VwGH 94/18/0987

VwGH94/18/098719.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. September 1994, Zl. SD 738/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;
SGG;
StGB §43;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;
SGG;
StGB §43;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. September 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Entscheidung liegt in sachverhaltsmäßiger Hinsicht die Verurteilung des Beschwerdeführers durch den Jugendgerichtshof Wien zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 erster Fall, Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz (SGG) und der Vergehen nach §§ 14a und 16 Abs. 1 leg. cit. (Urteil vom 14. Mai 1993) zugrunde. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht; auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.

Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG anlangt, kam die belangte Behörde - unter Zugrundelegung eines mit dieser Maßnahme verbundenen schwerwiegenden Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers - zu dem Ergebnis, daß dieses zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität) dringend geboten sei, was für den vorliegenden Fall in besonderem Maß im Hinblick darauf zutreffe, daß der Beschwerdeführer auch wegen § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG (Tatbegehung in bezug auf eine sogen. "Übermenge") verurteilt worden sei. Daran vermöge weder der Umstand, daß der Beschwerdeführer unter bedingter Strafnachsicht verurteilt worden sei, noch der weitere Umstand, daß er seinen Angaben zufolge seit über einem Jahr keinen Kontakt mehr zur Suchtgiftszene habe, etwas zu ändern. Denn zum einen habe die Fremdenbehörde die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach anderen Kriterien als das Strafgericht die Voraussetzungen für die bedingte Strafnachsicht zu beurteilen; zum anderen stelle das Verstreichen eines Zeitraumes von etwa einem Jahr während der Probezeit im Hinblick auf die bei Suchtgiftdelikten bestehende, diesen geradezu wesensimmanente Wiederholungsgefahr unter keinen Umständen eine Garantie für künftiges Wohlverhalten dar.

Hinsichtlich der Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie sei davon auszugehen, daß die Eltern des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1977 in Österreich lebten, daß der 1973 geborene, nunmehr großjährige Beschwerdeführer erst im Jahr 1989 bei ihnen Aufenthalt genommen, also bis zu seinem 16. Lebensjahr in seiner Heimat gelebt habe. Bei dieser Sachlage könne auch unter Bedachtnahme darauf, daß der Beschwerdeführer hier eine Ausbildung als Elektriker absolviert und seit einem Monat eine entsprechende Beschäftigung habe, sowie auf die von ihm ins Treffen geführte Krankheit den Auswirkungen auf seine Lebenssituation kein derart großes Gewicht beigemessen werden, daß diese die besonders schwerwiegenden Nachteile einer Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes überwögen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß auf dem Boden des maßgeblichen Sachverhaltes der gerichtlichen Verurteilung wegen mehrerer Verbrechen bzw. Vergehen nach dem Suchtgiftgesetz der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft.

Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung durch die belangte Behörde keine Bedenken und verweist im übrigen hinsichtlich des Dringend-geboten-seins eines Aufenthaltsverbotes (§ 19 FrG) in Fällen wie dem vorliegenden auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0600, mwN).

2.1. Die Beschwerde erachtet die von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Dies mit der Begründung, daß der gerichtlichen Entscheidung nicht Rechnung getragen werde, weil die belangte Behörde nur auf die Dauer der Freiheitsstrafe und nicht auf die bedingte Strafnachsicht Bedacht genommen habe. Das Gericht habe aus spezialpräventiven Gründen eine außerordentlich schwere Strafe verhängt, weil es den Beschwerdeführer hinsichtlich der Qualifikation der "Übermenge" nach § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG und der Gewerbsmäßigkeit nach § 12 Abs. 2 leg. cit. schuldig erkannt habe, wobei jedoch zu berücksichtigen sei, daß bezüglich beider Qualifikationen ein "eindeutiger Grenzfall" vorliege. Dadurch aber, daß das Gericht die verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze bedingt nachgesehen habe, sei letztlich zum Ausdruck gebracht worden, daß der Beschwerdeführer keine Gefahr für die Gesellschaft darstelle. Was im besonderen die "Übermenge" betreffe, hätte die belangte Behörde den Richtlinien des beim BMG eingerichteten Suchgiftbeirat "auf jeden Fall mehr Bedeutung schenken müssen". Da unter Berücksichtigung der dort genannten Grenzmengen eine Verurteilung nach § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG gar nicht erfolgt wäre, sei die Entscheidung der belangten Behörde, die die Verurteilung nach dieser Gesetzesstelle als wesentlich erachtet habe, in ihrer wichtigsten Grundlage unterhöhlt.

2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit der Interessenabwägung und des daraus gewonnenen Ergebnisses nicht darzutun.

Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde die ihr nach § 20 Abs. 1 FrG aufgetragene Abwägung ohne Bindung an die im Gerichtsurteil zur Frage der bedingten Strafnachsicht angestellten Erwägungen selbständig, und zwar ausschließlich aus dem Blickwinkel der von ihr anzuwendenden fremdenrechtlichen Normen, vorzunehmen hatte. Dabei wurde von der belangten Behörde auf sämtliche auch in der Beschwerde hervorgehobenen, zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände Bedacht genommen. Wenn die belangte Behörde dennoch zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Verhängung dieser Maßnahme, so kann ihr angesichts der das öffentliche Interesse an dem Aufenthaltsverbot begründenden schweren und mehrfachen Verstöße des Beschwerdeführers gegen das Suchtgiftgesetz nicht entgegengetreten werden. Das mit der Beschwerde vorgelegte Urteil vom 14. Mai 1993 dokumentiert in anschaulicher Weise die vom Beschwerdeführer bzw. dessen (weiteren) Aufenthalt in Österreich ausgehende schwere Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen. Daß gerade die im angefochtenen Bescheid unterstrichene Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG, aber auch jene gemäß § 12 Abs. 2 erster Fall leg. cit. (Gewerbsmäßigkeit) diese Gefährdung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Gesundheit, noch zu steigern geeignet ist, bedarf keiner näheren Darlegungen. Dem in der Beschwerde unternommenen Versuch, die Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Rechtsbrüche mit dem Hinweis auf das angebliche Vorliegen eines "Grenzfalles" hinsichtlich beider Qualifikationen herunterzuspielen, kann schon im Hinblick auf das diese Qualifikationen bejahende, in Rechtskraft erwachsene (Gegenteiliges wird in der Beschwerde nicht behauptet), Urteil vom 14. Mai 1993 kein Erfolg beschieden sein. Eine Bedachtnahme seitens der belangten Behörde auf die Richtlinien des Suchtgiftbeirates bezüglich der "Übermenge" war durchaus entbehrlich.

Zusammenfassend vertritt somit der Gerichtshof die Auffassung, daß das von der belangten Behörde aus der Gegenüberstellung der privaten und familiären Interessen einerseits und der öffentlichen Interessen andererseits gewonnene Ergebnis eines Überwiegens der zuletzt genannten mit dem Gesetz in Einklang steht. Dies umso mehr als nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Suchtgiftdelikten in Anbetracht der großen Wiederholungsgefahr selbst bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtswidrig ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 94/18/0600 und die dort angeführten Entscheidungen). Von daher gesehen ist das in der Beschwerde ins Treffen geführte "zweijährige Wohlverhalten" des Beschwerdeführers keineswegs geeignet, eine positive Zukunftsprognose zu stellen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0555), noch dazu, wo das "Wohlverhalten" in die (dreijährige) Probezeit fällt.

3. Bei diesem Ergebnis ermangelt der Verfahrensrüge, wonach dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt worden sei, die Relevanz.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung in der Hauptsache erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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