VwGH 95/01/0056

VwGH95/01/005617.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über den Antrag des M in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zusammenhang mit der nur teilweisen Erfüllung eines Mängelbehebungsauftrages in dem zur Zl. 94/01/0625 beim Verwaltunsgerichtshof geführten Verfahren, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1994, B 56/94-6 u.a., wurde die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1994, Zl. 4.337.125/2-III/13/92, gemäß Art. 144 Abs. 2 abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Mit dem hg. Beschluß vom 26. August 1994, Zl. 94/01/0625-2, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die Beschwerde insoweit zu verbessern, als das Recht, in dem die beschwerdeführende Partei verletzt zu sein behauptet, bestimmt zu bezeichnen, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze, anzuführen, ein entsprechend bestimmtes Begehren gemäß § 42 Abs. 2 VwGG zu stellen und außer dem ergänzenden Schriftsatz in zweifacher Ausfertigung eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde für die belangte Behörde beizubringen seien. Als Frist zur Mängelbehebung wurden vier Wochen eingeräumt. Der Verbesserungsauftrag wurde dem Beschwerdevertreter am 28. September 1994 zugestellt. In einem Kuvert mit dem Postaufgabedatum vom 25. Oktober 1994, das beim Verwaltungsgerichtshof am 27. Oktober 1994 eingelangt ist, befand sich unter anderen Schriftsätzen der Rechtsanwälte Dr. T, Dr. P und Dr. W eine Beschwerdeausfertigung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde des Antragstellers. Damit war dem angeführten Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes nur teilweise entsprochen worden. Das Beschwerdeverfahren wurde daher wegen Unterlassung der Behebung von Mängeln gemäß §§ 33 und 34 Abs. 2 VwGG mit Beschluß vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0625-5, eingestellt.

Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wird geltend gemacht, daß sich aus dem angeführten hg. Beschluß

Zl. 94/01/0625-5, nicht ableiten lasse, welchen Maßnahmen der Beschwerdeführer nicht nachgekommen sei. Tatsächlich sei der Beschwerdeführervertreter sämtlichen Erfordernissen, welche mit seiner Tätigkeit als beruflicher Parteienvertreter verbunden sei, "mit sämtlicher Sorgfalt" nachgekommen. Sollten irgendwelche Schriftstücke unvollständig oder nicht zweifach sowie irgendwelche Originale nicht beigelegt worden sein, so könne dies nur aufgrund eines unerklärbaren Fehlers bei der Abfertigung der Schriftstücke passiert sein. Sämtliche Sekretärinnen, welche mit der Abfertigung von Schriftstücken in der alten Kanzlei des Beschwerdevertreters betraut gewesen seien, seien bereits länger beschäftigte Kanzleisekretärinnen, denen derartige Vorkommnisse, wie sie unter Umständen dem gegenständlichen Beschluß zugrundeliegen dürften, niemals unterlaufen seien. Ein allenfalls tatsächlich vorliegender Fehler der Kanzleisekretärin sei für den Beschwerdeführer nicht voraussehbar und stelle für diesen ein unabwendbares Ereignis dar. Von diesem Ereignis habe der Beschwerdeführer erst durch die Zustellung des Einstellungsbeschlusses am 20. Februar 1995 Kenntnis erlangt. Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag wurde am 6. März 1994 zur Post gegeben und ist somit gemäß § 46 Abs. 3 VwGG rechtzeitig binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses gestellt worden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 564/1985, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Zunächst ist festzustellen, daß gemäß dem hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Slg. Nr. 12.742/A, die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt wird, wenn dem Auftrag nicht, sondern auch dann, wenn ihm nur unvollständig entsprochen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber den Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muß den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen u. a. dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Wiedereinsetzung steht nicht entgegen, wenn dem Rechtsanwalt nur ein minderer Grad des Versehens vorgeworfen werden kann. Der - aus der Zivilprozeßordnung in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 übernommene - Begriff des minderen Grades des Versehens wird im Bereich der Zivilprozeßordnung, z.B. von Fasching im Lehrbuch des österreichischen Zivilprozesses, Rz. 580, als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürften also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen haben. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten seien diesen zuzurechnen und ermöglichten jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen seien (vgl. den hg. Beschluß vom 24. September 1986, Zlen. 86/11/0132, 0133, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall ist für den Verwaltungsgerichtshof entscheidend, ob einer Kanzleiangestellten des Vertreters des Beschwerdeführers eine Fehlleistung unterlaufen ist, die eine wirksame und dem Rechtsanwalt ansonsten gebotene Kontrollpflicht ohne sein Verschulden ausschloß. Schon im Hinblick darauf, daß im Antrag auf Wiedereinsetzung nicht einmal näher präzisiert wird, welche der mehreren Kanzleiangestellten in der "alten" Kanzlei des Beschwerdevertreters die Abfertigung der in Frage stehenden Beschwerde vorgenommen hat, kann dies nicht bejaht werden. Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag bietet auch keinerlei Grundlagen dafür, um annehmen zu können, es liege eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung einer Kanzleiangestellten des Beschwerdevertreters bei der Abfertigung der verbesserten Beschwerde vor.

Dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat nicht stattzugeben.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters zu dem zu Zl. AW 95/01/0031 gestellten Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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