VwGH 99/10/0240

VwGH99/10/024020.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des mj. O, vertreten durch die Mutter und Erziehungsberechtigte U, beide in Wiener Neudorf, beide vertreten durch Prader & Plaz OEG, Rechtsanwälte in Wien VII, Seidengasse 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 29. September 1999, Zl. 1.110/41-III/A/4b/99, betreffend Berechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe, zu Recht erkannt:

Normen

SchUG 1986 §19 Abs4;
SchUG 1986 §19 Abs7;
SchUG 1986 §19 Abs4;
SchUG 1986 §19 Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 29. September 1999 ausgesprochen, der Beschwerdeführer sei zum Aufsteigen in den II. Jahrgang einer Höheren Lehranstalt für Wirtschaftsingenieurwesen nicht berechtigt. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Schuljahr 1998/99 den I. Jahrgang einer Höheren Lehranstalt für Wirtschaftsingenieurwesen besucht. Aufgrund der Entscheidung der Jahrgangskonferenz vom 24. Juni 1999 habe er im Pflichtgegenstand "Englisch" eine negative Jahresbeurteilung erhalten. Da er schon im Jahreszeugnis des vorhergehenden Schuljahres - er habe den I. Jahrgang wiederholt - in demselben Pflichtgegenstand eine negative Jahresbeurteilung erhalten habe, sei ihm die Berechtigung zum Aufsteigen mit einem "Nicht genügend" nicht erteilt worden. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung habe der Landesschulrat für Niederösterreich im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, eine vorgenommene Überprüfung der vom Beschwerdeführer im Pflichtgegenstand "Englisch" erbrachten Leistungen habe die Richtigkeit der negativen Jahresbeurteilung ergeben. Der Umstand, dass die gemäß § 19 Abs. 4 SchUG vorgesehene Verständigung unterblieben sei, habe auf die Festsetzung der Jahresbeurteilung keinen Einfluss. Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten habe aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers ein pädagogisches Gutachten eingeholt, das - wie näher dargestellt - zum Ergebnis gekommen sei, die Beurteilung des Beschwerdeführers im Pflichtgegenstand "Englisch" mit "Nicht genügend" sei richtig. Da der Beschwerdeführer wiederholt auf seine schwachen Leistungen in "Englisch" hingewiesen worden sei, habe für ihn - trotz der unterbliebenen Benachrichtigung seiner Erziehungsberechtigten - offensichtlich sein müssen, dass mit seinen Leistungen keine positive Beurteilung in "Englisch" zu erreichen sei. Dadurch werde der versäumten Benachrichtigung der Erziehungsberechtigten "die Schärfe" genommen. Aufgrund dieses Gutachtens erachte der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten die Beurteilung des Beschwerdeführers in "Englisch" als zutreffend. Es sei auch die Behauptung des Beschwerdeführers nicht schlüssig, er hätte im Falle einer tatsächlich erfolgten (formellen) Frühwarnung gemäß § 19 Abs. 4 SchUG eine höhere Leistungsbereitschaft gezeigt. Der Beschwerdeführer sei somit zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 25 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in einem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit "Befriedigend" beurteilt wurde.

Der Beschwerdeführer bestreitet weder, bei Wiederholung des I. Jahrganges der von ihm besuchten Höheren Lehranstalt im Pflichtgegenstand "Englisch" eine negativ zu beurteilende Jahresleistung erbracht zu haben, noch, in diesem Pflichtgegenstand vor der Wiederholung ebenfalls eine negative Gesamtbeurteilung erhalten zu haben. Er bringt vielmehr vor, die unterlassene Verständigung gemäß § 19 Abs. 4 SchUG sei für die von ihm nunmehr gebotene negative Jahresleistung kausal gewesen. Wäre seine Erziehungsberechtigte verständigt und das - gerade in seinem Fall besonders wichtige - Frühwarnsystem gesetzeskonform eingehalten worden, so hätten entsprechende - näher dargestellte - Gegensteuerungs- und Förderungsmaßnahmen ergriffen werden können; der Beschwerdeführer hätte dann sicherlich die notwendigen Leistungen erbringen können. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer über seinen Leistungsstand möglicherweise Bescheid gewusst habe, relativiere - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - keineswegs die Anforderungen an das Frühwarnsystem. Die Verständigung nach § 19 Abs. 4 SchUG habe jedenfalls nicht nur Informationscharakter. Die Konsequenz einer Verletzung dieser Bestimmung liege vielmehr darin, dass bei Unterbleiben der Verständigung die Eintragung einer negativen Jahresnote nicht zulässig sei.

Gemäß § 19 Abs. 4 SchUG ist, wenn die Leistungen des Schülers aufgrund der bisher erbrachten Leistungen in einem Pflichtgegenstand im zweiten Semester mit "Nicht genügend" zu beurteilen wären, dies den Erziehungsberechtigten unverzüglich mitzuteilen und es ist dem Schüler sowie den Erziehungsberechtigten vom Klassenvorstand oder vom unterrichtenden Lehrer Gelegenheit zu einem beratenden Gespräch zu geben. Dabei sind insbesondere leistungsfördernde Maßnahmen zur Vermeidung dieser negativen Beurteilung (z.B. Analyse der Lerndefizite, Fördermöglichkeiten, Leistungsnachweise, individuelles Förderkonzept) zu erarbeiten und zu beraten.

Durch diese Bestimmung soll - so die Gesetzesmaterialien (vgl. RV 417 BlgNR, 20. GP, 20) - ein "Frühwarnsystem" geschaffen werden, um einer bevorstehenden negativen Beurteilung eines Pflichtgegenstandes möglichst frühzeitig - und nicht erst zum letztmöglichen Termin - dadurch entgegenzuwirken, dass in einem beratenden Gespräch die in der konkreten Situation zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer Abwendung der Beurteilung mit "Nicht genügend" erörtert werden.

Was die Konsequenzen einer Unterlassung dieser gemäß § 19 Abs. 4 SchUG vorgesehenen Verständigung anlangt, sieht § 19 Abs. 7 SchUG vor, dass diese Verständigung "ausschließlich Informationscharakter" hat. Eine Verletzung des § 19 Abs. 4 SchUG hat daher nicht die Unzulässigkeit einer negativen Beurteilung im Jahreszeugnis zur Folge (vgl. die Gesetzesmaterialien, RV 401 BlgNR, 14. GP, 13: "Es hat auf den Bestand einer Leistungsbeurteilung als eines Gutachtens keinen Einfluss, ob die gesetzlich vorgeschriebene Information darüber erfolgt oder nicht bzw. ob sie ordnungsgemäß oder mit formalen Mängeln behaftet ergeht"; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0056 und die hier zitierte Vorjudikatur). Die Auffassung des Beschwerdeführers, eine negative Beurteilung wäre zu Folge einer Verletzung der Verständigungspflicht unzulässig, ist somit unzutreffend.

Soweit der Beschwerdeführer jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften noch geltend macht, die belangte Behörde habe sich mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers, dem bei einer neuerlichen negativen Beurteilung im Pflichtgegenstand "Englisch" der Abbruch und Verlust seiner gesamten Ausbildung drohe, aber auch mit dem eingeholten pädagogischen Gutachten nicht hinreichend auseinander gesetzt, hat er es unterlassen, zugleich auch die Wesentlichkeit eines der belangten Behörde allenfalls unterlaufenen Verfahrensfehlers im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG darzutun. Schon aus diesem Grund zeigt der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen keinen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel auf.

Da somit bereits aus dem Inhalt der vorliegenden Beschwerde zu ersehen ist, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 1999

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