VwGH 97/18/0387

VwGH97/18/03874.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der F in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. Mai 1997, Zl. St 68-1/97, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 22. Mai 1997 wurde gemäß § 54 und § 37 Abs. 1 und Abs. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 436/1996, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe bestünden, daß die Beschwerdeführerin in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder § 37 Abs. 2 FrG bedroht sei.

Die Beschwerdeführerin habe während des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in ihr Heimatland Türkei gemäß § 54 Abs. 1 FrG gestellt. Der Asylantrag der Beschwerdeführerin sei vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 4. November 1996 rechtskräftig abgewiesen worden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege es dem Fremden, der eine Feststellung nach § 54 FrG begehre, zumindest glaubhaft zu machen, daß ihm aktuell, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfaßten Staat, konkret die in § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten. Die Behörde habe nicht von sich aus Ermittlungen darüber anzustellen, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin im Sinn des § 37 leg. cit. bedroht sein könnte, sondern es sei vielmehr Aufgabe der Beschwerdeführerin, konkrete Umstände (stichhaltige Gründe) für eine derartige Schlußfolgerung darzutun (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0212, 0206). Die nicht näher konkretisierte Behauptung, bei einer Rückkehr in den Heimatstaat mit einer unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe (bzw. mit allgmeiner Verfolgung) rechnen zu müssen, sei hier zu wenig (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0442). Auch aus bloßen Vermutungen (mögen sie auch auf andere Personen betreffende Vorfälle Bezug nehmen), könne keine "Gefährdung/Bedrohung" im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder des § 37 Abs. 2 FrG abgeleitet werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0496). Der Beschwerdeführerin gelinge eine solche Glaubhaftmachung weder durch allgemein gehaltene Hinweise auf die Brisanz der derzeitigen politischen Situation (bzw. der Situation ihrer Volksgruppe) in ihrem Heimatstaat noch durch den Verweis auf Berichte verschiedener, wenn auch namhafter und kompetenter Organisationen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0269).

Der Bundesminister für Inneres habe weiters mit Bescheid vom 4. November 1996 den Asylantrag der Beschwerdeführerin rechtskräftig abgewiesen; damit sei auch rechtskräftig festgestellt, daß der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und sie in ihrem Heimatland vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sicher sei. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG; es könne daher davon ausgegangen werden, daß diese Verfolgungsgründe nicht vorlägen, da die Beschwerdeführerin im darauffolgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe, und was die Fluchtgründe anlange, auf ihr Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. dieses wiederholt habe. Der Behörde sei es aufgrund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. September 1993, Zl. 93/18/0214). Im Hinblick darauf, daß im Asylverfahren die Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zu prüfen sei und § 37 Abs. 2 FrG auf die Bedrohung von Leben und Freiheit des Fremden aus denselben Gründen abstelle, sei die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens nicht unzulässig, ja vielmehr naheliegend (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0538).

Zu den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründen sei auszuführen, daß diese im wesentlichen bloße Vermutungen darstellten und als solche nicht als stichhaltige Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu werten seien.

Selbst anläßlich ihrer dreitägigen "Inhaftnahme" im Jahr 1996 in Istanbul sei die Beschwerdeführerin "lediglich befragt worden", "bezüglich Mißhandlungen" habe sie im Verwaltungsverfahren selbst nichts vorgebracht. Auch über den Haftgrund habe die Beschwerdeführerin keine Angaben gemacht.

Die Angaben der Beschwerdeführerin betreffend die Aufnahmeprüfung für die Universität in Istanbul stellten ebenso reine Vermutungen dar, zumal die Beschwerdeführerin selbst keine konkreten und nachprüfbaren Unterlagen diesbezüglich vorgelegt habe.

Der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, daß sie Kurdin und Alevitin sei, sei zu allgemein, um schon aus dieser Tatsache allgemein eine Gefährdung/Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder des § 37 Abs. 2 FrG annehmen zu können. Dies umso weniger, als die Beschwerdeführerin mit dem Flugzeug legal aus ihrem Heimatstaat "(Istanbul-Wien/Schwechat)" ausgereist sei und sich bei der Ausreise zwangsläufig der Persons- und Sicherheitskontrolle habe stellen müssen. Daß sie "dabei Probleme gehabt" hätte, sei von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden.

Aus den Angaben der Beschwerdeführerin ergäben sich keine stichhaltigen Hinweise dafür, daß sie bei ihrer Rückkehr in ihren Heimatstaat neuerlich verhaftet (dies hätte auch schon bei ihrer Ausreise via Flughafen in Istanbul geschehen können, was jedoch nicht der Fall gewesen sei) bzw. von der Polizei mißhandelt würde, weshalb der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen gewesen sei. Von der Aufnahme weiterer Beweise sei insofern Abstand genommen worden, als der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.

Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/18/0180, mwH).

3. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren zu einer für sie "positiven Erledigung des § 54 FrG-Verfahrens" hätte führen müssen. Dies ergebe sich aus "der Kombination folgender Umstände: "katastrophale allgemeine Menschenrechtssituation" gepaart mit der auch notorisch bekannten Tatsache, daß Aleviten aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit besonderen Verfolgungshandlungen ausgesetzt seien, sowie weiters, daß die Beschwerdeführerin selbst bereits drei Tage in Haft gewesen sei, "man" nach ihr in der Türkei suche und ihr als "erster Schritt" der Zugang zum höheren Bildungswesen verweigert werde.

Die Beschwerdeführerin führt dazu näher aus, daß sie "türkische Staatsangehörige, alevitischer Religionszugehörigkeit und kurdischer Nationalität", sei. Sie habe im Verwaltungsverfahren "glaublich die allgemeine Verfolgung" der Kurden und Aleviten in ihrem Heimatstaat dargestellt. Weiters habe die Beschwerdeführerin "unwiderlegbar angegeben", daß sie im Jahr 1996 für drei Tage in Istanbul von der Polizei in einem Gefängnis angehalten und über ihre "Personalien und Ansichten" verhört worden, und daß sie "trotz hervorragender Leistungen bei der Aufnahmeprüfung für die Universität in Istanbul" dort aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit nicht aufgenommen worden sei. Ferner habe ihr, als sie schon in Österreich gewesen sei, ihre Mutter mitgeteilt, daß die Polizei bereits nach der Beschwerdeführerin "gefragt" habe. Schließlich sei nicht auszuschließen, daß die Polizei in ihrem Heimatstaat nach der Beschwerdeführerin fahnde, weil sich ihr Bruder in den Jahren 1995 und 1996 politisch betätigt und für seine Partei "Plakate (ge)klebt" habe.

4. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

4.1. Der bloße Hinweis auf die Lage der Menschenrechte und die Zugehörigkeit zu einer behauptetermaßen aus religiösen Gründen verfolgten Personengruppe reicht nicht aus, eine die Beschwerdeführerin individuell betreffende aktuelle Verfolgungssituation darzutun (vgl. in diesem Sinne das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 97/18/0180).

4.2. Was die behauptete dreitägige Haft im Jahr 1996 betrifft, so läßt die Beschwerdeführerin die Feststellungen der belangten Behörde unbestritten, daß sie im Verwaltungsverfahren bezüglich des Haftgrundes keine Angaben gemacht habe, während der Haft "lediglich befragt" worden sei und auch nicht vorgebracht habe, daß sie im Zusammenhang mit dieser Haft mißhandelt worden sei. Wenn die Behörde auf dem Boden dieser Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf die genannte Haft eine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht glaubhaft gemacht hätte, kann ihr nicht entgegengetreten werden, bringt doch die Beschwerdeführerin keine konkreten Umstände vor, aus denen sich die Befürchtung rechtfertigen ließe, die Polizei werde sie in der Türkei anläßlich der Durchführung von Erhebungen unmenschlich behandeln oder töten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0685).

4.3. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe im Verwaltungsverfahren "unwiderlegbar" angegeben, sie sei wegen ihrer Religionszugehörigkeit an der Universität Istanbul - trotz hervorragender Leistungen bei der Aufnahmeprüfung - nicht aufgenommen worden, ist entgegenzuhalten, daß der Ausschluß von einem Studium keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darstellen kann.

Aus der Vermutung, daß die Polizei in der Türkei nach der Beschwerdeführerin fahnde bzw. daß der Grund hiefür darin liegen könnte, daß sich der Bruder der Beschwerdeführerin "politisch betätigt" habe, kann - wie die belangte Behörde zutreffend festgehalten hat - ebenso keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0496).

4.4. Vor dem Hintergrund des Gesagten macht die Beschwerde auch mit einer "Kombination" - gemeint ist offenbar eine Zusammenschau - der von ihr ins Treffen geführten Umstände eine Gefährdung bzw. Bedrohung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht glaubhaft.

5. Unter Zugrundelegung der bisherigen Ausführungen ist der - unter dem Titel Verletzung von Verfahrensvorschriften - erhobenen Rüge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte von ihr nicht nur eine Bescheinigung im Sinn einer Gefährdung bzw. Bedrohung nach § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG, sondern darüber hinaus den Beweis dieser Umstände verlangt, der Boden entzogen.

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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