VwGH 96/20/0900

VwGH96/20/090027.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. August 1996, Zl. 4.349.600/1-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FrG 1993 §37;
AsylG 1991 §1 Z1;
FrG 1993 §37;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und am 11. April 1996 in das Bundesgebiet eingereist. Am 12. April 1996 beantragte er, daß Österreich ihm Asyl gewähre.

Das Bundesasylamt wies diesen Asylantrag mit Bescheid vom 20. Mai 1996 ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. August 1996 wurde (in dem allein bekämpften Spruchpunkt 1) die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Nach dem Inhalt der Beschwerde und der vorgelegten Bescheidausfertigung hat der Beschwerdeführer seinen Asylantrag damit begründet, daß er im Irak wegen Wehrdienstentziehung zum Tode verurteilt worden sei. Er sei aufgrund einer Operation seines rechen Armes vorläufig für den Militärdienst für untauglich befunden und vorübergehend freigestellt worden. Er hätte sich neuerlich einer Kommission zur Überprüfung seiner Tauglichkeit für den Militärdienst stellen müssen, was er jedoch aus Furcht, für wehrdienstfähig erklärt zu werden, vermieden habe. Er sei deshalb im Irak als Deserteur angesehen worden. Er habe bereits in den Jahren 1992, 1993 und am 31. Mai 1994 Versuche unternommen, den Irak illegal zu verlassen. Diese Versuche seien gescheitert. Dabei sei er im Jahr 1993 von den irakischen Behörden entdeckt worden. Man habe jedoch keine rechtlichen Schritte gegen ihn eingeleitet. Nach einem weiteren gescheiterten Versuch im Jahre 1994 sei er von den türkischen Behörden an die kurdischen Behörden in Zacho zurückgestellt worden, worauf er wieder in seinen Heimatort Shwerish gereist und dort bis zum 4. April 1996 - seiner schließlich geglückten Flucht - verblieben sei.

Diesen - dem Bescheid zugrundegelegten - Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde dahingehend, daß die drohende, wenn auch strenge Strafe für Wehrdienstentziehung nicht als asylrelevant zu werten sei; vielmehr sei Wehrdienstverweigerung auch "in klassisch demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern" mit Strafe bedroht. Aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht im Irak komme es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung vom Militärdienst oder seiner Verweigerung habe somit nicht den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen persönlichen Merkmalen (Rasse, Religion, politische Überzeugung und dgl.) zu treffen. Dem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer wegen eines in der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. in § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Grundes im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen zu erwarten hätte.

Im übrigen habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, daß er nach seiner Aufgreifung anläßlich seiner versuchten illegalen Grenzübertritte keine rechtlichen Konsequenzen habe erdulden müssen. Der Beschwerdeführer sei freiwillig aus dem Nordirak wieder in das von den irakischen Behörden kontrollierte Gebiet zurückgekehrt. Auch daraus ergebe sich, daß er keine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung haben mußte. Weiters sei festzustellen, daß der Beschwerdeführer bereits im Nordirak vor (bloß fiktiv) angenommener Verfolgung sicher gewesen wäre. Im März 1991 sei von den Alliierten des Golfkrieges nördlich des 36. Breitengrades eine Sicherheitszone eingerichtet worden. Dieses Gebiet werde von den Kurden autonom verwaltet und es sei dort die Gefahr einer individuellen Verfolgung durch irakische Behörden ausgeschlossen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, dem Beschwerdeführer sei mangels Flüchtlingseigenschaft kein Asyl zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt weder die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung und die Behandlung während des Militärdienstes sei infolge einer der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe für den Beschwerdeführer ungünstiger erfolgt bzw. die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion würde aus diesen Gründen im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen ungünstiger erfolgen (vgl. hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Daß die Einberufung oder die dem Beschwerdeführer drohende Bestrafung auch einen asylrechtlich relevanten Aspekt hätte, hat der Beschwerdeführer nach Inhalt des Bescheides weder im Verwaltungsverfahren behauptet noch macht er derartige Umstände in der vorliegenden Beschwerde geltend. Vielmehr tritt er der Annahme der belangten Behörde, seine Einberufung zum Wehrdienst sei nicht aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgt und die ihm drohende Strafe wegen Wehrdienstentziehung stünde nicht im Zusammenhang mit derartigen Gründen, mit keinem Wort entgegen. In der Beschwerde wird lediglich auf die vom Beschwerdeführer angegebene Todesstrafe sowie eine unmenschliche Vollzugspraxis von Strafen gegenüber Deserteuren im Irak verwiesen. Selbst die Bedrohung mit der Todesstrafe begründet aber keinen Anspruch auf Asylgewährung, wenn - wie im Beschwerdefall - kein Zusammenhang mit Konventionsgründen besteht. Im Falle einer Bedrohung mit der Todesstrafe (oder mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe) kommt bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen das Ab- bzw. Zurückschiebungsverbot des § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, in Betracht.

Damit bedarf es aber keines weiteren Eingehens auf die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der von der belangten Behörde überdies als Abweisungsgrund herangezogenen innerstaatlichen Fluchtalternative im Nordirak und die diese Annahme bekämpfenden Beschwerdeausführungen.

Da die Beschwerde bereits erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

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