Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte im Weg über die österreichische Botschaft in Budapest am 2. November 1994 (eingelangt bei der Aufenthaltsbehörde 1. Instanz am 21. November 1994) die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab sie "Besuch bei dem Ehemann" und als in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes den Verdienst ihres Ehegatten an. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 6. Dezember 1994 den Antrag gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie unter anderem vorbrachte, ihr Ehegatte und ihr Vater arbeiteten im Bundesgebiet und sie wolle sich ebenfalls hier eine Arbeit suchen. Der Bundesminister für Inneres behob mit Bescheid vom 5. Oktober 1995 den Bescheid der Aufenthaltsbehörde erster Instanz (wegen Änderung der Rechtslage) ersatzlos.
Der Landeshauptmann von Wien wies sodann mit Bescheid vom 19. Dezember 1995 den Antrag gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. März 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, der Antrag des Gatten der Beschwerdeführerin sei durch den Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen worden. Da der Antrag des Gatten der Beschwerdeführerin abgewiesen worden sei und somit jene Person, von der die Beschwerdeführerin wirtschaftlich abhängig sei, keine Aufenthaltsberechtigung habe, sei der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin nicht gesichert. Durch die Abweisung des Antrages des Gatten der Beschwerdeführerin sei auch der Beschwerdeführerin keine auf § 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 AufG begründete Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK die öffentlichen Interessen gegenüber einer eventuellen Familienzusammenführung überwögen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 Verwaltungsgerichtshof gebildeten Senat erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, daß der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 1995, mit dem der erstinstanzliche Bescheid vom 6. Dezember 1994 aufgehoben wurde - entgegen der Angabe im Bescheid selbst - nicht als Entscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG anzusehen ist, weil damit in der Sache keine endgültige meritorische Entscheidung getroffen wurde. Wenn darin auch keine ausdrückliche Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz ausgesprochen wurde, handelte es sich dem Wesen nach um eine Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1988, Zl. 87/08/0289); eine neuerliche Entscheidung über den Antrag war daher zulässig.
§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AufG lauteten auszugsweise:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
- 1. von österreichischen Staatsbürgern
- 2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund vorliegt.
§ 4. ...
(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
Die Beschwerdeführerin gab im Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Aufenthaltszweck an, ihren Ehemann besuchen zu wollen. In ihrer (ersten) Berufung vom 28. Dezember 1994 gab sie darüberhinaus an, sich auch in Wien eine Arbeit suchen zu wollen und machte somit (im damaligen Zeitpunkt vor Inkrafttreten der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, zulässigerweise) einen weiteren Aufenthaltszweck, nämlich den der unselbständigen Erwerbstätigkeit, geltend.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin mit ihrer Angabe "den Ehemann besuchen zu wollen", den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten geltend machte. Sie tritt der maßgeblichen Feststellung der belangten Behörde, der Antrag ihres Ehegatten auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen worden, nicht entgegen. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin war daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Damit war der Ehegatte der Beschwerdeführerin - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - kein Fremder, auf den die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG zutrafen. Der Beschwerdeführerin stand demnach auch kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung aus dem Grunde des § 3 Abs. 1 AufG zu. Eine Anwendung des § 4 Abs. 3 AufG kam daher - wie die belangte Behörde richtig erkannte - gar nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0710). Der Beschwerdeführerin konnte auch im Wege einer Ermessensentscheidung über ihren Erstantrag keine Bewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten erteilt werden, weil die erstmalige Erteilung einer Bewilligung zu diesem Zweck jedenfalls voraussetzt, daß sich der Angehörige, mit dem die Familienzusammenführung angestrebt wird, rechtmäßig im Inland befindet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0549).
Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aber in ihrer Berufung zulässigerweise ergänzt und als Aufenthaltszweck auch den der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit genannt. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Aufenthaltszweck nicht näher befaßt und es insbesondere verabsäumt, gegebenenfalls nach Klärung der Art der angestrebten Erwerbstätigkeit und der Qualifiktion der Beschwerdeführerin eine Anfrage gemäß § 5 Abs. 2 AufG an die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices zu richten. Im Falle der die arbeitsmarktpolitische Unbedenklichkeit der Aufnahme der angestrebten Beschäftigung voraussetzenden Erteilung der beantragten Bewilligung zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit wäre die Beschwerdeführerin nach dem zweiten Satz des § 5 Abs. 3 AufG zur Arbeitssuche unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarkservice berechtigt gewesen. Sie wäre dadurch in die Lage versetzt, ihren Lebensunterhalt aus den Einkünften einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 96/19/2032). Sie wäre diesfalls nicht auf den aus einer - aus der Sicht des AufG unzulässigen (vgl. § 1 Abs. 2 Z. 2 AufG) - Erwerbstätigkeit erfließenden Verdienst ihres Ehegatten angewiesen.
Da es die belangte Behörde unterließ, das Verfahren in die aufgezeigte Richtung zu ergänzen, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da nicht auszuschließen ist, daß sie nach Ergänzung ihres Verfahrens zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und 2 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff Verwaltungsgerichtshof in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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