VwGH 94/18/0402

VwGH94/18/040221.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Mai 1994, Zl. SD 366/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Mai 1994 wurde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß die Beschwerdeführerin in Tunesien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Die Beschwerdeführerin habe keinerlei konkrete Angaben vorgebracht, die es nachvollziehbar machen würden, daß sie aufgrund ihrer politischen Ansichten in ihrem Heimatstaat um ihr Leben oder ihre Freiheit fürchten müßte. Ihr Vorbringen, daß sie nach der Ausreise ihres Ehegatten mehrmals auf der Polizeidienststelle über dessen Aufenthalt befragt worden sei, sei ebensowenig geeignet, eine persönliche Bedrohung der Beschwerdeführerin i. S. des § 37 FrG zu untermauern, wie die von ihr vorgelegte Kopie einer behördlichen Vorladung zur Gendarmeriedirektion in Sousse, zumal aus den Angaben der Beschwerdeführerin zu ersehen sei, daß sie bis zum Jahr 1992 ohne jegliche Probleme in Tunesien habe leben und arbeiten können. Daß sie im Kindergarten ihrer Gemeinde nicht mehr habe arbeiten dürfen, sei auf ihre unpassende Kleidung zurückzuführen gewesen. Ihre Suspendierung könne nicht als Bedrohung i.S. des § 37 FrG angesehen werden. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei Anfang Dezember 1992 zwei Tage in Untersuchungshaft genommen, dort mißhandelt und gezwungen worden, eine Vollmacht für eine Scheidung von ihrem Gatten zu unterschreiben, sei zu bemerken, daß eine derartige Vorgangsweise der Behörden aus logischen Überlegungen nicht nachvollziehbar sei. Es gehe auch aus den Berufungsausführungen in keiner Weise hervor, weshalb die tunesischen Stellen ein Interesse daran gehabt haben sollten, daß sich die Beschwerdeführerin von ihrem Gatten scheiden lasse. Wenn sie dabei tatsächlich mißhandelt und zur Scheidung gezwungen worden sein sollte, so stelle dieses Vorgehen der Beamten ein gesetzwidriges Verhalten dar, von dem die Beschwerdeführerin zumutbarerweise die zuständige Oberbehörde hätte in Kenntnis setzen können. Im übrigen seien solche Übergriffe als selbständige Handlungen von Einzelpersonen anzusehen, die sich nicht als vom Staat initiierte Verfolgungshandlungen darstellten. Was die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Kopie eines (gegen sie ergangenen) Gerichtsurteiles betreffe, so hege die belangte Behörde Zweifel an der Echtheit dieses Dokumentes, zumal die Beschwerdeführerin jegliche Erklärung vermissen lasse, wie sie in den Besitz dieses Urteiles, aus dem weder die Höhe des Strafausmaßes noch die Durchsetzbarkeit noch die Benennung des "unerlaubten Vereins" (dessen Mitglied die Beschwerdeführerin sein solle) zu ersehen sei, gekommen sei. Ebensowenig glaubwürdig erscheine die Behauptung, die Beschwerdeführerin sei aktives Mitglied der verbotenen En-Nahda-Bewegung gewesen. Das aktive Eintreten für eine Organisation sei nämlich nur dann glaubhaft, wenn der Betreffende hinreichende Kenntnisse über die Zielsetzung, örtliche Struktur und Arbeitsweise dieser Organisation nachweise und seinen Beitritt, seine Motive und Tätigkeiten im einzelnen in zeitlich und örtlich nachvollziehbarer Weise darlege. Auch diesbezüglich habe die Beschwerdeführerin nichts Konkretes vorgebracht.

Zutreffend habe schließlich die Erstbehörde den Beweisanträgen der Beschwerdeführerin, beim Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte die derzeitige Situation in Tunesien zu erheben, nicht entsprochen, weil eine solche Anfrage lediglich allgemeine Hinweise auf die Situation im Heimatland der Beschwerdeführerin ergeben könne, wogegen vorliegend der Umstand entscheidungsrelevant sei, ob eine persönliche Bedrohung der Beschwerdeführerin i.S. des § 37 FrG geltend gemacht werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Einem Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann stattgegeben werden, wenn der Fremde glaubhaft macht, daß er aktuell in dem von ihm bezeichneten Staat i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gefährdet bzw. bedroht sei (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0381, und vom 3. März 1994, Zl. 93/18/0538). Daß der Beschwerdeführerin die Glaubhaftmachung einer solchen aktuellen Gefährdung und/oder Bedrohung gelungen sei, wurde von der belangten Behörde verneint. Der Gerichtshof vermag die dieser Beurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung im Rahmen der ihm obliegenden eingeschränkten Prüfung (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht als rechtswidrig zu erkennen. Weder ist es der Beschwerde gelungen, insoweit einen Verstoß der belangten Behörde gegen die Denkgesetze oder die allgemeine Lebenserfahrung aufzuzeigen, noch hegt der Gerichtshof von sich aus Bedenken in dieser Hinsicht.

Soweit die Beschwerde der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt eines behauptetermaßen mangelhaften Ermittlungsverfahrens zum Vorwurf macht, zur Frage, warum die tunesischen Behörden Interesse an der Scheidung der Beschwerdeführerin von ihrem Gatten gehabt haben sollten, die Beschwerdeführerin nicht einvernommen zu haben, weiters die tatsächlichen Verhältnisse in bezug auf die Anrufbarkeit zuständiger Oberbehörden in ihrem Heimatland nicht erhoben zu haben, und ferner nicht durch "entsprechende Erhebungen" festgestellt zu haben, wie die Beschwerdeführerin in den Besitz des sie betreffenden Gerichtsurteiles gelangt sei, tut sie jedenfalls keinen relevanten Verfahrensmangel dar, verabsäumt sie es doch aufzuzeigen, zu welchem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis die belangte Behörde bei Vornahme der vermißten Ermittlungen gelangt wäre.

Was schließlich die angeblichen Begründungsmängel anlangt, so ist im bekämpften Bescheid durchaus nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Behauptung der Beschwerdeführerin, aktives Mitglied der En-Nahda-Bewegung gewesen zu sein, nicht glaubwürdig sei; des weiteren ist nicht erkennbar und wird in der Beschwerde auch dazu nichts Konkretes vorgebracht, inwieweit lediglich eine Scheinbegründung vorliege, wenn die belangte Behörde aus den von ihr angeführten und nicht unschlüssig erscheinenden Erwägungen Ermittlungen über die derzeitige (menschenrechtliche) Situation in Tunesien für nicht zielführend erachtet hat.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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