VwGH 95/21/0416

VwGH95/21/041621.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1994, Zl. 106.638/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §29;
AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §29;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG), in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995, abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, daß gemäß § 9 Abs. 3 AufG keine weiteren Bewilligungen erteilt werden dürften, wenn die im § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den in § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien seien in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens der Beschwerdeführerin könne ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes nicht abgeleitet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 AufG ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern von österreichischen Staatsbürgern eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt. Gemäß § 3 Abs. 3 AufG kann - wenn die Kinder im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und auf Dauer ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkünfte ausreichend gesichert sind - in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern von österreichischen Staatsbürgern erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind. § 9 Abs. 3 AufG sieht vor, daß keine weiteren Bewilligungen erteilt werden dürfen, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Anzahl erreicht ist. In diesem Fall ist die Entscheidung über gemäß § 3 AufG anhängige Anträge nach dem zweiten Satz des § 9 Abs. 3 AufG auf das folgende Jahr zu verschieben.

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sie ein Kind einer österreichischen Staatsbürgerin sei, dessen Antrag wegen Erschöpfung der gemäß § 2 Abs. 1 festgesetzten Höchstzahl nicht hätte abgewiesen werden dürfen. Vielmehr hätte die Behörde die Entscheidung über ihren Antrag gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz AufG auf das folgende Jahr verschieben müssen, weil sie einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 3 AufG habe.

Mit diesen Ausführungen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis aus folgenden Gründen im Recht:

Volljährigen Kindern von österreichischen Staatsbürgern und von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, steht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 3 AufG zu, wenn die im Abs. 3 der genannten Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Bei volljährigen Kindern von österreichischen Staatsbürgern, denen von diesen Unterhalt gewährt wird, darf das Erfordernis dieser Voraussetzungen jedoch nicht überspannt werden. Es darf nämlich nicht außer acht gelassen werden, daß gemäß § 29 FrG auch volljährigen Kindern von EWR-Bürgern, die zum Aufenthalt berechtigt sind, ein Sichtvermerk zu erteilen ist, wenn nur durch ihren Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht gefährdet wäre. § 3 AufG muß die Bedeutung unterstellt werden, daß die dort geregelten Voraussetzungen für die aufenthaltsrechtliche Verwirklichung des Familiennachzuges für volljährige Kinder von österreichischen Staatsbürgern nicht im vorliegenden Zusammenhang strenger gestaltet sind, als für volljährige Kinder von in Österreich zum Aufenthalt berechtigten EWR-Bürgern. Andernfalls läge eine Benachteiligung von österreichischen Staatsbürgern gegenüber EWR-Bürgern - hinsichtlich der Ermöglichung des familiären Zusammenlebens mit Kindern, denen Unterhalt gewährt wird - vor, die dem Grundsatz zuwiderlaufen würde, daß das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot dahin zu verstehen ist, daß eine gesetzliche Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber Ausländern zu vermeiden ist (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 10.025/1984, 10.271/1984 und 13.084/1992).

Gemäß § 3 Abs. 1 und 3 AufG besteht daher bei Nichtvorliegen eines Ausschließungsgrundes gemäß § 5 Abs. 1 AufG für volljährige Kinder von österreichischen Staatsbürgern ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung im Regelfall dann, wenn ihnen vom betroffenen österreichischen Staatsbürger Unterhalt gewährt wird.

Im vorliegenden Fall war die belangte Behörde daher nicht berechtigt, gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz AufG den Antrag der Beschwerdeführerin abzuweisen, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Beschwerdeführerin tatsächlich von ihrer Mutter, einer österreichischen Staatsbürgerin, - deren notariell beglaubigte Verpflichtungserklärung vom 17. Dezember 1993 aktenkundig ist - Unterhalt gewährt wird. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen - in Verkennung der Rechtslage - unterlassen und damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

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