VwGH 98/11/0051

VwGH98/11/005119.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der E in B, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 14. Jänner 1998, Zl. Ib-277-175/97, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs3;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs1;
MRKZP 07te Art4;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §2 Abs1;
VwRallg;
AVG §69 Abs3;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs1;
MRKZP 07te Art4;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §2 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm eine Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 verfügt wird; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Erstbehörde - der Bezirkshauptmannschaft Bregenz - vom 17. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B für die Dauer von 7 Monaten (offenbar bis 12. Februar 1998) vorübergehend entzogen. Der Grund hiefür war, daß sie am 12. Juli 1997 ein Alkoholdelikt im Sinne des § 99 Abs. 1 StVO 1960 (Verweigerung der Atemluftprobe) begangen hat.

Durch eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kempten (Allgäu), BRD, vom 21. August 1997 brachte die Erstbehörde in Erfahrung, daß die Beschwerdeführerin am 28. April 1997 in der BRD ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Der Blutalkoholgehalt habe laut einer Blutprobe 2,38 %o betragen. Neben der Verhängung einer Geldstrafe wurde der Beschwerdeführerin die Fahrerlaubnis für die BRD für die Dauer von 10 Monaten (offenbar vom 22. Juli 1997 - dem Tag des Eintrittes der Rechtskraft des Strafbefehles des Amtsgerichtes Lindau vom 1. Juli 1997 an) entzogen.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 1997 nahm die Erstbehörde das mit Bescheid vom 17. Juli 1997 abgeschlossene Entziehungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf und verfügte eine Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 "auf unbestimmte Zeit"; gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 wurde eine Zeit von 16 Monaten bemessen, während der der Beschwerdeführerin keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf; gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 wurde eine Nachschulung angeordnet und gemäß § 64 Abs. 2 AVG einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung erging der angefochtene Bescheid, mit dem der Erstbescheid vom 13. Oktober 1997 dahin abgeändert wurde, daß die Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 vorübergehend sei und daß die Beschwerdeführerin gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert wird, "sich bis spätestens einen Monat vor Ablauf der Entzugszeit ärztlich untersuchen zu lassen und die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen".

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen die amtswegige Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 17. Juli 1997 abgeschlossenen Entziehungsverfahrens. Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, daß der deutsche Strafbefehl nicht zum Anlaß für eine amtswegige Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Entziehungsverfahrens hätte genommen werden dürfen.

Die Beschwerdeführerin ist mit diesem Standpunkt nicht im Recht. Der Erstbehörde ist nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides am 17. Juli 1997 bekanntgeworden, daß die Beschwerdeführerin vor dessen Erlassung in der BRD ein Alkoholdelikt begangen habe. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind damit im Recht, daß dieses Alkoholdelikt eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 darstellen kann und daß der Bescheid vom 17. Juli 1997 bei Kenntnis dieser strafbaren Handlung hätte anders lauten können. Daraus ergibt sich aber bereits die Zulässigkeit der amstwegigen Wiederaufnahme, da eine neuerliche Entziehung infolge Vorliegens eines vor der Erlassung des Bescheides vom 17. Juli 1997 verwirklichten Sachverhaltes nicht zulässig gewesen wäre. Bei einer Entziehung der Lenkerberechtigung hat die Behörde alle relevanten Umstände zu verwerten, die sich (seit der letzten Entziehung und) bis zur (neuerlichen) Entziehung ereignet haben.

2. Was die Berücksichtigung des nachträglich bekannt gewordenen, im Ausland begangenen Alkoholdeliktes im wiederaufgenommenen Entziehungsverfahren anlangt, verkennt die Beschwerdeführerin zunächst, daß die belangte Behörde von einer Bindung an den deutschen Strafbefehl nicht ausgegangen ist, sie hat diesen Verwaltungsakt vielmehr als Beweismittel gewürdigt und hat den darin wiedergegebenen Sachverhalt ihrerseits als erwiesen angenommen. Dagegen bestehen auch aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken. Die Beschwerdeführerin stellt selbst nicht in Abrede, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben. Wenn sie bemängelt, daß die belangte Behörde in Ansehung dieses Alkoholdeliktes keine eigenen Ermittlungen angestellt hat, verabsäumt sie es, die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels darzutun. Sie bringt weder vor, welche Ermittlungsschritte die belangte Behörde vorzunehmen gehabt hätte, noch welche Ergebnisse diese Ermittlungen erbracht hätten, um zu einem anders lautenden Bescheid zu kommen.

In Anbetracht der im Ausland durchgeführten Blutuntersuchung bringt sie nichts vor, das auf eine Unzulässigkeit der Blutabnahme, die ein Beweisverwertungsverbot nach sich zöge, hinzudeuten vermöchte. Die diesbezügliche Wendung im Beschwerdevorbringen ("Insbesondere ist es mehr als zweifelhaft...") ist mangels jeglicher Anführung konkreter, die Unzulässigkeit der Blutabnahme begründender Tatsachen nicht geeignet, beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken in dieser Richtung auszulösen.

Daß eine vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung für 16 Monate bei Vorliegen von 2 bestimmten Tatsachen in Gestalt von Alkoholdelikten sowie angesichts des Vorliegens einer einschlägigen Vorstrafe mit vorübergehender Entziehung für 5 Monate im Jahre 1996 (eine weitere vorübergehende Entziehung für 4 Wochen im Jahr 1992 fand im angefochtenen Bescheid keine Berücksichtigung) die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt, bedarf keiner näheren Begründung.

Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin handelt es sich bei der Berücksichtigung des im Ausland begangenen Alkoholdeliktes vom 28. April 1997 auch nicht um eine "Doppelbestrafung". Die Entziehung der Lenkerberechtigung ist in Österreich keine Strafe, sondern - im gegebenen Zusammenhang - eine administrative Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit.

3. Hingegen ist der Beschwerde Erfolg beschieden, soweit mit dem angefochtenen Bescheid eine Aufforderung nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen wurde. Eine solche Aufforderung ist nur in einem Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung zulässig. Das (wiederaufgenommene) Entziehungsverfahren war aber mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits beendet. Der in Rede stehende Ausspruch, der gleichzeitig mit dem Abschluß des Entziehungsverfahrens wirksam wurde, und zwar für die Zeit nach Abschluß des Entziehungsverfahrens, in der die Beschwerdeführerin gar keine Lenkerberechtigung mehr hat, findet im Gesetz keine Deckung. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die Fragen bedurfte, ob eine einmal festgestellte hohe Alkoholisierung beim Lenken eines Kraftfahrzeuges bereits zu begründeten Zweifeln an der gesundheitlichen (körperlichen und/oder geistigen) Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen berechtigt, sowie ob eine Aufforderung, "sich bis spätestens einen Monat vor Ablauf der Entzugszeit ärztlich untersuchen zu lassen und die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen", in zeitlicher und sachlicher Hinsicht hinreichend bestimmt ist.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 50, VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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