VwGH 95/05/0126

VwGH95/05/012629.8.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über den Wiederaufnahmsantrag, den Wiedereinsetzungsantrag und die nachgeholte Beschwerde

1. des Dr. S, 2. des Mag. R und 3. des F, alle in K, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom 5. Dezember 1994, Zl. MD-S-4/94/Be-786, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag, den Beschluß gefaßt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwGG §28 Abs1 Z7;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
ZPO §268;
ZPO §539 Abs2;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwGG §28 Abs1 Z7;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
ZPO §268;
ZPO §539 Abs2;

 

Spruch:

  1. 1. Den Anträgen wird nicht stattgegeben.
  2. 2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

In ihrer zur Zl. 95/05/0025 protokollierten Beschwerde gaben die Beschwerdeführer an, der von ihnen bekämpfte Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom 5. Dezember 1994 sei ihnen am 6. Dezember 1994 zugestellt worden. Diese Beschwerde wurde, da die Postaufgabe der Beschwerde erst am 18. Jänner 1995 erfolgte, mit hg. Beschluß vom 28. März 1995 wegen Verspätung zurückgewiesen.

Unter neuerlicher Vorlage der Beschwerde stellten die Beschwerdeführer nunmehr den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle

"1. gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Beschluß des VWGH, GZ. 95/05/0025, AW 95/05/0011-5, vom 28. 03 1995 bewilligen, weil die Beschwerdeführer kein Verschulden an der irrigen Annahme der Versäumung der Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG trifft; in eventu

2. gemäß § 46 Abs. 1 die Wiedereinsetzung in den Stand vor dem 24. 01 1995 - Ablauf der Beschwerdefrist nach Zustellung des bekämpften Bescheides am 14.12.1994 - bewilligen, weil die Beschwerdeführer kein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Benennung des tatsächlichen Zustelldatums trifft; in eventu

3. gemäß § 46 Abs. 1 VwGG die Wiedereinsetzung in den Stand vor dem 24. 01. 1995 bewilligen, da die Beschwerdeführer, wenn überhaupt, nur ein minderer Grad des Versehens trifft;

4. nach Prüfung der Sach- und Rechtslage in Stattgebung der unter einem erneut vorgelegten Bescheidbeschwerde vom 18. 01. 1995, in eventu in Stattgebung der unter einem mit dem korrekten Zustelldatum versehenen Bescheidbeschwerde vom heutigen Tage den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems/Donau vom 05. 12. 1994, Zl. MD-S-4/94/Be-786 beheben."

Die Beschwerdeführer gaben unter Vorlage einer Ablichtung des Rückscheines an, daß ihnen der bekämpfte Bescheid in Wahrheit erst am 14. Dezember 1994 zugestellt und somit die Beschwerde am 18. Jänner 1994 innerhalb der sechswöchigen Frist erhoben worden sei. Zur irrtümlichen Angabe des Zustelldatums 6. Dezember 1994 sei es aus folgenden Gründen gekommen:

Der Erstbeschwerdeführer habe den zu bekämpfenden Bescheid samt Unterlagen am 3. Jänner 1995 dem Beschwerdeführervertreter Dr. H. überbracht. Dabei habe sich auch ein aufgerissenes Kuvert des Bezirksgrichtes Krems befunden, welches ein Zustelldatum 6. Dezember 1994 aufgewiesen habe. Zwecks Fristvormerkung sei von der Kanzleileiterin aber vom richtigen Zustelltag 14. Dezember 1994 ausgegangen und die Frist richtig vorgemerkt worden. Dem Beschwerdeführervertreter Dr. H. sei beim Diktat sodann der verhängnisvolle Fehler unterlaufen, daß er aus dem in den Unterlagen befindlichen Kuvert des Bezirksgerichtes Krems an der Donau das Zustelldatum 6. Dezember 1994 entnommen habe. Ein ähnlicher Irrtum sei ihm noch nie unterlaufen. Da die Fristvormerkung schon beim Einlagen überprüft worden sei, sei beim Dikat nicht eine neuerliche Fristberechnung erfolgt. Dieser Irrtum sei erst durch die Zurückweisung der Beschwerde offenbar geworden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß - im Gegensatz zur Bestimmung des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG - auch ein minderer Verschuldensgrad die Wiederaufnahme nach dem hier herangezogenen Tatbestand ausschließt (siehe beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 22. Mai 1990, Zl. 90/14/0067;

10. Dezember 1991, Zl. 91/14/0235, 25. März 1992, Zl. 91/13/0051, und 29. September 1992, Zl. 92/08/0176). Im genannten Beschluß vom 10. Dezember 1991 hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit beiden Bestimmungen auseinandergesetzt und gelangte zu dem Ergebnis, daß eine aus Gründen des Gleichheitsgebotes zur Schließung durch Analogie zwingende Gesetzeslücke nicht vorliege. Wörtlich wurde ausgeführt:

"Die Verursachung der irrigen Annahme der Versäumung einer im Verwaltungsgerichtshofgesetz vorgesehenen Frist beim Verwaltungsgerichtshof durch die Partei ist der Versäumung einer solchen Frist durch diese nicht im Sinne einer Gleichwertigkeit ähnlich. Unrichtige Angaben der Partei, die eine irrige Annahme des Verwaltungsgerichtshofes herbeiführen, darf der Gesetzgeber bei Regelung des Behelfes der Wiederaufnahme anders behandeln als die Versäumung einer Frist bei Gestaltung des Behelfes der Wiedereinsetzung. Im erstgenannten Fall kann er nämlich bei der ihm von Verfassungs wegen erlaubten typischen Betrachtung davon ausgehen, daß der Rechtsnachteil nicht durch Zeitnot herbeigeführt wurde und deshalb an die Sorgfalt einen strengeren Maßstab anlegen, also auch einen minderen Grad des Versehens als der Wiederaufnahme schädlich behandeln."

In diesem Zusammenhang sei auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. März 1995, G 181/94, verwiesen, mit welchem dieser Gerichtshof dem Antrag, die ersten drei Sätze des § 539 Abs. 2 ZPO als verfassungswidrig aufzuheben, im Hinblick auf die Besonderheit des Wiederaufnahmeverfahrens (und damit die mangelnde Vergleichbarkeit mit § 268 ZPO) keine Folge gab.

Der Verwaltungsgerichtshof kann sich allerdings der Auffassung der Beschwerdeführer, den Beschwerdeführervertreter habe beim Diktat des Zustelldatums überhaupt kein Verschulden getroffen, nicht anschließen. § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG normiert, daß die Beschwerdeschrift die Angaben enthalten muß, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist. Wenn der Beschwerdeverfasser für diese Angaben aus den ihm von der Partei vorgelegten Urkunden ein Kuvert heranzieht, welches von einem Bezirksgericht stammt, obwohl er den Bescheid einer Verwaltungsbehörde bekämpfen soll, kann von einer unverschuldeten Falschangabe keine Rede mehr sein. Es geht ja nicht, wie die Beschwerdeführer meinen, um die Überprüfung jedes einzelnen Schriftstückes in alle Richtungen hin, sondern um die erforderliche Sorgfalt bei Angaben, die das Gesetz dem Beschwerdeverfasser zwingend vorschreibt.

Unter Heranziehung des nunmehr durch den Rückschein objektivierten Zustelldatums am 14. Dezember 1994 ging der Verwaltungsgerichtshof bei seinem Beschluß vom 28. März 1995 - irrtümlich - von einer verspäteten Beschwerdeerhebung aus, die - objektiv gesehen - nicht volag. Diese rechtskräftige Entscheidung kann aber, da der Irrtum durch Verschulden der Partei bzw. ihres Vertreters herbeigeführt worden ist, nicht im Wege einer Bewilligung der Wiederaufnahme beseitigt werden.

Damit ist aber auch das Schicksal der Wiedereinsetzungsanträge entschieden: Es lag keine Fristversäumung vor, sodaß eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt (siehe nochmals die hg. Beschlüsse vom 10. Dezember 1991 und vom 25. März 1992). Die - objektiv rechtzeitige - erhobene Beschwerde enthielt die Angabe eines Zustelldatums, sodaß von der Versäumung einer Frist zur Angbe des Zustelldatums keine Rede sein kann.

Die nachgeholte Beschwerde ist verspätet und auch wegen Verbrauch des Beschwerderechtes unzulässig. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf den mit dieser Beschwerde verbundenen Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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