VwGH 95/14/0017

VwGH95/14/00179.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat I, vom 9. November 1994, 184 - 3/94, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1990 und 1991 (mitbeteiligte Partei: J L in S), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §12 Abs4;
EStG 1988 §30 Abs3 Z2;
EStG 1988 §37 Abs5;
EStG 1988 §12 Abs4;
EStG 1988 §30 Abs3 Z2;
EStG 1988 §37 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte erklärte aus der von ihm betriebenen Forstwirtschaft in den Streitjahren Einkünfte von rund 1,1 Mio S und rund 1,2 Mio S und beantragte, diese Einkünfte nach § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 zu besteuern, wobei er zur Begründung ausführte, er sei von der Forstinspektion zur Beseitigung des durch Windwürfe entstandenen Schadholzes bescheidmäßig aufgefordert worden, um so einen Schädlings- bzw Borkenkäferbefall hintanzuhalten. Der Mitbeteiligte legte sowohl zwei Bescheide der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (Bezirksforstinspektorat) aus dem Jahr 1990, in denen er unter Hinweis auf §§ 44, 45 und 170 Abs 1 ForstG 1975 aufgefordert wurde, das Schadholz (Windwürfe von rund 6.000 fm) zu fällen und zu entrinden bzw in geeigneter Weise bekämpfungstechnisch zu behandeln, als auch Amtsbescheinigungen, in denen der Anfall und die Aufarbeitung des Schadholzes in den Jahren 1990 und 1991 im Gesamtausmaß von rund 5.500 fm bestätigt wurden, vor.

Das Finanzamt verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996, besteuerte jedoch die vom Mitbeteiligten erklärten Einkünfte nach § 37 Abs 3 leg cit. Im Berufungsverfahren brachte der Mitbeteiligte - soweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Relevanz - vor, mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft sei insofern in seine Rechtssphäre eingegriffen worden, als er verpflichtet worden sei, das Schadholz aufzuarbeiten und zu entfernen, somit aus dem Betriebsvermögen auszuscheiden, weswegen die erklärten Einkünfte nach § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 zu besteuern seien.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Mitbeteiligten ua vor, nach den forstrechtlichen Bestimmungen sei jeder Forstbesitzer verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung Sorge zu tragen. Schadholz auf Grund von Windwürfen sei umgehend aufzuarbeiten, um Schäden für gesunde Waldbestände hintanzuhalten. Die von der Bezirkshauptmannschaft erlassenen Bescheide, in denen die aus den forstrechtlichen Bestimmungen ableitbare Aufarbeitungsverpflichtung für das Schadholz bloß festgehalten worden sei, könnten nicht als behördlicher Eingriff iSd § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 angesehen werden.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vertrat der Mitbeteiligte die Ansicht, erst mit den von der Bezirkshauptmannschaft erlassenen Bescheiden sei er verpflichtet gewesen, das Schadholz aufzuarbeiten und zu entfernen.

In der mündlichen Verhandlung hielt der Vorsitzende des Berufungssenates dem Mitbeteiligten vor, der behördliche Eingriff iSd § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 sei keineswegs mit der Schlägerung des Holzes im kausalen Zusammenhang gestanden. Vielmehr seien die Windwürfe für die Schlägerung kausal gewesen. Dem stimmte der Mitbeteiligte zu, meinte jedoch, er habe auf Grund der von der Bezirkshauptmannschaft erlassenen Bescheide das Schadholz entfernen müssen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung statt, wobei sie zur Begründung im wesentlichen ausführte, die bescheidmäßigen Aufforderungen der Bezirkshauptmannschaft, das Schadholz zu fällen und zu entrinden bzw in geeigneter Weise bekämpfungstechnisch zu behandeln, stellten einen behördlichen Eingriff iSd § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 dar.

Gegen diesen Bescheid erhob der Präsident der Finanzlandesdirektion für Kärnten Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der beschwerdeführende Präsident vertritt - wie bereits das Finanzamt -im wesentlichen die Meinung, mit den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft sei der Mitbeteiligte zur Fällung, Entrindung und bekämpfungstechnischen Behandlung des Schadholzes verpflichtet worden, weil er trotz der bereits zitierten Bestimmungen des ForstG 1975 von sich aus keine derartigen Maßnahmen gesetzt habe. Nach § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 müßten Wirtschaftsgüter durch behördlichen Eingriff aus dem Betriebsvermögen ausscheiden, somit zwangsweise die Verfügungsmacht entzogen werden. Dies sei jedoch beim Mitbeteiligten nicht der Fall gewesen. Vielmehr sei der Mitbeteiligte bloß verpflichtet worden, das Schadholz zu bearbeiten. Die Verfügungsmacht über das Schadholz sei dem Mitbeteiligten nicht entzogen worden. Das Schadholz sei somit erst durch die Veräußerung seitens des Mitbeteiligten, nicht jedoch auf Grund der Bescheide der Bezirkshauptmannschaft aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden, weswegen die erklärten Einkünfte nicht nach § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 zu besteuern seien. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Scheiden Wirtschaftsgüter durch behördlichen Eingriff oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffs aus dem Betriebsvermögen aus, so ermäßigt sich nach § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 der Steuersatz für dabei aufgedeckte stille Reserven auf ein Viertel des Durchschnittssteuersatzes.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Oktober 1995, 94/15/0009, ausgeführt hat, ist unter einem behördlichen Eingriff nicht jede behördliche Einwirkung auf ein Geschehen zu verstehen, sondern nur eine solche, mit der die öffentliche Hand Eigentumsrechte zu ihren Gunsten in einer Weise beeinträchtigt, daß - ohne Übertragung des Eigentums - das Eigentumsrecht an einer Sache mit enteignungsähnlicher Wirkung beschränkt wird. Als behördlicher Eingriff iSd § 37 Abs 5 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 201/1996 kommt daher nur eine Enteignung oder eine Beschränkung von Eigentumsrechten mit enteignungsähnlicher Wirkung in Betracht. Im Beschwerdefall wurden weder Eigentumsrechte zu Gunsten der öffentlichen Hand verschoben, noch Eigentumsrechte an einer Sache mit enteignungsähnlicher Wirkung zu Gunsten der öffentlichen Hand beschränkt. Der Mitbeteiligte hat lediglich bescheidmäßige Aufforderungen erhalten, das Schadholz zu fällen und zu entrinden bzw in geeigneter Weise bekämpfungstechnisch zu behandeln. In diesen bescheidmäßigen Aufforderungen ist kein behördlicher Eingriff, mit dem Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind, zu erblicken, weil der Mitbeteiligte weiterhin die Verfügungsmacht über das Schadholz gehabt hat. Das Schadholz ist - wie der beschwerdeführende Präsident zu Recht ausführt - erst mit der Veräußerung seitens des Mitbeteiligten aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich als inhaltlich rechtswidrig und war somit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Es erübrigte sich daher, auf die

behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.

Wien, am 9. September 1998

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