VwGH 96/16/0143

VwGH96/16/014318.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde des H A in K, vertreten durch Mag. Oliver Lorber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, St. Veiter Straße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 14. Mai 1996, Zl. 3-1/A 25/1/1996/H, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs1;
BAO §20;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs1;
BAO §20;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Für den Beschwerdeführer als Warenempfänger waren in den Jahren 1986 und 1987 über Antrag des Verfügungsberechtigten (der Internationalen Spedition Transport GmbH in Wals) beim Zollamt Walserberg Autobahn drei unfallbeschädigte Personenkraftwagen zum freien Verkehr durch Verzollung abgefertigt worden, wobei der Bemessung der Eingangsabgaben jene Preise zugrundegelegt wurden, die in den zur Verzollung vorgelegten Kaufverträgen bzw. Rechnungen aufgeschienen waren. Daraufhin wurden dem Verfügungsberechtigten Eingangsabgaben in der Höhe von insgesamt S 63.598,-- vorgeschrieben.

Im Zuge von Ermittlungen des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde I. Instanz wurde in der Folge aber festgestellt, daß tatsächlich mit den ausländischen Verkäufern der Fahrzeuge höhere Preise vereinbart worden waren, als in den Urkunden ausgewiesen war. Im Finanzstrafverfahren wurden daraufhin auf Grund von Zeugenaussagen und eingeholten Sachverständigengutachten betreffend die drei Fahrzeuge Zollwerte bzw. Erwerbspreise von S 154.770,--, 83.305,50 und 119.510,-- ermittelt, wobei sich die Finanzstrafbehörde hinsichtlich des ersten Fahrzeuges auf eine Rechnung der Verkäuferfirma stützen konnte, hinsichtlich der beiden anderen Fahrzeuge auf Schätzungen.

Die Zollbehörde erster Instanz brachte diese Ergebnisse des Finanzstrafverfahrens dem Beschwerdeführer mit Vorhalt vom 13. Juli 1995 zur Kenntnis und forderte ihn zur Stellungnahme auf. Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Daraufhin forderte das Hauptzollamt Linz vom Beschwerdeführer im Grunde des § 174 Abs. 3 lit. c iVm Abs. 4 ZollG 1988 mit Bescheid vom 7. September 1995 ausgehend von den genannten Werten unerhoben gebliebene Eingangsabgaben in der Gesamthöhe von S 82.210,-- samt Säumniszuschlag von S 1.644,-- an.

Dagegen berief der Beschwerdeführer (soweit dies für den Beschwerdefall noch von Interesse ist) mit der Begründung, er habe keine Kaufverträge unterschrieben und die Schätzungsgutachten seien zweifelhaft.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat zur Frage der Wertermittlung unter Betonung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer den Vorhalt vom 13. Juli 1997 unbeantwortet gelassen hatte, die Meinung, daß insoweit keine Unterlagen über die Kaufgeschäfte vorgelegen seien, die Werte im Schätzungsweg zu ermitteln gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen subjektiven Rechten nur insofern verletzt, "als die belangte Behörde entgegen § 20 BAO von ihrem Ermessen nicht in den Grenzen Gebrauch machte, die das Gesetz dem Ermessen zieht und gemäß § 39 AVG ihre Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit verletzte."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger hg. Judikatur ist die gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG erforderliche Bezeichnung des Beschwerdepunktes nicht Selbstzweck, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt von Relevanz, daß der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt ist, sondern nur ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 30. Juni 1994, Zl. 94/15/0078 u.v.a.). Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 27. September 1995, Zl. 95/16/0220 u.v.a.).

Da sich der Beschwerdeführer im Kern seiner Beschwerdeausführungen nur gegen die vorgenommene Ermittlung der Werte im Wege der Schätzung wendet und sich diesbezüglich in seinem subjektiven Recht auf gesetzmäßige Ermessensübung verletzt erachtet, ist zunächst zu prüfen, ob eine nur für einen Pkw gemäß § 2 Abs. 4 und § 8 WertZollG iVm § 184 BAO vorgenommene Schätzung überhaupt als Akt der Ermessensübung anzusehen ist.

§ 20 BAO bestimmt:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

Nach herrschender Auffassung ist Ermessen jene Selbstbestimmung, die ein Rechtssatz dem Verhalten der Behörde in der Phase der Rechtskonkretisierung (Rechtsanwendung) erkennbar einräumt (Stoll, BAO-Komm I 202). Das Ermessen betrifft somit die Bestimmung der Rechtsfolgen durch die Behörde (Stoll, a.a.O.) und bedeutet einen Entscheidungsspielraum, sohin die Möglichkeit der Behörde, zwischen zwei oder mehreren rechtlich gleichwertigen Lösungen zu wählen (vgl. Ritz BAO-Komm Rz 1 zu § 20 BAO unter Berufung auf Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht2, 235). Unter Ermessen versteht man einen Spielraum in der Rechtsanwendung und nicht einen Spielraum in der Wahrheitsfindung. Ermessen hat mit der durch den Grundsatz der freien Beweiswürdigung geprägten Wahrheitsfindung nichts gemein (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch2 Rz 817 und 818), weil die Beweiswürdigung keine Gesetzesanwendung iS der Nachvollziehbarkeit gesetzlich normierter Schritte ist (Stoll a. a.O. II 1778). Die Schätzung ist vielmehr ein Akt tatsächlicher Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen (Stoll a.a.O. II 1906) und ihrem Wesen nach ein Beweisverfahren, in dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise ermittelt wird (Ritz a. a.O. Z. 1 zu § 184 BAO). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß der Schätzungsvorgang eine Art der Feststellung tatsächlicher Gegebenheiten und Verhältnisse ist (vgl. dazu das bei Stoll a.a.O. II 1912 referierte hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1971, Zl. 2215/70) und daß Schätzen keine Ermessensübung darstellt (siehe die bei Stoll a.a.O. II 1913 referierten hg. Erkenntnisse vom 15. Juli 1986, Zl. 83/14/0203, 0209 und vom 11. Dezember 1987, Zl. 86/17/0101; zuletzt z.B. 25. Juni 1997, 97/15/0058). Insbesondere besteht im Rahmen der Schätzung weder betreffend die Wahrnehmung des Grundes der Schätzung noch bezüglich des Ergebnisses der Schätzung noch hinsichtlich der Festlegung von Rechtsfolgen ein vom Gesetz bewußt eingeräumter Spielraum (vgl. das bei Stoll a. a.O. II 1913 refierte hg. Erkenntnis vom 23. April 1965, Zl. 1911/64).

Daraus folgt aber, daß der Beschwerdeführer im Wege der von ihm in der Beschwerde allein bekämpften Schätzung in jenem subjektiven öffentlichen Recht, in dem er verletzt zu sein behauptet, gar nicht verletzt werden konnte.

Da abgesehen davon kein abstraktes subjektives Recht auf Erforschung der materiellen Wahrheit besteht, die belangte Behörde überdies § 39 AVG gar nicht anzuwenden hatte und weil schließlich der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen den Vorhalt vom 13. Juli 1995 unbeantwortet ließ (wodurch er trotz gewährten Parteiengehörs seine Mitwirkungspflicht verletzte; vgl. dazu die bei Ritz a.a.O. Rz 19 zu § 184 BAO referierte hg. Judikatur), hat er es sich selbst zuzuschreiben, daß allenfalls jene "Wahrheit", die ihm jetzt im Rahmen der sämtlich als unzulässige Neuerungen einzustufenden Beschwerdeargumente vorschwebt, im Verwaltungsverfahren nicht ermittelt wurde.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Mit Rücksicht auf die durch die oben angeführte hg. Judikatur und das herrschende Schrifttum klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

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