VwGH 95/02/0128

VwGH95/02/01289.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Landesgerichtes Wels vom 14. Februar 1995, GZ. 3 Cg 46/94p, betreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. November 1993, Zl. VwSen-400225/4/Wei/Shn (weitere Parteien des Verfahrens gemäß § 64 VwGG: 1. Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur, zu Zl. VI/35856/14, 2. E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Normen

AHG 1949 §11;
B-VG Art131 Abs2;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41;
FrG 1993 §52 Abs2 Z2;
FrG 1993 §52 Abs4;
FrG 1993 §54 Abs2;
FrG 1993 §54;
EMRK Art3;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
AHG 1949 §11;
B-VG Art131 Abs2;
FrG 1993 §17;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41;
FrG 1993 §52 Abs2 Z2;
FrG 1993 §52 Abs4;
FrG 1993 §54 Abs2;
FrG 1993 §54;
EMRK Art3;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird Folge gegeben und die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides festgestellt.

Begründung

Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. November 1993 wurde der an diese Behörde von E gerichteten Beschwerde gemäß § 52 Abs. 2 FrG in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG Folge gegeben und dessen Anhaltung in Schubhaft seit 27. September 1993 für rechtswidrig erklärt; gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs. 4 FrG festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Weiters wurde der Bund unter Berufung auf § 52 Abs. 2 FrG verpflichtet, dem E die Kosten dieses Rechtsstreites zu ersetzen.

In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen - soweit für die Erledigung des vorliegenden Antrages von Belang - ausgeführt, die dort belangte Behörde stütze die Aufrechterhaltung der Schubhaft über die im Normalfall bestehende Höchstfrist von zwei Monaten (§ 48 Abs. 2 und 4 FrG) hinaus auf die Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres, daß für die Durchreise durch Kroatien im Rahmen der geplanten Abschiebung des dortigen Beschwerdeführers auf dem Landweg eine Bestätigung der "bosnischen" Botschaft in Wien erforderlich sei. Obwohl der Beschwerdeführer einen bosnischen Reisepaß besitze und sein Heimatstaat völkerrechtlich verpflichtet sei, den Beschwerdeführer zu übernehmen, verlange der Staat Kroatien zusätzlich eine Übernahmebestätigung einer bosnischen Vertretungsbehörde. Dabei handle es sich aber nicht um eine für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates im Sinne des § 48 Abs. 4 Z. 3 FrG. Dazu komme, daß unverhältnismäßig viel Zeit verstrichen sei, ohne daß die Durchführbarkeit der Abschiebung geklärt hätte werden können. Somit erweise sich auch aus diesem Blickwinkel die mittlerweile eingetretene Gesamtdauer der Schubhaft als unangemessen.

Auch was die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung "nach Bosnien unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG" betreffe, habe der unabhängige Verwaltungssenat erhebliche Bedenken. Es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer nicht nur wie jeder andere von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen wäre, sondern als Angehöriger der besonders gefährdeten moslemischen Volksgruppe durch die Abschiebung in ein stark umkämpftes Gebiet gelangen würde, in dem er weder mit einer Unterkunft noch mit hilfeleistenden Bezugspersonen rechnen könnte. Es sei daher eine den Beschwerdeführer im besonderen treffende Gefahrensituation im Falle seiner Abschiebung nach Bosnien anzunehmen und müsse daher zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, daß stichhaltige Gründe für Gefahren im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG im Falle der Abschiebung bestünden. Auch aus diesem Grund sei daher die weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

Vor dem Landesgericht Wels ist ein Verfahren anhängig, mit dem E als klagende Partei von der Republik Österreich (dem Bund) eine Haftentschädigung begehrt. Er stützt seinen Anspruch darauf, daß die Schubhaft durch den zitierten Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. November 1993 für den Zeitraum vom 27. September 1993 bis 16. November 1993 als rechtswidrig erklärt worden sei.

Mit dem vorliegenden Antrag des Landesgerichtes Wels vom 14. Februar 1995 wird an den Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz in Verbindung mit § 65 VwGG das Begehren gerichtet, die (allfällige) Rechtswidrigkeit des erwähnten Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 10. November 1993 festzustellen.

Das Landesgericht Wels erachtet diesen Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil danach eine Verlängerung der Schubhaft gemäß § 48 Abs. 4 Z. 3 FrG nur zulässig sei, wenn der Fremde die für die Einreise erforderliche Bewilligung des "Zielstaates" noch nicht besitze; für die Interpretation des "Zielstaates" sei aber nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes aus § 48 Abs. 4 Z. 3 FrG nichts zu gewinnen. Hätte der Gesetzgeber § 48 Abs. 4 Z. 3 FrG ausschließlich im Sinne des "Zielstaates" verstanden, so hätte er dies, so wie im § 54 FrG, eindeutig zum Ausdruck gebracht. Da dies jedoch nicht der Fall sei, wäre auch der Gegenschluß zulässig, sodaß zumindest auch die Nichterteilung der Bewilligung durch den "Durchfuhrstaat" eine Verlängerung der Schubhaft rechtfertigen würde. Die weitere Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates im angefochtenen Bescheid, daß die Frage der Aufrechterhaltung der Schubhaft auch unter dem Aspekt der Zulässigkeit der in Aussicht genommenen Abschiebung geprüft werden müsse, stehe mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Widerspruch. Im übrigen seien stichhaltige Gründe, die gemäß § 37 FrG einer Abschiebung entgegenstünden, in concreto nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser im Verfahren nach § 11 Amtshaftungsgesetz zwar, soweit es den Beschwerdegegenstand betrifft, an die Anfechtungserklärung des antragstellenden Gerichtes gebunden, nicht aber an die geltend gemachten Beschwerdegründe; er hat daher grundsätzlich ohne Bindung an die Rechtsanschauung des Gerichtes zu prüfen, ob die Verwaltungsbehörde die Subsumtionsfrage zutreffend gelöst hat (vgl. das Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 88/05/0269).

Ausgehend davon erweist sich der angefochtene Bescheid aus folgenden Erwägungen als objektiv rechtswidrig:

Gemäß § 52 Abs. 4 (erster und zweiter Satz) FrG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden. Die unabhängigen Verwaltungssenate haben daher die behauptete Rechtswidrigkeit der Schubhaft jedenfalls für die Vergangenheit nur unter jenem Blickwinkel (im Rahmen jener Gründe) zu prüfen, aus welchem dies geltend gemacht wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. April 1995, Zlen. 94/02/0197, 0198, 0282, wobei zur Klarstellung gesagt sei, daß die im § 52 Abs. 4 zweiter Satz FrG angeführten "Beschwerdepunkte" nicht jenen des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG gleichzusetzen sind).

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Schubhaftbeschwerde des E vom 2. November 1993 einer Erledigung zugeführt. Darin wird allerdings als Begründung für die Rechtswidrigkeit der Schubhaft allein geltend gemacht, die Abschiebung verstoße gegen das "Rückschiebungsverbot des Art. 3 MRK in Verbindung mit § 36, § 37 und § 54 Fremdengesetz"; erweise sich infolge "Rückschiebungsverbots" die Abschiebung eines Fremden in ein bestimmtes Land als gesetzwidrig, sei aber auch die Anhaltung in Schubhaft zum Zwecke der Sicherung dieser gesetzwidrigen Abschiebung gesetzwidrig.

Im Sinne der oben dargestellten Rechtslage war der unabhängige Verwaltungssenat daher allein berechtigt und verpflichtet, bei der Prüfung, ob die bisherige Schubhaft rechtswidrig war, in den soeben angeführten Grund für die behauptete Rechtswidrigkeit einzugehen. Damit scheiden andere Überlegungen des unabhängigen Verwaltungssenates für die Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft bei der Prüfung des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides aus, sodaß darauf nicht einzugehen ist.

Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 7. April 1995, Zl. 94/02/0501), daß im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Überprüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht im Rahmen der Erledigung einer Schubhaftbeschwerde zu erfolgen hat. Diese Möglichkeit war im konkreten Fall auch gegeben, weil ein solcher Antrag zwar gemäß § 54 Abs. 2 FrG nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden kann, doch ist dies bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens, also auch noch im Rahmen des zweitinstanzlichen Aufenthaltsverbotsverfahrens zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0472). Das diesbezügliche Verfahren, betreffend das auf das FrG gestützte Aufenthaltsverbot gegen E, hat mit dem am 26. Februar 1993 - also nach dem Inkrafttreten des FrG am 1. Jänner 1993 (vgl. § 86 leg. cit.) - erlassenen (zugestellten) Berufungsbescheid geendet. E hatte daher die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG, sodaß es nicht in die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates fiel, die Frage der Unzulässigkeit einer Abschiebung in das Heimatland zu prüfen.

Dem vorliegenden Antrag des Landesgerichtes Wels war daher stattzugeben und die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Grunde des § 67 VwGG festzustellen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte