VwGH 95/18/1364

VwGH95/18/13648.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. September 1995, Zl. SD 1164/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AufG 1992 §12 Abs1;
AufG 1992 §12;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995/389 §1 Abs2;
AufG 1992 §12 Abs1;
AufG 1992 §12;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. September 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei nach ihren Angaben am 7. Juni 1995 in einem PKW mit österreichischem Kennzeichen in das Bundesgebiet eingereist, ohne im Besitz eines Sichtvermerkes zu sein. Bosnische Staatsangehörige seien bis 14. April 1995 zur sichtvermerksfreien Einreise und zu einem anschließenden Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt gewesen, wenn sie bei der Einreise über einen gültigen Reisepaß verfügt hätten. Darüberhinaus seien bosnische Staatsbürger aufgrund der zu § 12 Aufenthaltsgesetz ergangenen Verordnung, BGBl. Nr. 389/1995, zum vorübergehenden Aufenthalt - derzeit bis Ende Juni 1996 - berechtigt, wenn sie ihre Heimat wegen der bewaffneten Konflikte hätten verlassen müssen, anderweitig keinen Schutz gefunden hätten und - sofern sie nach dem 30. Juni 1993 nach Österreich eingereist seien - sich der Grenzkontrolle gestellt hätten und ihnen entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei. Die Beschwerdeführerin, in deren Reisepaß sich kein österreichischer Grenzkontrollstempel befinde, habe sich offensichtlich nicht der Grenzkontrolle gestellt, da hiezu ein aktives Tätigwerden erforderlich gewesen wäre. Jedenfalls sei ihr - und dies sei im Beschwerdefall von entscheidender Bedeutung - die Einreise nicht entsprechend internationaler Gepflogenheiten gestattet worden. Die Erstbehörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien. Aufgrund des kurzen und illegalen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich und des Fehlens familiärer Bindungen im Inland sei mit der Ausweisung kein im Grunde des § 19 FrG relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden, sodaß nicht überprüft werden müsse, ob die Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß sie anläßlich des Grenzübertrittes von den Grenzkontrollorganen "durchgewunken" worden sei. Dies erfolge jedoch "an den österreichischen Bundesgrenzen zum östlichen und südlichen Ausland praktisch nie, ohne daß die in einem PKW befindlichen Personen ihre Reisepässe, zumindest aber den Einband des Reisepasses den Grenzkontrollorganen vorweisen bzw. vorhalten". Damit sei ihr entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden. Ein aktives Tätigwerden der Beschwerdeführerin, etwa ein Bemühen um einen österreichischen Grenzkontrollstempel, sei dazu nicht notwendig. Der angefochtene Bescheid unterstelle daher der Verordnung, BGBl. Nr. 389/1995, einen rechtswidrigen Inhalt.

Mit dieser Auffassung ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Gemäß § 12 Abs. 1 AufG kann die Bundesregierung mit Verordnung für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren. Gemäß § 1 Abs. 1 der aufgrund dieser Bestimmung erlassenen Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, haben "Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ... ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet". Gemäß § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung besteht dieses Aufenthaltsrecht "für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde".

Selbst nach dem Beschwerdevorbringen, wurde die Beschwerdeführerin anläßlich ihrer Einreise von den Grenzkontrollorganen "durchgewunken". Dem Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, wird jedoch - wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat - nur durch ein Tun des Fremden entsprochen: Er hat von sich aus (initiativ) an der Grenzkontrollstelle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten. Diesem Erfordernis ist die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen, da sie es dabei bewenden ließ, sich an der Grenzkontrollstelle "durchwinken" zu lassen. Daran änderte auch der Umstand nichts, daß sie - beim Vorbeifahren am Grenzkontrollorgan - ihren Reisepaß in offenem oder geschlossenem Zustand vorgewiesen hätte. Mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertrittes der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet durch zu einer solchen Kontrolle berufene österreichische Organe kam daher auch die Verwirklichung des weiteren, kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihr ... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht, da ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln des Grenzkontrollorganes im Rahmen der Grenzkontrolle bedingt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. November 1995, Zl. 94/18/0529).

Da der Beschwerdeführerin ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß der genannten Verordnung nicht zukam und sie nicht dartut, auf welchen sonstigen Grund sie einen rechtmäßigen Aufenthalt stützen könnte, erfolgte deren Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG rechtens.

2. Da sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde erst seit drei Monaten - illegal - im Bundesgebiet aufhielt und sie nicht bestreitet, keine familiären Bindungen im Bundesgebiet zu haben, ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß die Ausweisung keinen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben darstellt. Ob die Ausweisung im Grunde des § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten wäre, kann somit dahingestellt bleiben.

3. Da es - wie dargestellt - nicht darauf ankommt, ob die Beschwerdeführerin anläßlich des Durchgewunkenwerdens beim Grenzübertritt den Reisepaß - in geöffnetem oder geschlossenem Zustand - vorgezeigt hat, geht auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, zu ermitteln, ob und auf welche Weise die Beschwerdeführerin ihren Reisepaß "aus dem Fenster gehalten" habe, ins Leere.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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