VwGH 97/11/0284

VwGH97/11/028421.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Juli 1997, Zl. VwSen-280290/4/GA/Ha, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Arbeitszeitgesetz (mitbeteiligte Partei: G in O), zu Recht erkannt:

Normen

AZG §12;
AZG §14;
AZG §16;
AZG §28 Abs1;
AZG §28 Abs1a idF 1994/446;
VStG §5 Abs1;
AZG §12;
AZG §14;
AZG §16;
AZG §28 Abs1;
AZG §28 Abs1a idF 1994/446;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 24. September 1996 wurde über den Mitbeteiligten wegen einer Übertretung nach § 28 Abs. 1a Z. 5 "bzw." 6 Arbeitszeitgesetz eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe am 16. Juli 1996 einen in seinem Betrieb beschäftigten namentlich genannten Lenker eingesetzt, wobei nach einer ununterbrochenen Lenkzeit von 4,5 Stunden die gesetzlich vorgeschriebene Lenkpause nicht eingehalten worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten statt und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein. In der Begründung dieses Bescheides führte sie aus, durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 446/1994 sei die bis dahin geltende Blankettstrafnorm des § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz, in der das "Zuwiderhandeln" gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unter Strafe gestellt worden sei, durch eine Vielzahl inhaltlich konkreter Einzelstraftatbestände ersetzt worden. Als verletzte Rechtsvorschrift sei im vorliegenden Fall - im Hinblick auf § 13 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz - allein § 28 Abs. 1a Z. 6 leg. cit. anzusehen. Danach seien Arbeitgeber zu bestrafen, die Lenkpausen gemäß Art. 7 Abs. 1, 2 oder 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 "nicht gewähren". Der Sinngehalt dieses Wortes drücke aus dem Blickwinkel des Tatbestandes ein zielgerichtetes Verhalten des Arbeitgebers aus, das im Nichtbewilligen, Nichtzugestehen, Nichtstattgeben, Nichterlauben der vom Fahrer einzuhaltenden Lenkpausen bestehe. Nur ein in diesen Ausprägungen auf das Versagen von Lenkpausen gerichtetes Verhalten sei im Sinne des Straftatbestandes gemäß § 28 Abs. 1a Z. 6 Arbeitszeitgesetz als Verwaltungsübertretung strafbar. Die ausdrückliche Wortwahl dieser Bestimmung indiziere ein Vorsatzdelikt, dessen schuldmäßige Verwirklichung wenigstens indirekten Vorsatz verlange. Eine Auslegung des § 28 Abs. 1a Z. 6 Arbeitszeitgesetz in dem Sinn, daß diese Übertretung auch fahrlässig begangen werden könne, würde in Wahrheit den Strafkatalog um ein neues Delikt erweitern. Ein zur Verjährungsunterbrechung tauglicher Tatvorwurf müsse dem Arbeitgeber einen Sachverhalt anlasten, der zur Erfüllung des wesentlichen Tatbestandsmerkmales "nicht gewähren" unmißverständlich geeignet sei. Diesen Anforderungen genüge das im erstinstanzlichen Straferkenntnis verwendete Wort "einsetzen" nicht, weil darin ein Vorwurf eines Versagungsverhaltens des Arbeitgebers nicht zu erkennen sei. Die Formulierung des Spruches lege die Deutung nahe, daß dem Beschwerdeführer Fahrlässigkeit wegen nicht wahrgenommener Kontrollpflichten angelastet werde. Dieses Ergebnis sei aber seit der zitierten Novelle nicht mehr rechtens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 gestützte Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1a Z. 6 Arbeitszeitgesetz (i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 446/1994) sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die Lenkpausen gemäß Art. 7 Abs. 1, 2 oder 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren, zu bestrafen.

Die belangte Behörde schließt aus der Verwendung der Worte "nicht gewähren", daß nur ein zielgerichtetes, vorsätzliches Handeln tatbestandsmäßig sein könne, hingegen bloß fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers - z.B. die Unterlassung von ausreichenden Kontrollen und Maßnahmen, die die Einhaltung der Vorschriften über die Lenkpausen gewährleisten würden - zur Erfüllung des Tatbestandes nicht ausreiche. Insofern unterscheide sich die Rechtslage von jener vor der genannten Novelle.

Der Auffassung der belangten Behörde kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Nach § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 446/1994 waren Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandelten, zu bestrafen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung in Verbindung mit den verschiedensten Übertretungsnormen des Arbeitszeitgesetzes die Auffassung vertreten, daß es sich um Ungehorsamsdelikte handle. Ein Zuwiderhandeln im Sinne des § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz erfordere kein tätiges Verhalten des Arbeitgebers, sondern könne auch in Unterlassungen bestehen, hinsichtlich welcher ihm bloß Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne (siehe dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 11. Oktober 1983, Slg. Nr. 11.177/A, vom 20. Juli 1992, Zl. 91/19/0201, und vom 30. Jänner 1996, Zlen. 93/11/0088 bis 0091, jeweils m.w.N.). In diesen drei beispielsweise zitierten Erkenntnissen ging es jeweils auch um Verstöße gegen § 12 Arbeitszeitgesetz. Nach dieser Bestimmung ist den Arbeitnehmern nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine näher umschriebene Mindestruhezeit "zu gewähren". Der Verwaltungsgerichtshof hat demnach für das "Zuwiderhandeln" gegen das Gebot "zu gewähren" kein zielgerichtetes, vorsätzliches Verhalten gefordert, sondern die Ansicht vertreten, daß dafür auch fahrlässiges Verhalten, das im Unterlassen entsprechender Kontrollen und Maßnahmen bestehen kann, ausreicht. Zwischen dem "Zuwiderhandeln" gegen ein Gebot, etwas "zu gewähren", und dem "Nichtgewähren" ist ein Unterschied in dem von der belangten Behörde erblickten Sinn aber nicht zu erkennen, sodaß kein Grund besteht, nunmehr die Auffassung zu vertreten, das "Nichtgewähren" könne nur durch ein zielgerichtetes, vorsätzliches Verhalten verwirklicht werden, dies umso weniger, als die Gesetzesmaterialien zu BGBl. Nr. 446/1994 nicht den geringsten Anhaltspunkt für eine derartige Absicht des Gesetzgebers bieten (siehe Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1596 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen XVIII. GP, 12 f).

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

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