu dem Widerruf von der Beschwerdeführerin gedrängt worden zu sein, weil sie die Ablehnung ihres Sichtvermerksantrages bzw. die Ausweisung befürchtet hätte. Die Stempelgebühren beim Notar in der Höhe von S 750,-- wären ebenfalls von der Beschwerdeführerin bezahlt worden. Überdies hätte ihm die Beschwerdeführerin eine weitere Bezahlung von S 10.000,-- in Aussicht gestellt, wenn sie die Aufenthaltsberechtigung bekäme. Bisher hätte er jedoch kein Geld bekommen. Er hätte bei der Einvernahme vom 10. April 1998 die Wahrheit gesagt.

Die Beschwerdeführerin bestreite dennoch ausdrücklich das Vorliegen einer Scheinehe und behaupte, ihren Mann aus Zuneigung geheiratet zu haben. Den Betrag von S 40.000,-- hätte sie ihm für die Anschaffung von Möbeln und für die Finanzierung des gemeinsamen Lebens gegeben. Sie wäre auch im Besitz eines Schlüssels für die Wohnung ihres Mannes. Diesbezüglich habe sie ein fotokopiertes Schriftstück vorgelegt. Sie habe betont, dass sie immer wieder in die Wohnung ihres Mannes gekommen wäre, um diesen zu ersuchen, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen. Zudem habe sie Fotos von der Eheschließung vorgelegt. Bemerkenswert sei, dass die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen nicht von ihrem Mann, sondern von einer Tante Unterhaltszahlungen erhalte. Außerdem stelle sich die Frage, warum die Beschwerdeführerin nicht längst die Scheidung begehrt habe, wenn sich ihr Mann trotz mehrmaligen Ersuchens geweigert habe, die eheliche Lebensgemeinschaft fortsetzen zu wollen. Die belangte Behörde habe keine Veranlassung die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin in Zweifel zu ziehen. Dies umso weniger, als sich die Beschwerdeführerin letztendlich darauf beschränkt habe, das Vorliegen einer Scheinehe und die Bezahlung eines Geldbetrages in Abrede zu stellen. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 1993 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe, wobei sich auch diesbezüglich herausgestellt habe, dass ausreichende Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Scheinehe vorgelegen seien.

Angesichts dessen gelangte die belangte Behörde zur Überzeugung, dass sich die Beschwerdeführerin anlässlich ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung vom 25. März 1998 auf eine Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger berufen, nie ein gemeinsames Familienleben geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG sei somit verwirklicht. Das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Beschwerdeführerin beeinträchtige die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass das Aufenthaltsverbot im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei.

Aufgrund des etwa achteinhalbjährigen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und im Hinblick darauf, dass zahlreiche Verwandte, u.a. die Tante, in Wien lebten, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Wer, wie die Beschwerdeführerin, grob rechtsmissbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, sich fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der aus dem mehrjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin abzuleitenden Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch das Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt werde und es der Beschwerdeführerin nur aufgrund ihrer ersten Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger möglich gewesen sei, sich am inländischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Aufgrund des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens komme diesen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin kein größeres Gewicht zu als den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass auch keine besonderen, zugunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände vorlägen, habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehen ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs.1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt, ist, dass sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

    Nach § 36 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 9) eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 ERMK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

    2. Das Beschwerdevorbringen gegen das Vorliegen einer im Sinn der zitierten Bestimmung rechtsmissbräuchlich eingegangenen Ehe erschöpft sich in folgenden Ausführungen:

    "Wie bereits in meiner Berufung gegen den Bescheid der Fremdenpolizei ausgeführt, ist es zwar richtig, dass ich meinem Mann einen Betrag von S 40.000,-- gegeben habe, allerdings nicht für die Eheschließung, sondern für gemeinsame Anschaffungen in der Wohnung. Ich habe auch über einen Wohnungsschlüssel verfügt. Ich besitze Fotos, die anlässlich der Eheschließung gemacht wurden, die ich auch der Fremdenpolizei vorgelegt habe. Aus diesen Fotos ist ersichtlich, dass eine Hochzeitsfeier stattgefunden hat, an der meine Verwandten teilgenommen haben. Eine Scheinehe ist daraus keinesfalls ableitbar. Ganz im Gegenteil ist daraus auf das Vorliegen einer 'normalen' Ehe zu schließen."

    Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung berücksichtigt. Dass sie dennoch vor allem auf Grundlage der eindeutigen Aussagen des Gatten der Beschwerdeführerin zu der Feststellung gelangte, dass ein gemeinsames Familienleben nie geführt und für die Eheschließung ein Vermögensvorteil geleistet worden sei, begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beweiswürdigung zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. vor allem das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

    Da sich die Beschwerdeführerin unstrittig in ihrem kurz nach der Eheschließung gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf diese Ehe berufen hat, besteht kein Einwand gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG erfüllt sei.

    Ein derartiges Verhalten beeinträchtigt die öffentliche Ordnung (konkret: das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen) erheblich. Es bestehen daher gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass vorliegend die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keine Bedenken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 99/18/0071).

3.1. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG gerechtfertigt, wendet die Beschwerdeführerin nur ein, dass sie seit fast neun Jahren in Österreich lebe und hier "zahlreiche Verwandte" habe.

3.2. Die aus diesen - von der belangten Behörde ohnehin berücksichtigten - Umständen ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Inland werden dadurch relativiert, dass ihnen seit Abweisung des Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vom 29. Juni 1996 kein rechtmäßiger Aufenthalt zugrunde liegt.

Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, das die Beschwerdeführerin sowohl durch die Eingehung einer Ehe nur zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als auch durch den mehrjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt erheblich beeinträchtigt hat, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangte, dass das Aufenthaltsverbot auch unter Berücksichtigung der persönlichen Interessenlage der Beschwerdeführerin zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG).

3.3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiters Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 1999

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