VwGH 97/05/0253

VwGH97/05/02532.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der Anna Riesenberger und 2. des Karlheinz Riesenberger, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Christiane Pirker, Rechtsanwalt in Wien I, Salztorgasse 1, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Oktober 1996, Zl. MA 64 - EE 21/21/94, betreffend Enteignung gemäß § 39 Abs. 1 Bauordnung für Wien (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, vertreten durch den Bürgermeister),

Normen

BauO Wr §38 Abs1;
BauO Wr §39 Abs1;
StGG Art5;
BauO Wr §38 Abs1;
BauO Wr §39 Abs1;
StGG Art5;

 

Spruch:

1. beschlossen:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides betreffend die Festsetzung der Entschädigung richtet, zurückgewiesen; und

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde auf Antrag der Mitbeteiligten die im vorgelegten Teilungsplan des Dipl Ing. M.E. vom 20. Juni 1994, der zum Bestandteil des Bescheides erklärt wurde, als provisorisches Grundstück rot 401/37 bezeichnete 1015 m2 große Teilfläche des Grundstückes Nr. 401/2, inneliegend in EZ 2388 des Grundbuches der KG Großjedlerdorf I, hinsichtlich der näher angeführten Miteigentumsanteile u.a. der Beschwerdeführer zugunsten der Mitbeteiligten für den mit Beschluß des Gemeinderatsausschusses für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehr vom 3. Juni 1992 zusätzlich genehmigten straßenmäßigen Ausbau der Aufschließungsstraßen im Bereich Wien 21., Brünner Straße - Ocwirkgasse - Gerasdorfer Straße bis Marchfeldkanal, enteignet. Gemäß § 45 Abs. 1 BO sei innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab Zustellung des Enteignungsbescheides mit der Durchführung des Straßenbauvorhabens, zu dessen Zweck enteignet worden sei, zu beginnen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde u.a. den Beschwerdeführern eine Entschädigung zugesprochen.

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist im wesentlichen damit begründet, daß gemäß § 39 Abs. 1 Bauordnung für Wien Grundflächen, die gemäß dem Bebauungsplan in Verkehrsflächen fallen, auf Antrag der Gemeinde enteignet werden könnten, sobald die Ausführung der Verkehrsfläche grundsätzlich beschlossen worden sei. Laut Plandokument Nr. 6275 k, genehmigt mit Beschluß des Gemeinderates vom 15. April 1994, liege die von der Mitbeteiligten beanspruchte Grundfläche zur Gänze auf einer als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeten Grundfläche. Der Gemeinderatsausschuß für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehr, habe am 3. Juni 1992 den straßenmäßigen Ausbau dieser Verkehrsfläche beschlossen. Das angeführte Plandokument sei zufolge der Verordnung des Stadtsenates über Flächenwidmungs- und Bebauungspläne/21. Bezirk, Amtsblatt der Stadt Wien vom 20. Juni 1996, Nr. 25, gemäß Art. II Abs. 1 des Gesetzes, LGBl. Nr. 10/1996, als weiter geltend festgestellt worden. Gemäß § 38 Abs. 2 Bauordnung für Wien sei eine Enteignung nur dann zulässig, wenn der Enteignungsgegner die Einräumung der angestrebten Rechte ablehne oder dafür ein offenbar übermäßiges Entgelt fordere oder wenn er nicht in der Lage sei, die Ausübung der angestrebten Rechte zu gewährleisten. Die Nichtäußerung zu einem gestellten Anbot innerhalb angemessener, einen Monat nicht unterschreitender Frist gelte als Ablehnung. Mit den Beschwerdeführern habe im Verhandlungswege keine Einigung über den Ankauf des Enteignungsobjektes erzielt werden können. Die Mitbeteiligte habe daher die Enteignung der im Spruchpunkt I. näher bezeichneten Grundfläche u.a. in bezug auf diese beantragt. Die Miteigentumsrechte der Beschwerdeführer an der von der Enteignung betroffenen Liegenschaft seien durch eine Grundbuchsabschrift des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 29. Juli 1994 nachgewiesen.

Die Beschwerdeführer wendeten ein, daß nur eine Enteignung aller Liegenschaftsmiteigentümer in Frage komme, weil gemäß § 828 ABGB einzelne Miteigentümer nur über ihre ideellen Anteile, nicht aber über reale Liegenschaftsanteile verfügungsberechtigt seien. Vereinbarungen zwischen den Miteigentümern und Dritten hinsichtlich einzelner Teile der im Miteigentum befindlichen Liegenschaft seien nur zulässig, wenn diese von der gesamten Miteigentümerschaft beschlossen würden. Selbst wenn man aber eine Vereinbarung mit den übrigen Miteigentümern als zulässig erachte, wären diese anderen Miteigentümer als Dritte im Sinne des § 22 Abs. 2 Eisenbahnenteignungsgesetzes zu betrachten und wäre dieses Übereinkommen mangels Zustimmung der Beschwerdeführer als Enteignungsgegner ebenfalls unzulässig.

Dem hielt die belangte Behörde entgegen, daß sowohl die Beschwerdeführer als auch die anderen Miteigentümer, die als Vertragspartner der mitbeteiligten Partei im Wort seien, an der gegenständlichen Liegenschaft lediglich ideelle Miteigentumsanteile hielten. Der Hinweis auf § 828 ABGB gehe ins Leere, da das verfahrensgegenständliche Enteignungsverfahren nur hinsichtlich der Anteile derjenigen Miteigentümer, die bisher keiner Vereinbarung mit der Stadt Wien zugestimmt hätten, eingeleitet worden sei und keineswegs davon gesprochen werden könne, daß über fremde Anteile verfügt worden sei. Durch die vorliegende Enteignung sei lediglich für jene Miteigentumsanteile ein Titel zum Eigentumsübergang geschaffen worden, für die ein solcher noch nicht bestehe. § 22 Abs. 2 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 sei schon deshalb nicht anzuwenden, weil § 44 Abs. 5 Bauordnung für Wien selbst eine entsprechende Regelung über die Entscheidung betreffend die Entschädigung treffe.

Die Behandlung der zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1997, B 4959/96-6, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und mit weiterem Beschluß vom 10. September 1997, B 4959/96-8, wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG im Hinblick auf einen nachträglichen Antrag der Beschwerdeführer zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. In der in der Folge ergänzten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

II.

1. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wendet, ist sie nicht zulässig:

Die Beschwerde ist, soweit sie sich auf die in Spruchpunkt II. vorgesehene Entschädigung bezieht (einschließlich der Ausführungen zu einer bei dieser Entschädigungsfestsetzung nicht berücksichtigten Benützungsregelung), gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, da gemäß § 44 Abs. 6 WBO jede Partei des Enteignungsverfahrens binnen drei Monaten ab Zustellung des Enteignungsbescheides die Entscheidung der ordentlichen Gerichte über die Höhe der Entschädigung begehren kann. Mit dem Einlangen des Antrages bei Gericht tritt die Entscheidung der Landesregierung über die Entschädigung außer Kraft. Die Entscheidung über die Entschädigung der belangten Behörde stellt somit keine letztinstanzliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung dar.

2. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 39 Abs. 1 Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 i. d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 18/1976 (im folgenden: WBO), können Grundflächen, die gemäß dem Bebauungsplan in Verkehrsflächen fallen, auf Antrag der Gemeinde enteignet werden, sobald die Ausführung der Verkehrsfläche grundsätzlich beschlossen worden ist. Gemäß § 38 Abs. 1 WBO können durch Enteignung das Eigentumsrecht oder andere, bereits bestehende dingliche Rechte an fremden Grundflächen erworben, dingliche oder sonstige Rechte an fremden Grundflächen begründet und dingliche Rechte an eigenen Grundflächen aufgehoben werden. Die Enteignung darf nur gegen Entschädigung (§§ 57 bis 59) durchgeführt werden und muß sich auf den jeweils geringsten, noch zum Ziel führenden Eingriff in fremde Rechte beschränken. Über die Zulässigkeit der Enteignung und über die Höhe der Entschädigung entscheidet gemäß § 44 Abs. 5 WBO die Landesregierung.

Die Beschwerdeführer machen in bezug auf Spruchpunkt I. geltend, daß eine Vereinbarung mit einzelnen Miteigentümern betreffend "reale Liegenschaftsteile" nicht zulässig sei, sondern eine solche nur mit der Gesamtheit der Miteigentümergemeinschaft getroffen werden dürfe. Eine solche Vereinbarung liege nicht vor. Gemäß § 828 ABGB hätten Miteigentümer zwar das Recht, mit der gemeinschaftlichen Sache nach Belieben zu schalten, dies sei aber eingeschränkt dadurch, daß alle Miteigentümer damit einverstanden seien. Ein solches Einverständnis liege im vorliegenden Fall nicht vor. Die einzelnen Miteigentümer könnten daher nur über ihre ideellen Miteigentumsanteile frei entscheiden, könnten jedoch keine Vereinbarung über reale Liegenschaftsteile schließen, weshalb die belangte Behörde keine Enteignung in der vorgenommenen Art und Weise vornehmen könne. Die belangte Behörde hätte die gesamte Miteigentümergemeinschaft hinsichtlich der für den Straßenbau erforderlichen realen Liegenschaftsteile enteignen müssen. Eine nur teilweise Enteignung einzelner Miteigentümer sei rechtswidrig.

Mit dieser Rüge sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Im hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1965, Slg. Nr. 6785/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß eine Enteignung von Eigentumsanteilen einer Liegenschaft dann zulässig ist, wenn der Enteigner hiedurch Alleineigentümer der Liegenschaft wird, deren er zur Erreichung des Enteignungszweckes bedarf. Über die ideellen Anteile konnten die anderen Miteigentümer auch nach Auffassung der Beschwerdeführer verfügen. Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid seien mit den anderen Miteigentümern Vereinbarungen über deren ideelle Miteigentumsanteile geschlossen worden. Dies wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten, sie sind vielmehr der Auffassung, die Vereinbarungen hätten unzulässigerweise reale Liegenschaftsanteile betroffen. Die verfahrensgegenständliche Enteignung jener Miteigentümer, mit denen über den Erwerb ihrer ideellen Liegenschaftsanteile von der Mitbeteiligten keine Einigung erzielt werden konnte, diente daher im Sinne des angeführten hg. Erkenntnisses dazu, daß die antragstellende Mitbeteiligte Alleineigentümerin der Liegenschaft wurde, deren sie zur Erreichung des Enteignungszweckes bedurfte. Diese Enteignung erweist sich somit als rechtmäßig.

Da sohin der Inhalt der Beschwerde betreffend Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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