VwGH 98/15/0130

VwGH98/15/013010.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über den Antrag des JK in T, vertreten durch den Sachwalter Christine Meierl, diese vertreten durch Dr. Nikolaus Frank, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Hauptplatz 10, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur Zahl 98/15/0067 eingebrachten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird stattgegeben.

Begründung

Mit Berichterverfügung vom 25. Mai 1998, Zl. 98/15/0067-2, wurde die zur genannten Zahl eingebrachte Beschwerde dem Rechtsvertreter des Antragstellers gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Beibringung einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zurückgestellt. Zur Behebung dieses der Beschwerde anhaftenden Mangels wurde eine Frist von zwei Wochen bestimmt.

Innerhalb der gesetzten Frist langten beim Verwaltungsgerichtshof die zurückgestellten Beschwerdeausfertigungen, drei Fotokopien des Bescheides des Finanzamtes Liezen und eine Fotokopie der Berichterverfügung ein. Auf dieser war der Auftrag, eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen, unterstrichen und mit dem Zusatz versehen:

"Abschriftlich unter Beilage der Beschwerde in dreifacher Ausführung samt Halbschrift sowie drei Kopien des Bescheides retour."

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1998 wurde daraufhin dieses Beschwerdeverfahren eingestellt, weil der Beschwerdeführer zwar drei Fotokopien des Bescheides des Finanzamtes Liezen, nicht jedoch den angefochtenen Bescheid vorlegte. Dieser Beschluß wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 19. August 1998 zugestellt.

Mit dem am 24. August 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage des angefochtenen Bescheides. Darin führt der Antragsteller aus, durch einen Fehler der Kanzleikraft seien diese drei Kopien nicht mitübersandt worden. Offensichtlich sei beim Kuvertieren der eingeschriebenen Sendung durch einen Irrtum der angefochtene Bescheid in dreifacher Ausfertigung nicht beigelegt worden. Die Kanzleikraft, die die Post eingesackt habe, habe bisher äußerst zuverlässig gearbeitet und keinerlei Fehler begangen, welche zu einem Antrag auf Wiedereinsetzung geführt hätten. Der einschreitende Rechtsvertreter habe bei der Kontrolle in der Unterschriftsmappe gesehen, daß die Beilagen ordnungsgemäß vorliegen; er habe es lediglich unterlassen, die Kuvertierung der Post selbst zu kontrollieren.

Bei einem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Mängelbehebungsauftrag wird die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt, wenn diesem Auftrag innerhalb der Frist überhaupt nicht, sondern auch dann, wenn ihm nur unvollständig entsprochen wurde. Auch in diesen Fällen ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig; im vorliegenden Fall ist der Antrag auch begründet:

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen. Führt das Fehlverhalten anderer Personen, etwa das von Angestellten, zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob der Parteienvertreter selbst bzw. die Partei selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, daß er bzw. sie eine ihr auferlegte Sorgfaltspflicht außer acht gelassen hat (z.B. Auswahlverschulden, mangelnde Überwachungstätigkeit oder sonstiges Organisationsverschulden; vgl. etwa den hg. Beschluß vom 23. Juni 1998, Zl. 98/08/0084, m.w.N.). Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. auch hiezu den vorzitierten Beschluß).

Im vorliegenden Fall ist dem Rechtsvertreter des Antragstellers keine die Versäumung der Frist bewirkende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Der Rechtsanwalt ist dem Verbesserungsauftrag nachgekommen und hat die Übersendung der vorbereiteten Unterlagen einem verläßlichen Angestellten überlassen. Von diesem wurde der Auftrag nur teilweise und zwar weisungswidrig durchgeführt. Dieses Versehen ist dem Angestellten bei der Kuvertierung unterlaufen. Die Kontrolle, ob eine zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zumutbar. Das weisungswidrige Verhalten von Angestellten eines Rechtsanwaltes ist der Partei jedoch unter diesen Umständen nicht zuzurechnen.

Da dem Antragsteller und seinen bevollmächtigten Vertretern ein Verschulden an der Versäumung der Frist somit nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

Wien, am 10. September 1998

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