VwGH 98/01/0270

VwGH98/01/027023.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Günther Schmid, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Mai 1998, Zl. 202.994/0-III/09/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs4;
VwRallg;
AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Mai 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat in Erledigung der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. April 1998 den am 20. März 1998 gestellten Asylantrag des Beschwerdeführers, eines am 13. März 1998 in das Bundesgebiet eingereisten, aus dem Kosovo stammenden jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 - AsylG, als unzulässig zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe sich vor seiner Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten. Dieses Land habe am 14. März 1989 die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und am 5. November 1992 die EMRK ratifiziert und eine Erklärung nach Art. 25 EMRK abgegeben. Seit dem 1. März 1998 stehe das Gesetz Nr. CXXXIX/1997 in Geltung, wonach ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der GFK offenstehe. Asylwerber seien während dieses Verfahrens zum Aufenthalt berechtigt und vor Abschiebung in den Herkunftsstaat, falls sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht seien, geschützt.

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte werde angenommen, daß dieses Gesetz auch entsprechend vollzogen werde. Ungarn erfülle daher die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 des § 4 AsylG.

§ 4 Abs. 4 Z. 2 AsylG komme dem Beschwerdeführer nicht zugute, weil diese Bestimmung die Unbeachtlichkeit des Schutzes in einem sicheren Drittstaat nur für solche minderjährigen, unverheirateten Asylwerber vorsehe, deren Eltern in Österreich Asyl gewährt worden sei. Der Beschwerdeführer stütze sich jedoch nur darauf, daß sein Vater seit 1989 in Österreich tätig und zum Aufenthalt berechtigt sei.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde, daß die Voraussetzungen der Abs. 1, 2 und 3 des § 4 AsylG hinsichtlich des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Ungarn erfüllt seien, meint jedoch, daß der Schutz in einem sicheren Drittstaat gemäß § 4 Abs. 4 Z. 2 AsylG unbeachtlich sei, weil der Vater des Beschwerdeführers seit 1989 in Österreich zum Aufenthalt berechtigt und nunmehr im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung sei. Der Zweck der letztgenannten Bestimmung sei nämlich, all jenen Personen, welche enge Bindungen zu Österreich hätten, die Stellung eines Asylantrages in Österreich zu ermöglichen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 4 Abs. 4 AsylG hat

folgenden Wortlaut:

"(4) Schutz in einem sicheren Drittstaat ist unbeachtlich, wenn

  1. 1. die Asylwerber EWR-Bürger sind oder
  2. 2. den Eltern minderjähriger, unverheirateter Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde oder

    3. den Ehegatten oder minderjährigen Kindern der Asylwerber in Österreich Asyl gewährt wurde."

    Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 686 BlgNR, 20. GP, halten zu dieser Bestimmung fest:

    "Auf die Drittlandsicherheit soll nicht zurückgegriffen werden, wenn die Asylwerber (§ 1 Z. 3) Staatsangehörige eines EWR-Staates sind oder wenn Eltern minderjähriger, unverheirateter Kinder, Ehegatten oder minderjährigen Kindern in Österreich Asyl gewährt und zwischenzeitig nicht aberkannt wurde. Wenn Asylsuchende enge Bindungen zu Österreich haben, entspricht es humanitären Gesichtspunkten, wenn sie in Österreich um Asyl ansuchen. Von ähnlichen Erwägungen geht Art. 4 des Dubliner Übereinkommens aus. In diesem Sinn wird auch im Beschluß Nr. 15 (XXX) des EXCOM (Exekutiv-Komitee für das Programm des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen) unter anderem ausgeführt: 'Im Interesse der Familienzusammenführung und aus humanitären Gründen sollen die Staaten zumindest Ehegatten und minderjährigen oder abhängigen Kindern einer jeden Person, der bereits vorläufige Zuflucht oder dauerndes Asyl gewährt worden ist, die Aufnahme in ihr Land erleichtern.' ".

    Der im zweiten Satz dieser Erläuterungen, auf den sich die Beschwerde primär stützt, zum Ausdruck kommende Grundsatz, bei engen Bindungen zu Österreich aus humanitären Gründen die Asylantragstellung in Österreich zu gestatten, wurde nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur für die Fälle verwirklicht, in denen den Eltern eines minderjährigen unverheirateten Asylwerbers bzw. den mj. Kindern oder dem Ehegatten eines Asylwerbers in Österreich bereits Asyl gewährt wurde. Andere Fälle eines bestehenden Naheverhältnisses zu Österreich wurden hingegen nicht privilegiert. Anhaltspunkte dafür, daß es sich insoweit um eine planwidrige Unvollständigkeit, somit um eine zu füllende Rechtslücke, handelt, ergeben sich nicht, stellen doch die zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage in ihrem ersten Satz klar, daß es der Wille des Gesetzgebers war, nur minderjährige, unverheiratete Kinder, Ehegatten und Eltern von Personen, denen in Österreich Asyl gewährt und zwischenzeitig nicht aberkannt wurde, zu begünstigen.

    Es sei hinzugefügt, daß § 20 FrG für minderjährige, unverheiratete Fremde, deren Eltern auf Dauer im Bundesgebiet niedergelassen sind, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter erleichterten Voraussetzungen vorsieht.

    Gegen die Zurückweisung des Asylantrages wegen Drittstaatsicherheit gemäß § 4 Abs. 1 AsylG bestehen somit keine Bedenken.

    Da bereits der Bescheidinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

    Wien, am 23. September 1998

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