VwGH 96/18/0257

VwGH96/18/025719.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über den Antrag des B in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Februar 1996, Zl. SD 1453/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Begründung

I.

1. Mit hg. Verfügung vom 15. März 1996 (dem Antragsteller z.H. seines Vertreters zugestellt am 1. April 1996) wurde dem Antragsteller aufgetragen, eine weitere (dritte) Ausfertigung der Beschwerde (für den Bundesminister für Inneres) beizubringen.

Innerhalb der ihm eingeräumten Frist legte der Antragsteller zwar eine weitere Ausfertigung der Beschwerde vor, die allerdings nicht - auch nicht in Kopie - unterfertigt war. Da er solcherart dem an ihn ergangenen Auftrag, entsprechend dem in § 24 Abs. 1 VwGG normierten Gebot, "gleichlautende Ausfertigungen" des Beschwerdeschriftsatzes beizubringen, nicht nachkam, wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt (Beschluß vom 30. April 1996, Zl. 96/18/0109).

2. Mit dem vorliegenden - rechtzeitig eingebrachten - Schriftsatz vom 31. Mai 1996 begehrt der Antragsteller unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung (Vorlage dreier gleichlautender - unterfertigter - Beschwerdeausfertigungen) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist.

Zur Fristversäumung sei es - laut Wiedereinsetzungsantrag (einschließlich der eidesstättigen Erklärungen) - zufolge eines Versehens der Sekretärin des Vertreters des Antragstellers gekommen. Dem Vertreter sei der Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes samt Handakt vorgelegt worden. Weil nur ein kurzer Schriftsatz ("Wiedervorlage nach Verbesserung") einzubringen gewesen sei, sei dieser vom Vertreter unverzüglich diktiert worden. Nach Schreiben des Diktates habe die Sekretärin des Vertreters den Schriftsatz dem Vertreter vorgelegt, der darauf seine Unterschrift gesetzt habe. Sodann habe er mit seiner Sekretärin genau die dem Gerichtshof vorzulegenden Beilagen besprochen (die auch auf der Rubrik der "Wiedervorlage" verzeichnet gewesen seien). U.a. habe der Vertreter seine Sekretärin angewiesen, von der vom Verwaltungsgerichtshof zurückgestellten Beschwerde eine weitere Kopie anzufertigen und mit den sonstigen Beilagen der "Wiedervorlage" anzuschließen.

Wenn nun im Einstellungsbeschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1996 festgestellt werde, daß die dritte Ausfertigung keine Anwaltsunterschrift aufgewiesen hätte, so liege die einzig mögliche Erklärung darin, daß die Sekretärin anstelle der vom Gerichtshof zurückgestellten Beschwerde die im Handakt verbliebene Beschwerdeausfertigung kopiert habe.

Zu den ständigen Aufgaben der einzigen Sekretärin (und damit gleichzeitig auch Kanzleileiterin) des Vertreters zähle u. a. die Abfertigung von Schriftsätzen. Letztere wiesen häufig eine Vielzahl von Beilagen auf. Bei der jeweiligen Kontrolle dieser Abfertigungen habe sich der Vertreter des Antragstellers davon überzeugen können, daß die vor Abfertigung vorbereiteten und beigelegten Urkunden genau den Notwendigkeiten und Anweisungen entsprochen hätten. Die Sekretärin habe immer wieder auch rückgefragt, wenn ihr etwas unklar gewesen sei. Aus allen diesen Gründen habe sich der Vertreter darauf verlassen dürfen, daß der vergleichsweise ganz einfache Auftrag, eine weitere Ausfertigung der "Original-Bescheidbeschwerde" zu kopieren, ordnungsgemäß erledigt werde.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1995, Zlen. 94/18/1077, 95/18/0472, mwN).

2. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Es macht vielmehr deutlich, daß gerade das, was die dem Vertreter des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert hätte, nicht geschehen ist, nämlich die Kontrolle der Kanzleikraft dahin, ob sie dem Auftrag entsprochen hat. Da sich die von der Sekretärin vorzunehmende Tätigkeit nicht bloß auf den technischen Vorgang des Abfertigens von Schriftstücken beschränkte, hätte sie auch einer verläßlichen Kanzleikraft nicht ohne nähere Beaufsichtigung überlassen werden dürfen (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771, ferner den bereits zitierten Beschluß Zlen. 94/18/1077, 95/18/0472).

3. Das Außerachtlassen der im vorliegenden Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Vertreters des Antragstellers zu werten, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag der Erfolg zu versagen war.

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