VwGH 95/02/0225

VwGH95/02/022510.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. März 1995, Zl. VwSen-280046/2/Ga/La, betreffend Übertretung des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (mitbeteiligte Partei: J in M), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67a Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
EMRK Art6 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §51 Abs2;
VStG §51c;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67a Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
EMRK Art6 Abs1;
VStG §51 Abs1;
VStG §51 Abs2;
VStG §51c;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 13. Februar 1995 wurde die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen mehrerer Übertretungen des KJBG bestraft (Spruchpunkt I). Gleichzeitig wurde hinsichtlich einer weiteren Übertretung des KJBG das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt (Spruchpunkt II); dies mit der Begründung, daß der in diesem Punkt angelastete Tatvorwurf nicht mit einer für eine Bestrafung ausreichenden Sicherheit festgestellt hätte werden können.

Gegen den Spruchpunkt II erhob das Arbeitsinspektorat (mit einer entsprechenden Begründung) Berufung und stellte den Antrag, das erwähnte Straferkenntnis dahingehend abzuändern, daß der Mitbeteiligte wegen einer (weiteren) Übertretung des KJBG bestraft werde.

Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. März 1995 wurde diese Berufung mit der Feststellung, daß der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über einen Berufungsantrag, wie ihn das Arbeitsinspektorat gestellt habe, nicht zuständig sei, zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Zunächst sei auf die diesbezüglichen, einen gleichgelagerten Fall betreffenden Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1995, Zl. 95/02/0081, verwiesen, mit welchem ein Bescheid derselben belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde.

Die weitwendigen Ausführungen der belangten Behörde in der vorliegenden Gegenschrift sind nicht geeignet, den Gerichtshof zu einer anderen Rechtsanschauung zu veranlassen. Insbesondere pflichtet der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer darin bei, daß ein Verwaltungsstrafverfahren, in welchem nicht nur dem Beschuldigten ein Berufungsrecht zusteht, nicht nur dem Rechtsschutz des Beschuldigten, sondern auch dazu dient, der anderen Partei zu ihrem Recht zu verhelfen bzw. insbesondere im Falle des Berufungsrechtes einer "Organpartei" dem Strafanspruch des Staates Genüge zu tun. Hingegen vermag der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsanschauung der belangten Behörde, in Ansehung der Zuständigkeit des Einzelmitgliedes des unabhängigen Verwaltungssenates oder der Kammer (vgl. dazu näher die Ausführungen im zitierten hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1995, Zl. 95/02/0081) sei bei einem Fall wie dem vorliegenden bei meritorischer Erledigung der Berufung die Frage des "gesetzlichen Richters" zu problematisieren, nicht beizupflichten, da § 51c VStG lediglich eine Zuständigkeitsregel innerhalb derselben Behörde darstellt; von einem Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 MRK (wie ihn die belangte Behörde offenbar sieht) kann keine Rede sein. Weiters ist nicht ersichtlich, weshalb - so die belangte Behörde - dem Beschuldigten in einem Fall wie dem vorliegenden eine "Gegenwehr" in Ansehung des ihm gemachten Vorwurfes unmöglich sein sollte, weil dem (auch) das durch die Berufungsbehörde zu führende Verfahren dient. Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde auch darin nicht beizupflichten, daß das Arbeitsinspektorat ausdrücklich nur die Aufhebung der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens (nicht jedoch die Bestrafung des Beschuldigten) begehren hätte müssen, was - so die belangte Behörde - zur Aufhebung durch sie mit der Folge geführt hätte, daß die Strafbehörde erster Instanz das Strafverfahren fortzuführen und allenfalls mit einem Schuldspruch zu beenden gehabt hätte. Damit wird nämlich neuerlich übersehen, daß der unabhängige Verwaltungssenat als Berufungsbehörde der Vorschrift des § 66 Abs. 4 AVG Genüge zu tun hat (vgl. auch dazu ausführlicher das zitierte hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1995, Zl. 95/02/0081).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

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