Normen
BehindertenG Bgld 1966 §1;
BehindertenG Bgld 1966 §3 Abs2;
BehindertenG Bgld 1966 §8;
B-VG Art130 Abs2;
BehindertenG Bgld 1966 §1;
BehindertenG Bgld 1966 §3 Abs2;
BehindertenG Bgld 1966 §8;
B-VG Art130 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 6. Juli 1994 der Mutter der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zum - nicht im Akt erliegenden - Ansuchen um Übernahme der Kosten für den Besuch der Karl Schubert Schule in Graz mit und räumte die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Nach dem Inhalt dieses Schreibens sei die Beschwerdeführerin vor Schuleintritt von einer ausgebildeten Blindenlehrerin in ihrer Mobilität, der Raum- und Lage-Orientierung und durch Übungen zur Stärkung des Tastsinnes gefördert worden. Ab dem Schuljahr 1993 sei sie im Odilien-Institut Graz, einer spezifischen Blindeneinrichtung, mit dem Ziele einer blindengerechten Förderung aufgenommen worden. Am 10. Jänner 1994 sei eine eigenmächtige Überstellung in die Karl-Schubert-Schule in Graz vorgenommen worden. In dieser Schule sei keine ausgebildete Blindenlehrkraft vorhanden, sodaß die Kostentragung abgelehnt würde. Die blindenspezifische Beschulung würde auch durch den Besuch der Volksschule Stegersbach erfolgen können.
Die Mutter der Beschwerdeführerin teilte in einem Schreiben vom Oktober 1994 dazu mit, daß die Klassenlehrerin der Beschwerdeführerin in der Karl Schubert Schule mit einer Blindenlehrerin zusammenarbeite und ein blindenspezifischer Unterricht daher gegeben sei.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1996 ersuchte der Verein Karl-Schubert-Schule um Fortsetzung des Verfahrens und Übernahme der Tagsatzkosten für die minderjährige Beschwerdeführerin. Darin wurde geltend gemacht, daß die minderjährige Beschwerdeführerin - verursacht durch eine extreme Frühgeburt - erblindet sei. Laut Gutachten des Schularztes der Karl-Schubert-Schule in Graz werde der Besuch dieser Schule durch die Minderjährige als besonders sinnvoll erachtet, weil sich die Förderung der minderjährigen Beschwerdeführerin im künstlerisch musikalischen Bereich ganz besonders bewährt hätte. Bei der genannten Schule handle es sich um eine Schule für seelenpflegebedürftige Kinder, der Schulbesuch erfülle die Schulpflicht. Die Beschwerdeführerin habe zwar das Odilien-Institut, ein speziell auf Blinde eingerichtetes Institut, besucht. Sie habe sich aber dort nicht wohlgefühlt, dieser Umstand habe sich in einer Vielzahl von Fehlstunden dokumentiert. Im Hinblick auf die persönliche Konstellation der Minderjährigen sei die Förderung im künstlerisch musikalischen Bereich für sie notwendig und zweckmäßig. In der Karl-Schubert-Schule fühle sich die Beschwerdeführerin "geborgen und wohl", was zu einer erheblichen Reduzierung der Fehlstunden geführt habe. Die Klassenlehrerin der Beschwerdeführerin verfüge zwar über keine eigene Ausbildung für den Unterricht von Blinden, arbeite jedoch mit Fachleuten zusammen. Im übrigen sei der primäre Sinn des Schulbesuches anfänglich in der Grundförderung der Beschwerdeführerin gelegen. In der Folge werde die schulische Ausbildung und Begleitung durch die Beistellung eines Hilfslehrers als Blindenlehrer gewährleistet sein.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid. Dieser führt im Betreff "Piskernik Jaqueline, geb. 08.04.1986, wh. Markt Allhau 174; Hilfeleistung nach dem Bgld. Behindertengesetz; Abweisung" an und enthält folgenden Spruch:
"Das Ansuchen der Sabine Piskernik vom 14. Jänner 1994 um Gewährung einer Eingliederungshilfe für ihre Tochter Jaqueline, geb. 08.04.1986, in Form der Übernahme der Verpflegskosten für den Besuch der Karl Schubert Schule, Graz, ab 10.01.1994 wird gemäß § 8 des Bgld. Behindertengesetzes 1986, LGBl. Nr. 20, in der geltenden Fassung, abgewiesen."
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, laut Gutachten des psychologischen Dienstes bedürfe die Beschwerdeführerin als sehbehindertes Kind einer blindenspezifischen Grundförderung. Die zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung bedingten Mehrkosten lägen demnach ausschließlich im Bereich der Blindenförderung. Mit der Überstellung der Beschwerdeführerin in die Karl-Schubert-Schule am 10. Jänner 1994 sei dort für die notwendige blindenspezifische Förderung keine ausgebildete Blindenlehrkraft zur Verfügung gestanden. Die Möglichkeit einer Integration der Beschwerdeführerin im Sonderpädagogischen Zentrum Stegersbach sei sowohl in der Volksschule als auch in der allgemeinen Sonderschule gegeben, wobei jeweils eine ausgebildete Blindenlehrkraft zur Verfügung stehe. Die Beschwerdeführerin könne daher dort in die Lage versetzt werden, ohne finanziellen Mehraufwand eine der Behinderung angemessene Schulbildung zu erhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, wobei im Rubrum derselben als Beschwerdeführerin Sabine Piskernik, also die Mutter der minderjährigen Behinderten genannt wird. Nach den Beschwerdeausführungen wird die Übernahme der der Behinderung adäquaten Ausbildungskosten angestrebt. Die blindenspezifische Vorausbildung der minderjährigen Behinderten sei bereits in der Kindergartenzeit erfolgt, sodaß in den ersten Volksschuljahren eine Grundförderung im künstlerischen Bereich erfolgt sei. Gerade bei blinden Personen sei diese Grundförderung, weil sie die Empfindsamkeit der Sinne in feinfühliger Form fördere, von eminenter Bedeutung. Neben der Behandlung der blindenspezifischen Behinderung müsse naturgemäß eine Betreuung auf psychisch sozialem Gebiet im Vordergrund stehen, weil bereits alleine durch die vorliegende Erkrankung ein Ausschluß von den üblichen Lebensgewohnheiten gegeben sei. Dieser Ausschluß als Auswirkung der Erblindung werde durch die in der Karl-Schubert-Schule in den ersten Schuljahren gegebene Grundförderung auszugleichen versucht. In den ersten Jahren sei der konkrete Unterricht durch einen Blindenlehrer nicht erforderlich, in den Folgejahren sei ein Blindenlehrer für die minderjährige Behinderte tätig.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 1 des Burgenländischen Behindertengesetzes ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Behindertenhilfe zu leisten. § 3 Abs. 1 leg. cit. nennt die Arten der für einen Behinderten in Betracht kommenden Hilfeleistungen, darunter die in § 4 und § 5 näher geregelte Eingliederungshilfe. Wie sich aus dem klaren Wortlaut des § 1 leg. cit. ergibt, steht dem Behinderten ein Rechtsanspruch (arg.: "ist ... zu leisten") auf Behindertenhilfe zu, wobei freilich, wie aus § 3 Abs. 2 leg. cit. hervorgeht, der Behörde die Wahl zwischen mehreren Reaktionen freigestellt ist. Nur diesbezüglich steht der Behörde Ermessen, und zwar in Form des sogenannten Auswahlermessens (vgl. hiezu das zum Nö-SHG ergangene hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1985, Zl. 81/11/0114, m.w.N.) zu. Die Art der Hilfeleistung im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. ist im Beschwerdefall aber nicht strittig. Nach § 8 leg. cit. kann Hilfe zur Schulbildung und Erziehung als Eingliederungshilfe gewährt werden. Demnach umfaßt die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung und Erziehung die Übernahme der durch die Behinderung bedingten Mehrkosten für alle jene Maßnahmen, die notwendig sind, um den Behinderten in die Lage zu versetzen, eine der Behinderung angemessene Schulbildung und Erziehung zu erlangen.
Aufgrund dieser Rechtslage steht ein subjektives Recht auf Gewährung der Hilfeleistung nach dem burgenländischen Behindertengesetz nur dem Behinderten selbst zu, im vorliegenden Fall also der minderjährigen Jaqueline Piskernik. Dieses Gesetz enthält keine Bestimmung, die einer dritten Person einen Anspruch auf Gewährung von Hilfeleistungen für einen Behinderten oder auch nur ein diesbezügliches Antragsrecht einräumt. Im vorliegenden Fall geht die belangte Behörde von einem Ansuchen der Sabine Piskernik (welches allerdings nicht im Akt erliegt), somit offensichtlich von einer Antragstellung der minderjährigen Behinderten, vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin (§ 9 AVG i.V.m. § 154 Abs. 1 ABGB) aus. Spruchgemäß wurde das Ansuchen der Sabine Pistkernik "für ihre Tochter Jaqueline Piskernik" abgewiesen. Aus der Beschwerde ergibt sich, daß die Verletzung der Ansprüche der minderjährigen Behinderten nach dem burgenländischen Behindertengesetz gerügt wird. Die Beschwerde ist daher - ungeachtet des Fehlens eines diesbezüglichen Hinweises im Rubrum - der mj. Behinderten, vertreten durch ihre Mutter, zuzurechnen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt. Die Beschwerdeführerin hat wie oben dargestellt im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, daß sie aufgrund ihrer Behinderung nicht nur einer blindenspezifischen Ausbildung, sondern auch einer Grundförderung im künstlerisch musikalischen Bereich bedürfe. Hiezu wurden das genannte fachärztliche Gutachten des Schularztes der Karl-Schubert-Schule in Graz sowie Berichte des Vereins Karl-Schubert-Schule in Graz vom 25. September 1995 vorgelegt. Die belangte Behörde hat sich in der Begründung ihres Bescheides mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Dies zu Unrecht. Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung und der Erziehung umfassen nach § 8 des burgenländischen Behindertengesetzes die Übernahme der durch die Behinderung bedingten Mehrkosten für all jene Maßnahmen, die notwendig sind, um den Behinderten in die Lage zu versetzen, eine der Behinderung angemessene Schulbildung und Erziehung zu erlangen. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren bedarf sie aufgrund ihrer Blindheit nicht nur einer blindenspezifischen Behandlung, sondern auch einer psychosozialen Grundförderung, um überhaupt einer blindenspezifischen Ausbildung zugeführt werden zu können. Ausgehend von diesen Verfahrensbehauptungen hätte die belangte Behörde klären müssen, ob die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Erblindung auch einer psychosozialen Grundförderung bedarf, um überhaupt einer blindenspezifischen Ausbildung und einer ihrer Behinderung angemessenen Schulbildung zugeführt werden zu können. Hätte sich die Durchführung einer solchen Maßnahme als notwendig erwiesen, so wäre weiters zu prüfen gewesen, ob das Sonderpädagogische Zentrum Stegersbach in der Lage war, die Beschwerdeführerin in die Lage zu versetzen, eine ihrer Behinderung angemessene Schulbildung und Erziehung zu erlangen. Sollte dieses Zentrum aber dazu nicht in der Lage gewesen sein, wäre zu prüfen gewesen, ob in dem von der Beschwerdeführerin gewählten oder in einem von der Behörde im Rahmen ihres Auswahlermessens zu bestimmenden Institut diese Ziele erreicht werden können. Da die belangte Behörde trotz des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren solche Feststellungen nicht getroffen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben ist.
Da ein Kostenbegehren nicht gestellt wurde, entfällt ein Ausspruch über den Aufwandersatz.
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