VwGH 95/20/0223

VwGH95/20/02237.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des O in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1995, Zl. 4.345.582/4-III/13/95, betreffend Wiederaufnahme eines Asylverfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1993 §36 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §69 Abs1 Z2 impl;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1993 §36 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 7. Dezember 1994 ist mit dem am 23. Jänner 1995 zugestellten Bescheid des Bundesministers für Inneres als Berufungsbehörde vom 19. Jänner 1995 rechtskräftig abgewiesen worden. Die Abweisung stützte sich dabei einerseits darauf, daß die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneinte, andererseits auch darauf, daß der Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 wegen bereits in Ungarn erlangter Verfolgungssicherheit vorgelegen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. März 1995 wurde der vom Beschwerdeführer am 23. Februar 1995 gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des mit dem zuvor erwähnten Bescheid rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer stütze seinen Wiederaufnahmsantrag auf den Inhalt des über Antrag der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom türkischen Generalkonsulat Salzburg am 10. Jänner 1995 ausgestellten Heimreisezertifikates, in dem es u.a. heiße, daß "die Identität des Betreffenden sowie der Grund seiner Ausreise aus der Türkei untersucht und unseren Sicherheitsbehörden mitgeteilt wird". Daraus schließe der Beschwerdeführer, daß er wegen seiner illegalen Ausreise aus der Türkei in seinem Heimatstaat staatliche Verfolgung zu befürchten haben werde. Im Falle seiner Abschiebung müsse er damit rechnen, daß ihm eine staatsfeindliche Gesinnung unterstellt, und daß er insbesondere als Sympathisant der PKK bezichtigt werde. Entgegen den rein spekulativen Erwägungen des Beschwerdeführers könne aus dem Inhalt des Heimreisezertifikates kein iSd § 69 Abs. 1 lit. b AVG ausreichender Hinweis auf eine bevorstehende Verfolgung durch seinen Heimatstaat geschlossen werden. Daraus gehe lediglich hervor, daß die Identität des Beschwerdeführers geklärt und der Grund seiner Ausreise erhoben werden solle. Auch im Zusammenhang mit den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren könne deshalb von einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit seiner Verfolgung im Falle der Rückkehr nicht gesprochen werden. Unabhängig vom Bestehen der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers erweise sich sein Wiederaufnahmsantrag aber auch deshalb als nicht zielführend, weil die Abweisung seines Asylantrages auch mit dem Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 begründet worden sei. Damit setze sich das Wiederaufnahmsbegehren überhaupt nicht auseinander.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In der Beschwerde wird zunächst zutreffend hervorgehoben, daß einem auf § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens dann stattzugeben ist, wenn die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel für sich allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des (abgeschlossenen) Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Insoweit die vorliegende Beschwerde aber in aufwendigen Ausführungen die von der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 19. Jänner 1995 getroffene Beweiswürdigung und Sachverhaltsannahme zu bekämpfen sucht, ist darauf schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil die Wiederaufnahme des Verfahrens keine Handhabe dafür bietet, eine in dem abgeschlossenen Verfahren von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegte Beweiswürdigung oder Sachverhaltsannahme zu bekämpfen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid weiters ausgeführt, daß die Beschwerde keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel zu dem als tragenden Abweisungsgrund des Asylantrages herangezogenen Ausschließungstatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 enthält. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft dann nicht mehr an, wenn die belangte Behörde zu Recht von dem Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Gebrauch gemacht hat (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0430). Damit kann auch keine Mangelhaftigkeit in dem Verfahren über den Antrag auf Wiederaufnahme des abgeschlossenen Asylverfahrens liegen, wenn sich die Behörde mit dem Vorbringen zur behaupteten Flüchtlingseigenschaft auf Grund von DAMALS, ANLÄßLICH DER FLUCHT vorgelegenen Umständen (Fluchtgründen) nicht weiter befaßte und in dem Wiederaufnahmsantrag gegen diesen die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Asyl mittragenden Abweisungsgrund nichts wesentliches vorgebracht wird. Der in der vorliegenden Beschwerde dazu enthaltene Verweis auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den seinen Asylantrag abweisenden rechtskräftigen Bescheid vom 19. Jänner 1995, in dem die Unrichtigkeit der Annahme der erlangten Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat dargelegt worden sei, kann den hier zu beurteilenden Wiederaufnahmsantrag ebensowenig begründen wie der Hinweis, daß bei sogenannten Nachfluchtgründen der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 überhaupt nicht zum Tragen komme: Ob die belangte Behörde im Asylverfahren diesen Ausschlußgrund zu Recht in Anspruch genommen hat, wird in dem über die dort erhobene (zu Zl. 95/20/0093 anhängige) Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu führenden Verfahren zu entscheiden sein.

Richtig ist, daß Umstände, mit denen der Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung begründet, die erst während des Aufenthaltes in Österreich eingetreten sind (sogenannte "Nachfluchtgründe"), zur Asylgewährung führen können, wenn sie nicht mit der Absicht des § 2 Abs. 2 Z. 2 Asylgesetz 1991 vom Asylwerber selbst herbeigeführt worden sind. Einen solchen Nachfluchtgrund macht der Beschwerdeführer geltend, wenn er auf den ausdrücklich hervorgehobenen Inhalt des Schreibens des türkischen Generalkonsulates vom 10. Jänner 1995 (ihm laut Inhalt des Wiederaufnahmeantrages am 17. Februar 1995 bekannt geworden) verweist und eine darin begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sehen will.

Der vom Beschwerdeführer in Form des zitierten Inhaltes des Schreibens des türkischen Generalkonsulates geltend gemachte Umstand ist aber nicht geeignet, für sich allein oder in Verbindung mit den in der Beschwerde dargestellten Ergebnissen des Asylverfahrens eine andere, für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung herbeizuführen.

Auszugehen ist nämlich davon, daß die vom Beschwerdeführer dargestellten Angaben im Asylverfahren nach Auffassung der belangten Behörde nicht seine Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz zu begründen vermochten. Der zitierte Inhalt des Schreibens des türkischen Generalkonsulates bedeutet nun nichts anderes, als daß die türkischen Behörden zur Kenntnis genommen haben, daß der Beschwerdeführer einen in Österreich abgewiesenen Asylantrag gestellt hatte und ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Abschiebung des Beschwerdeführers eingeleitet worden ist. Im Rahmen dieses Verfahrens ist es für die türkischen Behörden naturgemäß erforderlich, die Identität des namhaft gemachten Asylwerbers zu überprüfen und die Gründe für sein Verlassen aus dem Heimatland zu erheben. Die Befürchtung, wegen Übertretung von den Aufenthalt im Ausland regelnden Vorschriften bestraft zu werden, begründet nach herrschender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0039). Warum aber die Namhaftmachung eines Asylwerbers, dessen Flüchtlingseigenschaft als nicht bestehend festgestellt wurde, gegenüber den Behörden des Heimatlandes im Rahmen eines Verfahrens zur Abschiebung nunmehr eine begründete Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung auslösen soll, ist in concreto nicht nachvollziehbar. Ein solches Ergebnis würde nahezu jedes Asylverfahren ad absurdum führen, weil einem Asylwerber regelmäßig spätestens dann Asyl zu gewähren wäre, wenn nach Abweisung seines Asylantrages Maßnahmen zu seiner Abschiebung ergriffen werden. Es ist auch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, warum die Namhaftmachung des Asylwerbers gegenüber den türkischen Behörden angesichts des Umstandes, daß die belangte Behörde das Vorbringen im Asylverfahren zur Begründung der Flüchtlingseigenschaft als nicht ausreichend angesehen hat, zu einer anderslautenden, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können, zumal ein entscheidungswesentlicher Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Schreibens und den Ergebnissen des Asylverfahrens auch nach dem Inhalt der Beschwerde nicht hergestellt werden kann.

Im übrigen kann bei einem erst nach Einreise über ein Drittland während des Aufenthaltes in Österreich eingetretenen sogenannten Nachfluchtgrund der Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz schon deshalb nicht herangezogen werden, weil diesfalls der Asylwerber in dem Drittstaat naturgemäß mit Aussicht auf Erfolg keinen auf die erst nach seiner Flucht eingetretene Umstände gestützten Asylantrag hätte stellen können; es konnte dann ein asylrechtlich relevanter Grund nicht vorgelegen sein. Diese unrichtige Auffassung der belangten Behörde hat sich aber - wie schon ausgeführt - nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt - war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahrens als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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