VwGH 96/18/0167

VwGH96/18/016730.4.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. September 1995, Zl. SD 1150/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. September 1995 wurde gemäß § 54 Fremdengesetz-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in Nigeria gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der im Jahr 1994 wegen Suchtgifthandels in bezug auf eine "Übermenge" zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilte Beschwerdeführer sei am 21. April 1995 zu beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen niederschriftlich vernommen worden. Hiebei habe er angegeben, in seiner Heimat weder strafrechtlich noch sonst verfolgt zu werden, und weiters, daß aufgrund seiner langen Abwesenheit die Möglichkeit bestünde, mit politischen Problemen konfrontiert zu werden, zumal er einer Stammesgruppe angehöre, die von organisierten fanatischen Gruppen verfolgt werde. In seinen als Antrag gemäß § 54 FrG gewerteten schriftlichen "Zusatzangaben zur Befragung" habe er angegeben, daß er im Jahr 1993 nach Nigeria gefahren und dort in eine Auseinandersetzung zwischen seinem Stamm (röm.-katholisch) und der Moslemgruppe geraten sei. Es habe Tote und Verletzte gegeben und über die Beteiligten sei die Todesstrafe verhängt worden. Er werde von der nigerianischen Polizei gesucht. Seine "Kollegen", die die Polizei "erwischt" habe, seien schon erschossen worden. Seither sei er in Nigeria ein Todeskandidat. Um Asyl habe er nicht angesucht, da er ohnedies "hier" gelebt habe. Auf den schriftlichen Hinweis der Erstbehörde, daß die Angaben nicht ausreichten, habe der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme, die er durch seinen seit 12. Mai 1995 ausgewiesenen Vertreter eingebracht habe, noch weniger Angaben gemacht und nur kurz ausgeführt, daß er im Jahr 1993 auf Urlaub gewesen und in eine Auseinandersetzung zwischen seinem Stamm, welcher der katholischen Religion angehöre, und einem moslemischen Stamm geraten sei, wobei es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben habe und daß seit diesem Zeitpunkt sein Leben in Nigeria bedroht sei. Er habe die nigerianische Staatsbürgerschaft schon zurückgelegt, weil er geglaubt habe, daß ihm die österreichische schon zugesichert sei und sei demnach staatenlos.

Es möge, auch wenn der Beschwerdeführer dies durch nichts belegt habe, richtig sein, daß er im Jahr 1993 - zu welchem Zweck immer - in seiner Heimat in Nigeria gewesen sei. Es sei aber durch nichts belegt oder belegbar, daß eine solche Auseinandersetzung zur Zeit der Anwesenheit des Beschwerdeführers stattgefunden habe - der Beschwerdeführer habe ja nicht einmal angegeben, wann er genau in Nigeria gewesen sei -, ob die beschriebene Auseinandersetzung tatsächlich die angeführten Folgen gehabt habe und ob der Beschwerdeführer überhaupt in (die) Auseinandersetzungen verwickelt gewesen sei. Er habe diesbezüglich auch keinerlei konkrete Angaben gemacht, sodaß auch nicht überprüft werden könne, wegen welcher konkreter Handlungen er von den Behörden verfolgt werden könnte und ob diese tatsächlich von ihm und seinen Handlungen Kenntnis erlangt hätten. Diese Angaben entzögen sich jeglicher Überprüfbarkeit und könnten daher schon aus diesem Grunde nicht als stichhaltig angesehen werden. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung kurze Zeit vor der Einbringung des Schriftsatzes keinerlei Angaben über seine Anwesenheit in Nigeria gemacht habe. Es müsse daher, wenn diese Reise stattgefunden habe, davon ausgegangen werden, daß sie beim Beschwerdeführer nicht das Gefühl, aus einem während der dortigen Anwesenheit resultierenden Anlaß verfolgt zu werden, hinterlassen habe. Dagegen spreche im besonderen Maß, daß er selbst zu Protokoll gegeben habe, daß es aufgrund seiner langen Abwesenheit möglich sei, wegen der Stammesauseinandersetzungen mit politischen Problemen konfrontiert zu werden. Das Vorbringen in der Berufung, er sei bei der Einvernahme nervös gewesen und habe die Belehrung (hinsichtlich § 54 FrG) nicht verstanden, sei eine offensichtliche Schutzbehauptung und die belangte Behörde habe nicht den Eindruck gewonnen, daß der Beschwerdeführer dadurch gehindert gewesen sei, konkrete Ausführungen zu machen.

Zusammenfassend müsse betont werden, daß sämtliche Angaben des Beschwerdeführers keine stichhaltigen Gründe dafür darstellten, daß er in Nigeria einer Verfolgung durch staatliche Behörden oder mit deren Billigung aus in der Konvention genannten Gründen ausgesetzt sei oder daß stichhaltige Gründe die Annahme rechtfertigten, daß er bei einer Verfolgung Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt zu werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0443, mwN).

3.1. In der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer zur Stützung seines Standpunktes sein im Verwaltungsverfahren erstattetes (in der Begründung des bekämpften Bescheides wiedergegebenes; siehe oben I.1.) Vorbringen und vertritt dazu die Meinung, daß dies "sehr wohl konkrete Angaben (sind)", die "hinreichende und stichhaltige Gründe für die Annahme gewährleisten, daß eben eine Bedrohung im Sinne des § 37 FrG vorliegt". Es liege in der Natur der Sache, daß die Beibringung von Beweismitteln aus Nigeria nahezu unmöglich sei. Gerade der Umstand aber, daß bereits bei einem relativ kurzen Aufenthalt in Nigeria derart gravierende Ereignisse stattgefunden hätten, wie sie der Beschwerdeführer geschildert habe, rechtfertigten umso mehr die Annahme, daß eine Bedrohung i.S. des § 37 FrG vorliege.

3.2. Demgegenüber wies die belangte Behörde zu Recht darauf hin, daß der Beschwerdeführer nicht einmal belegt habe, daß er im Jahr 1993 überhaupt in Nigeria gewesen sei, geschweige denn angegeben habe, wann dies genau gewesen sein solle, sodaß schon deshalb nicht überprüft werden könne, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Auseinandersetzung stattgefunden und ob sie die beschriebenen Folgen gehabt habe, schließlich, ob der Beschwerdeführer in die Auseinandersetzung verwickelt gewesen sei und die Behörden hievon Kenntnis erlangt hätten. Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet der belangten Behörde bei, daß die ganz allgemein gehaltenen und vor allem in bezug auf seine Person, da durch nichts bescheinigt, einer Überprüfung entzogenen Angaben des Beschwerdeführers über eine Auseinandersetzung zwischen (in religiöser Hinsicht) verfeindeten Stämmen keineswegs geeignet sind, eine i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG relevante Gefährdung und/oder Bedrohung glaubhaft zu machen. Dazu kommt noch, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 21. April 1995, im Rahmen deren er die ersten Angaben zur Sache machte, nach den unwidersprochenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zu Protokoll gab, in seiner Heimat weder strafrechtlich noch sonst verfolgt zu werden und daß es - aufgrund seiner langen Abwesenheit aus Nigeria - möglich sei, mit "politischen Problemen konfrontiert zu werden", wohingegen er keinerlei Angaben über seinen - in der Folge in den Mittelpunkt seiner Argumentation gerückten - Aufenthalt in Nigeria im Jahr 1993 machte. Daß dieses Verhalten des Beschwerdeführers der Behörde gegenüber nicht für seine Glaubwürdigkeit spricht, wurde im bekämpften Bescheid zutreffend zum Ausdruck gebracht.

4. Da nach dem Gesagten die von der belangten Behörde im Instanzenzug getroffene Feststellung, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in Nigeria i.S. des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG, auf keine Bedenken stößt, sohin die behauptete Rechtsverletzung - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt - nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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