VwGH 96/05/0186

VwGH96/05/018627.8.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 30. April 1996, Zl. MD-VfR - B XIII - 31/95, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Dr. O, W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §54;
BauO Wr §81 Abs6;
VwRallg;
AVG §54;
BauO Wr §81 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. September 1995 wurde u.a. die Errichtung von vier Dachgauben in der Richtung der Liegenschaft der Beschwerdeführerin im Ausmaß von jeweils 2 m genehmigt. Die der Beschwerdeführerin zugewendete Gebäudefront hat eine Länge von ca. 20 m.

Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Zur Frage, ob die geplanten Dachgauben § 81 Abs. 6 BO Bauordnung für Wien entsprechen, führte die belangte Behörde aus, daß die Dachgaube nach Wilfried Koch (Baustilkunde, München 1991, 439) ein kleiner Dachausbau mit Fenstern hinter der Hausflucht sei. Die in Frage stehenden Bauteile dienten durchwegs dem Ausbau des Daches und lägen hinter der jeweiligen Front des Gebäudes. Sie erweckten nicht den Eindruck einer zusammenhängenden Front und wiesen mit jeweils 2 m keine übermäßige Breite auf. Der Umstand, daß die eingebauten Fenster durch Holzrahmen in jeweils vier Flügel geteilt seien, hat für die Beurteilung der Bauteile als Gauben keine Bedeutung. Die Gauben, die in Abänderung des vorhandenen Altbestandes entstehen sollten, dürften den Gebäudeumriß gemäß § 81 Abs. 6 Bauordnung für Wien überschreiten.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Teile des § 81 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976, lauten:

"(1) Bei Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie gilt bis zu einer Gebäudetiefe von 15 m als Gebäudehöhe der lotrechte Abstand von der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche bis zum obersten Schnittpunkt der Außenwandfläche der Straßenfront ohne Berücksichtigung vorspringender Gebäudeteile, wie Gesimse, Erker u.ä., mit der Oberfläche des Daches; nicht raumbildende Gebäudeteile und raumbildende Dachaufbauten gemäß Abs. 6 bleiben dabei außer Betracht. ...

(2) Bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden darf die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein; hiebei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an der Grundgrenze und bis zu einem Abstand von 3 m von derselben überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden. ...

...

(6) Der nach den Abs. 1 bis 5 zulässige Gebäudeumriß darf durch einzelne, nicht raumbildende Gebäudeteile untergeordneten Ausmaßes überschritten werden; mit raumbildenden Dachaufbauten darf der Gebäudeumriß nur durch einzelne Dachgauben sowie im unbedingt notwendigen Ausmaß durch Aufzugstriebwerksräume und durch Stiegenhäuser überschritten werden."

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, bei den verfahrensgegenständlichen, der Liegenschaft der Beschwerdeführerin zugewendeten Bauteilen im Dachbereich handle es sich um Gauben im Sinne des § 81 Abs. 6 BO. Gemäß dieser Bestimmung komme es für die Qualifizierung als Gaube auf zwei Merkmale an: Es dürfe sich nur um "einzelne" Dachgauben handeln, woraus sich ergebe, daß dies kleinere Gebäudeteile sein müßten, die ausnahmsweise die ansonsten einzuhaltende höchstzulässige Gebäudehöhe übersteigen dürften. Nach der Judikatur dürfe eine Dachgaube nur mit einem oder maximal zwei Fenstern versehen sein. Weiters dürften die Dachgauben keine einheitliche Gebäudefront bilden. Zum zweiten sei es gemäß § 81 Abs. 6 BO unzulässig, durch ein Nebeneinandersetzen von Dachgauben in Wahrheit genau diesen unzulässigen Effekt einer einheitlichen, die zulässige Gebäudehöhe überschreitenden Front zu erreichen. Der Verwaltungsgerichtshof habe eine Dachgaube mit vier Fenstern für unzulässig erklärt und in dem Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 90/05/0034, nur deshalb das Vorliegen einer Dachgaube angenommen, weil es sich um ein mehrfach unterteiltes Fenster gehandelt habe. Er habe in diesem Erkenntnis besonders darauf abgestellt, daß die Gesamtlänge der durch Gauben hinausstehenden Bauteile nur ein Drittel der gesamten Frontlänge des Gebäudes ausgemacht habe. Im Erkenntnis vom 15. September 1992, Zlen. 92/05/0044, 0075, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß durch Dachgauben "keine raumübergreifende, durchgehende Auskragung des Dachraumes erfolgen" dürfe. Im vorliegenden Fall handle es sich um jeweils 2 m breite, nebeneinanderliegende Gebäudeteile. Jeder dieser Gebäudeteile weise vier Fenster auf. Verglichen mit der gesamten Gebäudelänge von ca. 20 m ergebe sich somit eindeutig, daß die hier in Rede stehenden Gebäudeteile eine unzulässige geschlossene Front darstellten, mit der eine raumübergreifende, durchgehende Auskragung des Dachraumes bewirkt werden solle. Indem die belangte Behörde dies verkannt habe, sei die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht gemäß § 81 Abs. 6 BO verletzt worden.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Nach der hg. Judikatur (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 15. November 1988, Zl. 87/05/0212) ist für die Frage der Auslegung des Ausdruckes "einzelne Dachgauben" in § 81 Abs. 6 BO maßgeblich, daß die Dachgauben nach den Plänen nicht den Eindruck einer geschlossenen Front machen. Im Erkenntnis vom 15. September 1992, Zlen. 92/05/0044, 92/05/0075, brachte der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, daß durch Dachgauben keine raumübergreifende, durchgehende Auskragung des Dachraumes erfolgen darf. Zu der Frage, mit wie vielen Fenstern eine Dachgaube versehen werden darf, ergibt sich aus der hg. Judikatur nur, daß eine Dachgaube in der Länge von 4,3 m mit einem mehrfach unterteilten Fenster für zulässig erachtet wurde (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 90/05/0034). In der Literatur (vgl. Geuder - Hauer, Das Wiener Baurecht3, 324) wird mit einer Gaube ein mit einem bis maximal zwei Fenstern versehener, über die Dachhaut vorstehender Gebäudeteil (Dachaufbau) zur Erweiterung und Belichtung des Dachraumes bezeichnet. Wenn im vorliegenden Fall über eine Gebäudelänge von ca. 20 m vier Dachgauben in einer Länge von jeweils 2 m vorgesehen sind, ergibt sich daraus nicht, daß die Dachgauben im Sinne der zitierten hg. Judikatur den Eindruck einer geschlossenen Front machen. Aus dem hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 90/05/0034, ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht abzuleiten, daß Dachgauben immer nur dann keinen Eindruck einer geschlossenen Front vermitteln, wenn ihre Länge insgesamt maximal ein Drittel der gesamten Frontlänge ausmacht.

Was den Einwand in bezug auf die Fenster der verfahrensgegenständlichen Dachgauben betrifft, handelt es sich nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid - die von der Beschwerdeführerin nicht bestritten werden - offensichtlich um im Sinne des zitierten hg. Erkenntnisses Zl. 90/05/0034 mehrfach mittels eines Holzrahmens unterteilte Fenster, zumal im vorliegenden Fall die Länge einer Gaube lediglich 2 m beträgt (während die in dem angeführten zitierten Erkenntnis verfahrensgegenständliche Gaube eine Länge von 4,3 m hatte).

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß es sich bei den angeführten Bauteilen des der Beschwerdeführerin zugewendeten Dachgeschosses um "einzelne Dachgauben" im Sinne des § 81 Abs. 6 BO handelt, die die Gebäudehöhe gemäß § 81 Abs. 1 BO (hier gemäß dem Bebauungsplan 5 m) überschreiten dürfen.

Weiters macht die Beschwerdeführerin geltend, es liege deshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil die von ihr beantragte Augenscheinsverhandlung zur Klärung der Frage des Vorliegens von Dachgauben nicht abgehalten worden sei und die zur Genehmigung eingereichten projektierten Baumaßnahmen am Gebäude bereits teilweise ersichtlich gewesen seien. Eine solche Augenscheinsverhandlung hätte dazu dienen können, um festzustellen, ob es sich bei den in Rede stehenden Bauteilen um eine geschlossene, die Gebäudehöhe überragende Front handeln werde oder bloß um einzelne über die Dachhaut vorstehende Gebäudeteile. Grundsätzlich ist der belangten Behörde Recht zu geben, daß die Frage, ob geplante Dachgauben den Eindruck einer geschlossenen Front machen, nach den eingereichten Plänen zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 15. November 1988, Zl. 87/05/0212). Dies ergibt sich allein schon aus dem Umstand, daß es sich bei dem Bauverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt. Für den Fall einer nachträglichen Baubewilligung allerdings kann der optische Eindruck von dem bereits im Sinne der eingereichten Pläne errichteten Gebäude dann von maßgeblicher Bedeutung sein, wenn der Eindruck einer geschlossenen Front aufgrund der Pläne zweifelhaft ist und der Augenschein somit im Sinne des § 54 AVG der Aufklärung der Sache dient (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1986, Zl. 83/10/0284). Im vorliegenden Bauverfahren ging es weder um die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung, noch liegt ein solcher Zweifelsfall vor.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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