VwGH 98/21/0219

VwGH98/21/02195.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des VB in Arnfels, geboren am 1. Jänner 1964, vertreten durch Dr. Paul Friedl, Rechtsanwalt in 8552 Eibiswald 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 2. Oktober 1997, Zl. Fr 202/2-1997, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §54;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §54;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 15, 17 und 19 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß der Beschwerdeführer am 6. Dezember 1996 - in einem LKW versteckt - illegal über eine nicht näher bekannte Grenzkontrollstelle in das Bundesgebiet eingereist sei. Sein Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes/Außenstelle Graz abgewiesen worden, eine hiegegen erhobene Berufung habe der Bundesminister für Inneres als verspätet zurückgewiesen. Da der Beschwerdeführer über keinerlei Bewilligung nach dem Asyl-, Fremden- oder Aufenthaltsgesetz verfüge, halte er sich seit seiner Einreise unberechtigterweise im Bundesgebiet auf.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer mit seinem Bruder in einem gemeinsamen Haushalt wohnhaft sei, komme es durch die Ausweisung zu einem relevanten Eingriff in sein Familienleben. Die familiären Beziehungen zu seiner Schwester sowie zu weiteren in Österreich aufhältigen Familienangehörigen seien hingegen - mangels Hinzutretens weiterer Umstände - nicht vom Schutzbereich des § 19 FrG umfaßt. Im Hinblick auf den kurzfristigen, noch dazu unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet bewirke die Ausweisung auch keinen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers, woran der Umstand, daß er von seinem Bruder versorgt werde, nichts ändere.

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Dies habe zur Folge, daß ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden in Österreich, dem nie ein rechtmäßiger vorausgegangen sei, eine Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen von solchem Gewicht darstelle, daß das Dringendgebotensein der Ausweisung und damit die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Sinne des § 19 FrG trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Familienleben des Beschwerdeführers zu bejahen sei. Im Hinblick darauf wäre die Ausweisung selbst dann zulässig, wenn man einen relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte.

Den erst in der Berufung erhobenen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei hat die belangte Behörde an die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz weitergeleitet.

Gegen den oben wiedergegebenen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht dagegen, daß die belangte Behörde seinen Aufenthalt als unrechtmäßig qualifizierte und § 17 Abs. 1 FrG anwendete. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Der Beschwerdeführer hält die verfügte Ausweisung aber deswegen für verfehlt, weil es die belangte Behörde unterlassen habe, ein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchzuführen; es fehlten hinreichende Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich, zur Integration seiner Familie sowie zu den familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich überhaupt. Hätte die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Ausweisung nach den Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG nicht zulässig sei.

Diesem Vorwurf ist zunächst zu entgegnen, daß nach dem im Beschwerdefall maßgebenden § 17 Abs. 1 FrG zwar auf § 19 FrG, nicht jedoch auch auf § 20 leg. cit. Bedacht zu nehmen ist. Im übrigen übersieht die Beschwerde, daß es mit dem Aufzeigen vermeintlicher Verfahrensfehler nicht getan ist. Ergänzend wäre, um eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften herbeizuführen, die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzutun. In diese Richtung enthält die vorliegende Beschwerde jedoch keinerlei Ausführungen; ihr kann nicht entnommen werden, welche Feststellungen die belangte Behörde bei Durchführung eines "ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens" hätte treffen müssen sowie ob und inwiefern sich dadurch für den Beschwerdeführer - möglicherweise - eine günstigere Entscheidung ergeben hätte. Daß der Beschwerdeführer am 30. Oktober 1997 mit einer österreichischen Staatsbürgerin vor dem Standesamt Pitschgau die Ehe geschlossen habe - was im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung nach § 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG ergänzend zur Kenntnis gebracht wird -, ist im Hinblick auf das Datum der Erlassung des angefochtenen Bescheides

(7. Oktober 1997) jedenfalls unbeachtlich.

Im Ergebnis können damit unter dem Blickwinkel des § 19 FrG nur jene Umstände einer Betrachtung zugeführt werden, welche die belangte Behörde ohnehin schon bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Im einzelnen handelt es sich dabei um den inländischen Aufenthalt des Bruders und der Schwester des Beschwerdeführers; bezüglich des Bruders tritt hinzu, daß der Beschwerdeführer von diesem versorgt wird und mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt.

Wie die belangte Behörde richtig dargestellt hat, begründet die verfügte Ausweisung lediglich im Hinblick auf den Bruder des Beschwerdeführers einen maßgeblichen Eingriff in sein Familienleben; die familiären Beziehungen zur Schwester liegen dagegen mangels gemeinsamen Haushalts nicht im Schutzbereich des § 19 FrG (vgl. dazu zuletzt das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 95/21/0252). Es trifft aber auch zu, daß in der Ausweisung keine relevante Beeinträchtigung des Privatlebens des Beschwerdeführers erkannt werden kann, zumal er sich bei Bescheiderlassung erst zehn Monate - und das zur Gänze unrechtmäßig - im Inland aufgehalten hat und die Versorgung durch den Bruder grundsätzlich nicht an den inländischen Aufenthalt gebunden ist. Richtig ist schließlich, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. abermals das hg. Erkenntnis Zl. 95/21/0252). Angesichts dessen muß seitens des Beschwerdeführers der oben dargestellte Eingriff in sein Familienleben hingenommen werden; seine Ausweisung erweist sich im Hinblick auf das dargelegte öffentliche Interesse als dringend geboten und daher unter dem Gesichtspunkt des § 19 FrG als zulässig (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 97/21/0906).

Der Ausweisung des Beschwerdeführers steht entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht aber auch nicht im Weg, daß das Verfahren nach § 54 FrG (Verfahren zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei) noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurde; § 54 Abs. 4 FrG (gleichlautend § 75 Abs. 4 Fremdengesetz 1997) normiert lediglich, daß bis zur rechtskräftigen Entscheidung keine Abschiebung in den betreffenden Staat vorgenommen werden darf. Das Ausweisungsverfahren wird dagegen durch ein Verfahren nach § 54 FrG nicht berührt, zumal mit der Ausweisung nicht abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder allenfalls abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 97/21/0389).

Zusammenfassend läßt somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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