VwGH 96/10/0186

VwGH96/10/018618.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der Stadt Wien gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. Juli 1996, Zl. 6 - 54 G 3/10-1996, betreffend Antrag auf naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;
NatSchG Stmk 1976 §20 idF 1985/079;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs6 idF 1985/079;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;
NatSchG Stmk 1976 §20 idF 1985/079;
NatSchG Stmk 1976 §5 Abs6 idF 1985/079;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Mit Schreiben vom 29. März 1991 legte die beschwerdeführende Stadt Wien (Magistratsabteilung 31) dar, sie beabsichtige, die auf ihrem Grundstück Nr. 191/5 KG W. zu Tage tretende A.-Quelle zu fassen und zur Abdeckung von jahreszeitlich bedingten Minderschüttungen anderer Quellen der II. Wiener Hochquellenleitung im Rahmen der bestehenden wasserrechtlichen Konsense heranzuziehen. Alle Anlagen lägen in dem mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1958, LGBl. Nr. 56, festgelegten Naturschutzgebiet Wildalpener Salzatal. Die näheren Details seien dem angeschlossenen Projekt MA 31 - 93 30/90, verfasst von Baumeister Ing. K., vom März 1991 zu entnehmen. Es werde um Erteilung der Ausnahmegenehmigung für das im öffentlichen Interesse der Wasserversorgung der Stadt Wien gelegene Vorhaben ersucht. Den angeschlossenen Planunterlagen ist zu entnehmen, dass das Projekt (MA 31-9330/90) unter anderem die Errichtung von Quellfassungen, einer Quellstube, einer Einspeisekammer, eines Auslaufbauwerkes, und des Salzadükers mit Entleerungsschacht umfasste.

Einer Stellungnahme der Fachstelle Naturschutz der belangten Behörde zufolge werde "durch das vorgesehene Projekt dahingehend nachhaltig in den Naturhaushalt und in die Landschaft eingegriffen, dass Bauwerke (Quellfassungen, Quellstube, Einleitungsbauwerk) außerhalb geschlossener Siedlung errichtet werden, Grabungen im Bereich der natürlichen Landschaftselemente der A-Quellen vorgenommen werden und durch die Wasserentnahme natürliche Wasserläufe und Quellbiotope beeinträchtigt werden".

Mit Schreiben vom 23. April 1992 erklärte die beschwerdeführende Partei, es liege nun eine erste Stellungnahme des Amtssachverständigen im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren vor. Danach seien auch vom wasserrechtlichen und wasserbautechnischen Standpunkt sowohl weitere Untersuchungen als auch die Vorlage von Unterlagen zur Weiterverfolgung des generellen Projekts notwendig. Die beschwerdeführende Partei habe daher ein Detailprojekt nur die Quellfassung betreffend in Auftrag gegeben, das für den Fall einer Bewilligung Ergebnisse und Unterlagen für die Weiterverfolgung des Gesamtprojektes liefern solle. Dieses Operat liege in Kürze vor und werde sodann unter gleichzeitiger Zurückstellung des generellen Projektes zur Bewilligung eingereicht werden.

Mit Schreiben vom 13. Mai 1993 legte die beschwerdeführende Partei dar, dass zwischenzeitlich auf der Ebene der obersten Wasserrechtsbehörde das Projekt der Fassung und Einleitung der A.-Quelle mangels ausreichender Darstellung der hydrologischen Daten nicht habe weiter behandelt werden können. Sie habe dieses Projekt daher zurückgezogen und nunmehr bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur das Vorhaben "Aufschließungsfassungen" zur wasserrechtlichen Bewilligung eingereicht. Dieses Untersuchungsvorhaben solle relevante Unterlagen einerseits für alle im Wasserrechtsverfahren zu berücksichtigenden Aspekte, andererseits auch Grundlagen für die Beurteilung des Vorhabens aus umwelttechnischer Sicht liefern. Die Stadt Wien reiche deshalb das vorliegende Projekt "A.-Quelle - Aufschließungsfassungen zur quantitativen und qualitativen Untersuchung vom Mai 1993" mit dem Antrag zur naturschutzrechtlichen Bewilligung ein. Gleichzeitig werde der Antrag vom 29. März 1991 ausgesetzt und das damals eingereichte Projekt vom März 1991 zurückgezogen. Dem Schreiben waren mit der Zahl MA 31-9330/90 bezeichnete Planunterlagen und eine technische Beschreibung angeschlossen, aus denen sich ergibt, dass das Projekt die Errichtung von Quellfassungen der einzelnen Quelladern der A.-Quelle umfasst.

Mit Schreiben vom 6. Mai 1996, das als Gegenstand "II. Wiener Hochquellenleitung, Fassung und Einspeisung der A.-Quelle in W., naturschutzrechtliches Verfahren, Bezug: MA 31-9330/90" nennt, teilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit, der Umweltanwalt habe Parteistellung im naturschutzrechtlichen Ermittlungsverfahren. Es könne davon ausgegangen werden, dass er bei einem eventuellen positiven Bescheid von seinem Berufungsrecht Gebrauch machen werde. Daher werde angefragt, ob die beschwerdeführende Partei unter diesen Umständen auf einer bescheidmäßigen Erledigung ihres Ansuchens bestehe.

Die beschwerdeführende Partei antwortete, sie ersuche, unter Berücksichtigung aller vorgebrachten Stellungnahmen ihren Antrag vom 13. Mai 1993 bescheidmäßig zu erledigen.

Der Spruch des daraufhin erlassenen angefochtenen Bescheides vom 15. Juli 1996 lautet:

"Gemäß § 4 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1958, LGBl. Nr. 56, über die Erklärung des Gesäuses und des anschließenden Ennstales bis zur Landesgrenze sowie des Wildalpener Salzatales zu Naturschutzgebieten, iVm § 5 Abs. 5 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65/1976, idF der Novelle LGBl. Nr. 79/85, wird das Ansuchen der Stadt Wien, vertreten durch den Magistrat, MA 31 - Wasserwerke, vom 29. März 1991 um die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Fassung und Einspeisung der A.-Quelle in W. nach dem Projekt GZ: MA 31-93 30/90, Verfasser Baumeister K., abgewiesen."

Begründend wurde im Zuge der Wiedergabe der Verfahrensergebnisse unter anderem dargelegt, der "o.a. Antrag" (erkennbar gemeint: der Antrag vom 29. März 1991) "wurde von der MA 31 fallen gelassen und stattdessen ein Antrag auf Aufschließungsfassung der Quellen für quantitative und qualitative Untersuchung gestellt (23. April 1992). Auch dieser Antrag wurde von der Naturschutzbehörde nicht bewilligt."

Nach Wiedergabe der kursorischen Darlegungen des Amtssachverständigen legte die belangte Behörde dar, die beabsichtigten Bauwerke würden die natürlichen Erscheinungsformen jener Teillandschaft des Naturschutzgebietes II nachhaltig und wesentlich verändern. Der Bereich der A.-Quelle sei geprägt durch natürliche Wasserläufe und Quellbiotope. Bei Errichtung der beabsichtigten Bauwerke (Quellfassungen, Quellstube, Einleitungsbauwerke) würde der natürliche Bereich in dieser Teillandschaft zerstört und somit unwiederbringlich verloren gehen. Dies bedeute, dass die natürlichen Erscheinungsformen dieses Gebietes in der Ganzheit mit nachhaltiger Wirkung wesentlich verändert würden. Ergänzend sei festzustellen, dass bereits eine große Anzahl von Quellfassungen im dortigen Bereich vorhanden seien, die bereits die natürlichen Erscheinungsformen des Tales nachhaltig verändert hätten. Es käme somit dem Bereich der A.-Quelle eine erhöhte naturräumliche Wertigkeit zu. Im Übrigen könne davon ausgegangen werden, dass durch die bestehenden Quellen eine ausreichende Trinkwasserversorgung der Stadt Wien gewährleistet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des Verwaltungsverfahrens ist eine Ausnahmebewilligung nach § 5 Abs. 6 in Verbindung mit § 20 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65/1976 idF LGBl. Nr. 79/1985. Es ist nicht zweifelhaft, dass es sich bei einem auf die genannten Vorschriften gegründeten Bescheid um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt. Eine Behörde, die einen antragsbedürftigen Bescheid erlässt, obwohl kein darauf gerichteter Antrag der Partei vorliegt, verletzt auf einfach gesetzlicher Ebene das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung. Eine solche Verletzung der Behördenzuständigkeit ist vom Verwaltungsgerichtshof ungeachtet einer Möglichkeit einer Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers wahrzunehmen und führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1996, Zl. 94/17/0300, mwN). Die Zurückziehung eines ursprünglich gestellten Antrages unter gleichzeitiger Stellung eines neuen Antrages entzieht der Entscheidung über den ursprünglich gestellten Antrag den Boden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, § 13 AVG, E 75 referierte hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall unterliegt es keinem Zweifel, dass die beschwerdeführende Partei jenen Antrag vom 29. März 1991, der nach Spruch und Begründung den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildet, mit ihrem Schreiben vom 13. Mai 1993 zurückgezogen und gleichzeitig ein anderes, im Umfang hinter dem ursprünglichen Vorhaben wesentlich zurückbleibendes Projekt mit dem Antrag auf dessen Bewilligung vorgelegt hatte. Damit war der Entscheidung über das ursprüngliche Ansuchen der Boden entzogen; die dennoch erlassene Abweisung des Antrages ist rechtswidrig wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde.

Unzutreffend sind in diesem Zusammenhang auch die Darlegungen der Gegenschrift. Diese legt dar, es sei wohl richtig, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides über den Antrag vom 29. März 1991 abgesprochen werde und "richtigerweise der Antrag vom 13. Mai 1993 hätte zitiert werden müssen"; rechtlich spiele dies jedoch keine Rolle, weil über das geänderte Projekt, Verfasser:

Baumeister K., Projekt GZ MA 31-93 30/90, in diesem Bescheid abgesprochen worden sei. Im naturschutzbehördlichen Verfahren habe eine Prüfung des geänderten Projektes "A.-Quelle Aufschließungsfassungen zur quantitativen und qualitativen Untersuchung", Projektverfasser: Baumeister K., Mai 1993, GZ: MA 31-93 30/90 stattgefunden. Im angefochtenen Bescheid sei nur dieses Projekt (siehe Seiten 16 ff) behandelt worden.

Diesen Darlegungen ist entgegenzuhalten, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides das "Ansuchen der Stadt Wien ... vom 29. März 1991" - und nicht etwa jenes vom 13. Mai 1993 - abgewiesen wird. Umschrieben wird das Projekt im Spruch des angefochtenen Bescheides mit den Worten "Fassung und Einspeisung der A.-Quelle". Auch damit bezog sich die belangte Behörde eindeutig auf das am 29. März 1991 eingereichte Projekt; denn Gegenstand des am 13. Mai 1993 vorgelegten Projektes war nicht die Einspeisung der A.-Quelle, sondern lediglich die Herstellung von Aufschließungsfassungen zur quantitativen und qualitativen Untersuchung des Quellwassers. Aus der Anführung des Planverfassers und der Geschäftszahl des Projektes im Spruch des angefochtenen Bescheides ist nichts für den Standpunkt der belangten Behörde zu gewinnen; denn beide Projekte stammen vom selben Verfasser und sind mit derselben Zahl (MA 31-93 30/90) bezeichnet. Die Darlegungen, dass im angefochtenen Bescheid (gemeint offenbar: in dessen Begründung) nur das Projekt vom 13. Mai 1993 behandelt werde (siehe Seiten 16 ff), sind nicht nachvollziehbar. Weder auf Seiten 16 ff noch sonst im angefochtenen Bescheid sind spezifisch auf das am 13. Mai 1993 vorgelegte Projekt bezogene Darlegungen zu erkennen; breiter Raum wird hingegen dem am 29. März 1991 vorgelegten Projekt und den darauf bezogenen Ermittlungsschritten eingeräumt. Zwar wird referiert, dass am 13. Mai 1993 "gegenständliches Projekt" zurückgezogen werde (Seite 12 des angefochtenen Bescheides); die gebotenen Konsequenzen aus diesem Verfahrensschritt der beschwerdeführenden Partei hat die belangte Behörde aber nicht gezogen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Wien, am 18. Oktober 1999

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