VwGH 99/10/0105

VwGH99/10/01056.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde der Mag. pharm. B in St. Johann/Pongau, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 2. April 1999, Zl. 262.698/0-VIII/A/4/99, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Apothekenangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 5. September 1996 erteilte der Landeshauptmann von Salzburg (LH) Mag. pharm. B die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in St. Johann/Pongau. Eine gegen diesen Bescheid von Mag. pharm. Z eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. August 1997 abgewiesen. Dieser letztgenannte Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. Juni 1998, B 2440/97, aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde die Berufung von Mag. pharm. Z mit Bescheid vom 14. August 1998 neuerlich ab.

Am 23. Dezember 1998 beantragte die Beschwerdeführerin beim LH die Zustellung des erstinstanzlichen Konzessionsbescheides vom 5. September 1996 und begründete dies damit, dass ihr als Inhaberin einer Nachbarapotheke Parteistellung im Verfahren über den Konzessionsantrag von Mag. pharm. B zukomme.

Nachdem der LH der Beschwerdeführerin den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. September 1996 übermittelt hatte, erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. April 1999 wies die belangte Behörde diese Berufung als unzulässig zurück.

In der Begründung heißt es, im vorliegenden Verfahren hätten beide Instanzen, nämlich der LH mit seinem Bescheid vom 5. September 1996 und die belangte Behörde mit ihrem Bescheid vom 14. August 1998 über das Konzessionsansuchen von Mag. pharm. B entschieden. Damit sei der Bescheid der belangten Behörde an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides getreten, der dadurch jede Wirkung verloren habe. Der Bescheid des LH sei nicht mehr existent und könne daher auch nicht mit Berufung bekämpft werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Auffassung der belangten Behörde, der Bescheid des LH sei nicht mehr existent und könne daher auch nicht mit Berufung bekämpft werden, sei unzutreffend. Ein Bescheid, der nur einem Teil der Parteien zugestellt werde, entfalte gegenüber den anderen Parteien keine Rechtswirkungen. Er werde erst dann rechtswirksam, wenn er auch gegenüber den "übergangenen Parteien" zugestellt worden sei. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Rechtsauffassung würde insofern zu einem unbilligen Ergebnis führen, als dadurch jenen Parteien, die auf Grund des Verschuldens der Behörde einem Verwaltungsverfahren rechtswidrigerweise nicht zugezogen worden seien, der Rechtszug beschnitten werden würde. Sie könnten ihre Argumente lediglich in zweiter Instanz geltend machen. Die Auffassung der belangten Behörde lasse sich auch nicht mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründen. Die Auffassung der belangten Behörde würde auch eine Rechtsschutzlücke nach sich ziehen. Es sei der Beschwerdeführerin nämlich unmöglich gewesen, sich über den Stand des apothekengesetzlichen Verfahrens auf dem Laufenden zu halten. Mangels der prozessualen Rechte der Akteneinsicht bzw. des Parteiengehörs sei es ihr unmöglich gewesen, herauszufinden, ob die zwischenzeitig eröffnete neue Apotheke auf Grund des erstinstanzlichen Bescheids des LH oder auf Grund eines allfälligen Berufungsbescheides der belangten Behörde errichtet worden sei. Überdies habe die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom 23. Dezember 1998 zwar ausdrücklich die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides beantragt; sie habe im selben Schriftsatz aber auch ausgeführt, dass ihr der Bescheid über die Erteilung der Konzession an Mag. pharm. B bis dato nicht zugestellt worden sei. Die belangte Behörde hätte daher spätestens im Zeitpunkt ihrer zurückweisenden Entscheidung amtswegig den zweitinstanzlichen Konzessionsbescheid zustellen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 1992, 91/10/0240, welchem ein Sachverhalt zugrunde lag, der in allen wesentlichen Belangen dem auch dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden gleicht, Folgendes ausgeführt:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse Slg. Nr. 9379 A/1977, und vom 6. Februar 1990, Zl. 89/04/0113), hat eine Berufungsentscheidung die Rechtswirkung, dass der unterinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und diese, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist (in diesem Sinne auch Walter-Mayer, Grundriss des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 543, mit Hinweisen auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes; Ringhofer, die Verwaltungsverfahrensgesetze I (1987), Anm. 1 zu § 66 AVG; Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens3, Anm. 14 zu § 66 AVG). Demnach kann, wenn die Berufungsbehörde bereits eine Sachentscheidung getroffen hat, ein Rechtsmittel gegen den unterinstanzlichen Bescheid nicht mehr ergriffen werden, gehört dieser doch nicht mehr dem Rechtsbestand an. Das gilt in gleicher Weise in Ansehung einer übergangenen Partei; auch sie kann, da der unterinstanzliche Bescheid nicht mehr existent ist, nur noch den an seine Stelle getretenen Berufungsbescheid bekämpfen. Eine dennoch gegen den unterinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung ist unzulässig und gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückzuweisen."

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. August 1998 die Berufung von Mag. pharm. Z als unbegründet abgewiesen und der Konzessionsbescheid des LH vom 5. September 1996 bestätigt. Der Konzessionsbescheid des LH gehört somit nicht mehr dem Rechtsbestand an, da er infolge Bestätigung durch den angefochtenen Bescheid in diesem aufgegangen ist. Dass dies auch gegenüber übergangenen Parteien gilt, wurde im zitierten Verwaltungsgerichtshoferkenntnis ausgesprochen. Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlass. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, sie habe nicht die Möglichkeit, in Erfahrung zu bringen, welche Behörde den Konzessionsbescheid in letzter Instanz erlassen habe, ist unzutreffend. Wenn sie tatsächlich "übergangene Partei" ist, stehen ihr auch alle einer Partei zukommenden Rechte, somit auch das Recht der Akteneinsicht, zu. Dass eine übergangene Partei in jenen Fällen, in denen bereits ein Bescheid der Berufungsbehörde ergangen ist, ihre Einwendungen nur mehr gegen diesen Bescheid vorbringen kann, ist eine zwingende Konsequenz aus dem Umstand, dass der erstinstanzliche Bescheid durch den Berufungsbescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde. Die Berufung der Beschwerdeführerin hat sich somit gegen einen nicht mehr existenten Bescheid gerichtet. Diese Berufung wurde daher zu Recht zurückgewiesen.

Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerin führte dazu, dass es in derselben Sache divergente Sachentscheidungen geben könnte; dies dann, wenn die Berufungsbehörde in ihrer Entscheidung über die Berufung der übergangenen Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid zu einem anderen Ergebnis käme als im bereits zuvor über Berufung einer anderen Partei erlassenen Bescheid. Divergente Sachentscheidungen in derselben Sache aber sind mit dem Konzept des AVG nicht vereinbar. Nach § 59 Abs. 1 AVG hat vielmehr auch in Mehrparteienverfahren letztlich ein einheitlicher Bescheid zu ergehen, durch den die in Verhandlung stehende Sache zur Gänze erledigt und über alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge abgesprochen wird (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, Rz 543).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 6. Juli 1999

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