VwGH 96/11/0197

VwGH96/11/01971.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Juni 1996, Zl. MA 65-8/336/96, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs3 idF 1995/162;
KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs3 idF 1995/162;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 3 KFG 1967 vorübergehend für die Dauer von zwei Wochen (ab Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. April 1996) entzogen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 10. Dezember 1995 in Wien die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 44 km/h überschritten hatte. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei mittels eines Radargerätes festgestellt worden; der Beschwerdeführer sei wegen dieser Tat bereits rechtskräftig bestraft worden. Wegen der damit gegebenen Bindungswirkung erübrige sich ein Eingehen auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Schuldfrage. Die Dauer der Entziehungsmaßnahme sei durch das Gesetz vorgegeben. Was den Hinweis des Beschwerdeführers auf das äußerst geringe Verkehrsaufkommen und die optimalen Sichtverhältnisse zur Tatzeit anlange, seien diese Umstände ohnedies berücksichtigt worden, da die Behörde nicht angenommen habe, daß der Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit erfolgt sei.

Der Beschwerdeführer läßt die Feststellungen der belangten Behörde unbekämpft, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei mittels Radargerätes festgestellt und der Beschwerdeführer sei deswegen bereits bestraft worden. Er wendet sich auch nicht gegen das festgestellte Ausmaß der Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit (um 44 km/h). Bekämpft wird das Fehlen einer Wertung der Tat im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967. Auch im Falle einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit.i KFG 1967 bedürfe es der Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden, was eine Wertung der Tat nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 erfordere.

Das Beschwerdevorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des

angefochtenen Bescheides auf:

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 (idF der 18. Kraftfahrgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 162/1995) gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn jemand im Ortsgebiet die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten hat oder außerhalb des Ortsgebietes die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 km/h überschritten hat und die Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt worden ist.

Nach § 73 Abs. 3 dritter Satz KFG 1967 in der genannten Fassung ist bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i, sofern die Übertretung nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, die im Abs. 2 angeführte Zeit mit zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer solchen Übertretung mit sechs Wochen festzusetzen; eine Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 66 Abs. 2 lit. i darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung im Verfahren bei der ersten Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist.

Diese Regelung wurde ohne vorangegangenes Begutachtungsverfahren aufgrund eines Initiativantrages vom Nationalrat beschlossen (siehe den Bericht des Verkehrsausschusses, 93 BlgNR 19. GP). Im zugrundeliegenden Initiativantrag (122/A) wurde die vorgeschlagene Regelung wie folgt begründet:

"... Neben der Alkoholproblematik ist überhöhte Fahrgeschwindigkeit eine der Hauptunfallursachen in Österreich. Drastische Geschwindigkeitsüberschreitungen gehören zu den gefährlichsten und folgenschwersten Verkehrsdelikten, sowohl im Ortsgebiet als auch im Freiland.

Ein auch nur kurzfristiger Entzug der Lenkerberechtigung als Folge eines solchen besonders gefährlichen Deliktes gehört erfahrungsgemäß zu den wirksamsten general- und spezialpräventiven Maßnahmen, um solche Delikte hintanzuhalten. Überdies entfaltet diese Maßnahme eine gleichmäßige Wirkung auf alle Verkehrsteilnehmer, unabhängig von deren persönlicher finanzieller Lage. Es erscheint daher angesichts des dringenden Erfordernisses einer Erhöhung der Verkehrssicherheit geboten - zusätzlich zu den je nach Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung derzeit gestaffelten Geldstrafen -, für drastische Geschwindigkeitsüberschreitungen eine Entziehung der Lenkerberechtigung auf vier Wochen ex lege vorzusehen."

Zur neu eingefügten lit. i des § 66 Abs. 2 KFG 1967 heißt es im Bericht des Verkehrsausschusses (Seite 2): "Es wird ein neuer Entziehungstatbestand geschaffen. Qualifizierte Geschwindigkeitsübertretung soll für sich allein mangelnde Verkehrszuverlässigkeit begründen."

Darin kommt mit voller Klarheit der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß bei einer qualifizierten Geschwindigkeitsübertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 die Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person als gegeben anzunehmen und eine Entziehungsmaßnahme in der im Gesetz vorgesehenen Dauer anzuordnen ist. Dem liegt der Sache nach eine vom Gesetzgeber selbst getroffene Wertung eines derartigen strafbaren Verhaltens unter dem Gesichtspunkt seiner Relevanz für die Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person und der zur Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu setzenden Maßnahmen zugrunde. Dies schließt eine davon abweichende eigenständige Wertung einer unter § 66 Abs. 2 lit. i fallenden Geschwindigkeitsübertretung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 durch die Kraftfahrbehörde grundsätzlich aus. Sie wäre mit der klar geäußerten Absicht des Gesetzgebers nicht vereinbar. Es bedarf daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers in Fällen wie dem vorliegenden keiner behördlichen Wertung des strafbaren Verhaltens aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles. Ziel der gegenständlichen Regelung war es gerade, eine solche Wertung im Einzelfall entbehrlich zu machen (vgl. Messiner, Entziehung der Lenkerberechtigung nach erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen (18. KFGNov), ZVR 1995, 131. Danach war Anlaß für diese Regelung der wiederholt geäußerte Wunsch nach einer "automatengerechten" gesetzlichen Bestimmung, die eine mühsame Einzelfallprüfung überflüssig macht.) Die geschilderte Rechtslage entspricht damit im wesentlichen jener bei der erstmaligen Begehung eines Alkoholdeliktes (vgl. zu jener Rechtslage das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1993, Zl. 93/11/0082, mit weiteren Judikaturhinweisen).

All dies läßt die Beschwerde unberücksichtigt, wenn darin - an sich zutreffend - ausgeführt wird, auch eine Entziehungsmaßnahme aufgrund einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 setze die Verkehrunzuverlässigkeit der betreffenden Person voraus, was eine Wertung der Tat nach dem Abs. 3 dieses Paragraphen erfordere. Bei der dargelegten Rechtslage vermag das vom Beschwerdeführer gerügte Fehlen von Feststellungen über die konkreten Umstände der Tat (Straßen-, Sicht- und Verkehrsverhältnisse) und einer darauf abstellenden Wertung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu bewirken. Was die seit der Tat verstrichene Zeit von rund fünf Monaten (und nicht sieben, wie in der Beschwerde angeführt) bis zur Setzung der Entziehungsmaßnahme und das behauptete Wohlverhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit anlangt, ist diese Zeitspanne jedenfalls zu kurz, um die bekämpfte Maßnahme als nicht mehr zulässig zu erachten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach dem Gesetz ein derartiger Entziehungsausspruch erst nach dem Abschluß des erstinstanzlichen Strafverfahrens mittels Strafbescheid ergehen darf und bis dahin durchaus auch eine längere Zeit verstreichen kann (auf deren Länge die Kraftfahrbehörde im übrigen in vielen Fällen gar keinen Einfluß hat). Durch diese Anordnung hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß in diesen Fällen die Entziehung der Lenkerberechtigung in der Regel erst nach Verstreichen einer längeren Zeit nach der Tat ausgesprochen wird.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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