VwGH 95/02/0072

VwGH95/02/00727.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerden der M in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen die beiden Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wr. Neustadt, vom 30. Jänner 1995, Zl. Senat-NK-94-419, sowie vom 31. Jänner 1995, Zl. Senat-NK-94-420, jeweils betreffend Übertretung der AAV,

Normen

AAV §23 Abs3;
AAV §31 Abs2 litp;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
AAV §23 Abs3;
AAV §31 Abs2 litp;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

I., den Beschluß gefaßt:

Die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 30. Jänner 1995 wird abgelehnt.

II.

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 31. Jänner 1995 wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

A. Aufgrund des jeweiligen Beschwerdevorbringens sowie des Inhalts der jeweils angefochtenen Bescheide ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Straferkenntnis vom 17. März 1994 erkannte die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen die Beschwerdeführerin jeweils als bestellte verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 (Abs. 2) VStG für die Einhaltung von Dienstnehmerschutzbestimmungen der B-AG betreffend die Filiale im Standort G mehrerer Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) für schuldig. Anläßlich der Überprüfung durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Wiener Neustadt am 25. Februar 1993 sei festgestellt worden:

1. Die Belichtungsflächen des Verkaufsraumes entsprächen aus näher dargelegten Umständen nicht dem im § 8 Abs. 1 AAV geforderten Ausmaß;

2. der westliche Notausgang sei durch ein Regal für Kleidung und durch ein Regal für Körperpflegemittel verstellt und zudem versperrt sowie

3. der östliche Notausgang durch die Lagerung von Getränkekisten (Mineralwasser) verstellt gewesen.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz erkannte demzufolge die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Punktes 1. der Übertretung des § 8 Abs. 1 AAV in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p ASchG für schuldig und verhängte über sie eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,--; zu Punkt 2. und 3. des Straferkenntnisses wurde die Beschwerdeführerin der Übertretung des § 23 Abs. 3 AAV für schuldig erkannt und gemäß § 31 Abs. 2 lit. p ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von je S 20.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von je 10 Tagen verhängt. Gleichzeitig wurde jeweils ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt.

Die dagegen allein hinsichtlich des Strafausmaßes erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 1995 betreffend Punkt 1. (durch das Einzelmitglied) sowie mit Bescheid vom 31. Jänner 1995 hinsichtlich der Punkte 2. und 3. (durch die Kammer) jeweils als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese beiden Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat beschlossen, die beiden Rechtssachen wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

B. Zu I. (Bescheid vom 30. Jänner 1995):

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenat in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt auch von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. insbesondere die Ausführungen zu II).

Zu II. (Bescheid vom 31. Jänner 1995):

Soweit sich die Beschwerdeführerin darauf beruft, "daß die einzelnen in der Nähe von Notausgängen abgestellten Gegenstände nur kurzfristig im Zuge der Manipulation von Waren dort abgestellt wurden und daher eine dauerhafte Verstellung von Notausgängen keinesfalls vorhanden" gewesen sei, übersieht sie, daß gemäß § 23 Abs. 3 AAV Notausgänge und Notausstiege sowie die Zugänge zu diesen durch Lagerungen AUCH VORÜBERGEHEND nicht verstellt sein dürfen. Der Zweck dieser Vorschrift - nämlich die Benützung der Notausgänge und Notausstiege JEDERZEIT zu ermöglichen - ist klar und wohl für jedermann leicht einsichtig.

Soweit die Beschwerdeführerin davon ausgeht, daß eine "Schädigung von Arbeitnehmerinteressen" durch die vorgeworfene Tat nicht verwirklicht wurde und eine "Gefährdung der Arbeitnehmerschutzinteressen oder sonstige mit der Tat verbundene nachteilige Folgen" ebenfalls nicht eingetreten seien, so hat diesbezüglich die belangte Behörde bereits zutreffend darauf verwiesen, daß der zufällige Nichteintritt einer Notfallssituation nicht in der Ingerenz der Beschwerdeführerin lag. Es kann also weder von einem äußerst geringen Unrechtsgehalt der Tat noch von einem "minimalen Verschulden" der Beschwerdeführerin ausgegangen werden.

Auch ist - selbst nach den Beschwerdeausführungen - nicht von einer "Mitwirkung an der Aufklärung" des Sachverhaltes als Milderungsgrund auszugehen, behauptet die Beschwerdeführerin doch nur, den ihr zur Last gelegten Sachverhalt nicht bestritten zu haben.

Aber auch soweit die Beschwerdeführerin von einem "längerfristigen Wohlverhalten" als Milderungsgrund ausgeht, kann ihr - zumindest im Ergebnis - nicht gefolgt werden: Die belangte Behörde hat mehrfache einschlägige Vorstrafen der Beschwerdeführerin festgestellt, so solche der Übertretung des § 8 Abs. 1 AAV und des § 23 Abs. 3 AAV (Bescheid vom 31. März 1992) und weitere vier Übertretungen des § 9 AZG. Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß ein längerer Zeitraum seit Begehung der Taten vergangen ist, kann von einem länger dauernden Wohlverhalten iSd § 34 Z. 18 StGB nicht gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0344).

Schließlich ist den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen, warum es rechtlich unrichtig sein sollte, daß zwei Übertretungen des ASchG als Erschwerungsgründe gewertet wurden (vgl. dagegen § 33 Z. 1 StGB).

Im Hinblick auf die im § 19 VStG vorgesehene Abwägung der dort angeführten Kriterien für die Bemessung von Geldstrafen kann - bei einem Strafrahmen bis zu S 50.000,-- - selbst bei durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht von einer unangemessen hohen Strafe gesprochen werden.

Da im vorliegenden Fall bereits aus dem Beschwerdeinhalt zu erkennen ist, daß die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

C. Im Hinblick auf die Spruchpunkte I. und II. erübrigt sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihren Beschwerden jeweils aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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