VwGH 94/03/0261

VwGH94/03/026130.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der Gemeinde X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Juli 1994, Zl. KUVS-K1-53/9/94, betreffend freihändige Verpachtung einer Gemeindejagd, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §3 Z3;
JagdG Krnt 1978 §33 Abs1 litb;
JagdG Krnt 1978 §33 Abs2;
JagdG Krnt 1978 §33 Abs6;
JagdRallg;
JN §66 Abs1;
VwRallg;
AVG §3 Z3;
JagdG Krnt 1978 §33 Abs1 litb;
JagdG Krnt 1978 §33 Abs2;
JagdG Krnt 1978 §33 Abs6;
JagdRallg;
JN §66 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen vom 25. November 1993 wurde der Beschluß des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde X vom 4. Mai 1993 auf freihändige Verpachtung des Jagdausübungsrechtes in der Gemeindejagd "K" an den Jagdverein "G" vom 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 2000 gemäß § 33 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 und Abs. 5 des Kärntner Jagdgesetzes 1978, LGBl. Nr. 76/1978 (JG), genehmigt. Gegen diesen Bescheid erhoben einzelne Grundeigentümer im Sinne des § 33 Abs. 9 JG Berufung. Sie brachten u.a. vor, Mitglieder des Jagdvereines "G" seien Hermann K, Thomas P, Dr. Harald B, Georg J und Werner A. Hermann K und Dr. Harald B hätten ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in der Gemeinde X. Auch Georg J habe seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in X; sein Wohnsitz befinde sich vielmehr in H. Dort wohne er mit seiner Familie und seine Kinder besuchten dort die Schule. Seine X anführende Anschrift sei irreführend, weil sich an jener Adresse lediglich eine Zuhube befinde, die keinesfalls als Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Betätigung angesehen werden könne. Werner A halte sich derzeit in Kanada auf. Der Jagdverein "G" erfülle somit nicht die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 lit. b JG, weil nicht der überwiegende Teil seiner Mitglieder den ordentlichen Wohnsitz in der Gemeinde X habe.

Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme zur Berufung u.a. vor, Georg J habe zwar einen Wohnsitz in H, einen weiteren aber in G, Gemeinde X. Georg J habe in G eine Landwirtschaft mit Milchkühen zu betreuen. Seine Gattin und seine Kinder wohnten in H, weil die Kinder dort die besseren Möglichkeiten zum Schulbesuch hätten. Georg J müsse ständig in G seine Milchkühe versorgen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und versagte dem Beschluß des Gemeinderates der Beschwerdeführerin die Genehmigung. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht traf sie u.a. die Feststellung, Georg J sei seit 1. Jänner 1993 in der Gemeinde X gemeldet. Er sei seit seiner Geburt in H wohnhaft. Er sei verheiratet und habe drei Kinder im Alter von 9, 7 und 2 Jahren. Die schulpflichtigen Kinder besuchten die Schule in H. Georg J sei Vollerwerbslandwirt und habe seit 1. Dezember 1987 den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters in H gepachtet. Die Pachtliegenschaften hätten ein Ausmaß von 147 ha, wobei 105 ha in der Gemeinde X und 42 ha in der Gemeinde H lägen. In G befände sich eine Zuhube, welche von Georg J mitbewirtschaftet werde. Diese bestünde aus drei Gebäuden, nämlich einem Haus, einem Stall und einem Nebengebäude. Die Baulichkeiten gehörten Georg Js Vater. Die in H eingestellten Rinder (ca. 50 Stück) würden jeweils Ende Mai auf die Alm nach G aufgetrieben und blieben bis zum Schneefall dort. Auch die Milchkühe verbrächten den Sommer auf der Zuhube. Die Gattin von Georg J sei Bäuerin und halte sich vorwiegend in H auf. Sie sei nur fallweise auf der Zuhube anwesend. In den Sommermonaten würden die auf der Zuhube in G gehaltenen Kühe täglich gemolken, die Milch werde von dort nach H gebracht. Am 4. Juni 1993 hätten sich die Rinder noch in G befunden. Georg J sei Mitglied des Gesangsvereines in H und Mitglied des Jagdvereines H I. Für die Landtagswahl am 13. März 1994 sei er in der Wählerevidenz der Gemeinde H eingetragen gewesen. Gleiches gelte für die letzte Bundespräsidentenwahl. In H befänden sich mehrere Betriebsgebäude (Rinderstall, Schweinestall, Maschinenhütte, Getreidekasten, Räuchergebäude) sowie ein Wohnhaus des Georg J. Die Gattin und die Kinder des Georg J seien nur in H gemeldet. Georg J habe nach seinen eigenen Angaben die polizeiliche Meldung in der Gemeinde X ab 1. Jänner 1993 wegen der heranstehenden verfahrensgegenständlichen Jagdvergabe vorgenommen. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, Georg J habe seinen ordentlichen Wohnsitz in H. Umstände, die einen weiteren ordentlichen Wohnsitz in G, Gemeinde X, begründen hätten können, lägen nicht vor. Die Tatsache der Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Nutzflächen allein vermöge einen ordentlichen Wohnsitz nicht zu begründen. Dies auch dann nicht, wenn aus dieser Bewirtschaftung ein Großteil der Erträgnisse einer Vollerwerbslandwirtschaft erwüchsen. Gesellschaftlich sei Georg J in der Gemeinde X überhaupt nicht integriert gewesen. Die Vereinsmitglieder Hermann K und Dr. Harald B hätten unbestrittenermaßen keinen Wohnsitz in der Gemeinde X. Da somit zumindest drei der fünf Vereinsmitglieder zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei keinen ordentlichen Wohnsitz in der Gemeinde X gehabt hätten, seien die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 lit. b JG nicht erfüllt, sodaß dem Verpachtungsbeschluß die Genehmigung versagt werden müsse. Hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise werde auf § 33 Abs. 6 JG hingewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 33 JG lautet:

"Verpachtung aus freier Hand

(1) Die Verpachtung des Jagdausübungsrechtes in einer Gemeindejagd aus freier Hand ist nur zulässig, wenn sie im Interesse eines geordneten Jagdbetriebes liegt, den Interessen der Land- und Forstwirtschaft nicht widerspricht und wenn

  1. a) die Jagd an den bisherigen Pächter vergeben wird, oder
  2. b) die Jagd an eine Jagdgesellschaft, deren Mitglieder zum überwiegenden Teil ihren ordentlichen Wohnsitz in der Gemeinde haben, oder an einen Einzelpächter (Mitpächter), der in der Gemeinde ortsansässig ist, vergeben wird, oder ...
  3. c) ...
  4. d) ...

(2) Zur Verpachtung des Jagdausübungsrechtes in einer Gemeinde aus freier Hand ist in den Fällen des Abs. 1 lit. a, b und d auch die Zustimmung des Jagdverwaltungsbeirates (§ 94) erforderlich. Die Beschlußfassung über die Verpachtung des Jagdausübungsrechtes in einer Gemeinde obliegt dem Gemeinderat. Hat sich der Jagdverwaltungsbeirat für eine Verpachtung aus freier Hand ausgesprochen oder liegt ein Fall des Abs. 1 lit. c vor, ist für einen Beschluß des Gemeinderates, daß eine Verpachtung aus freier Hand nicht erfolgen soll, eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

(3) ...

(4) ...

(5) Der Beschluß auf freihändige Verpachtung nach Abs. 1 lit. a, b und d ist unter Angabe des Pachtwerbers, des Pachtzinses, einschließlich eines allfälligen Hinweises auf seine Wertsicherung, der Pachtdauer und des Jagdgebietes durch Anschlag an der Amtstafel mit dem Beifügen öffentlich zu verlautbaren, daß von den Eigentümern (Abs. 9) der die Gemeindejagd bildenden Grundstücke innerhalb von zwei Wochen nach Anschlag an der Amtstafel beim Gemeindeamt schriftlich jene Einwendungen vorgebracht werden können, die gegen die beschlossene Verpachtung aus freier Hand sprechen. Der Beschluß auf freihändige Verpachtung ist der Bezirksverwaltungsbehörde nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist mit allenfalls eingelangten Einwendungen zur Genehmigung vorzulegen. Gegen die Genehmigung der freihändigen Verpachtung steht nur jenen Eigentümern das Recht der Berufung zu, die innerhalb der Einspruchsfrist Einwendungen gegen die freihändige Verpachtung erhoben haben.

(6) Wird die freihändige Verpachtung von der Bezirksverwaltungsbehörde aus Gründen nicht genehmigt, die nicht ausschließlich in Verfahrensmängeln liegen, so ist die öffentliche Versteigerung anzuordnen.

(7) Wird gegen die Genehmigung einer Verpachtung aus freier Hand berufen, so bleibt derjenige, dem die Jagd verpachtet wurde, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verpachtung Pächter der Jagd (einstweiliger Pächter).

(8) ...

(9) Eigentümer im Sinne der Abs. 1 lit. c, 3 und 5 sind nur die Eigentümer jener die Gemeindejagd bildenden Grundstücke (Grundflächen), die jagdlich nutzbar sind und auf denen die Jagd nicht ruht."

Die Beschwerdeführerin rügt als Rechtswidrigkeit des Inhaltes, daß die belangte Behörde einen ordentlichen Wohnsitz des Georg J in der Gemeinde X nicht angenommen habe. Weil Georg J sich erst am 1. Jänner 1993 entschlossen habe, seinen weiteren ordentlichen Wohnsitz in X zu begründen, sei er noch nicht in der Lage gewesen, sein gesellschaftliches Leben dorthin zu verlegen. Der Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen und beruflichen Betätigung befände sich jedoch in X. Daß dies für die gesellschaftliche Betätigung (noch) nicht gelte, stehe der Annahme eines Wohnsitzes nicht entgegen. Georg J habe bei seiner Einvernahme deponiert, daß er seinen weiteren ordentlichen Wohnsitz nicht zuletzt deshalb in X begründet habe, um auf den von ihm gepachteten und in Zukunft in sein Eigentum übergehenden Liegenschaften selbst die Jagd ausüben zu können. Bereits dieses Motiv allein stelle eine gesellschaftliche Betätigung dar. Im übrigen sei die Mitgliedschaft an einer Jagdgesellschaft der Mitgliedschaft an einem Gesangsverein zumindest gleichwertig. Es sei auch verfassungsrechtlich bedenklich, einen Grundbesitzer - Georg J sei als Grundbesitzer anzusehen - mit dem Hinweis, er habe keinen ordentlichen Wohnsitz auf dem von ihm bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, von der Jagd auszuschließen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1987, Zl. 87/03/0189) wird der Ausdruck "Wohnsitz", wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird, stets in dem Sinne verstanden, den § 66 Abs. 1 JN hiefür gesetzt hat. Gemäß § 66 Abs. 1 JN ist der Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der Begriff des Wohnsitzes schließt demnach ein Zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung in einem Orte - und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Die Begründung eines Wohnsitzes setzt einen tatsächlichen ununterbrochenen Aufenthalt an diesem Ort nicht voraus, vielmehr kann auch ein aus einem bestimmten Anlaß zeitlich beschränkter Aufenthalt einen Wohnsitz begründen, wobei der polizeilichen Anmeldung kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist. Eine Person kann auch mehrere Wohnsitze haben, wobei die Begründung eines neuen Wohnsitzes noch nicht bedeutet, daß der alte Wohnsitz aufgegeben werden muß.

Der Umstand, daß ein (großer) Teil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, den Georg J von seinem Vater gepachtet hat und bewirtschaftet, in X liegt und Georg J sich daher aus beruflichen Gründen regelmäßig in X aufhält, vermag entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin einen Wohnsitz in X nicht zu begründen. Die Beschwerdeführerin trägt selbst vor, daß Georg J täglich die Milch nach H bringe; dort besitzt Georg J ein Wohnhaus und es wohnen dort seine Gattin und seine Kinder. Weder aus den Feststellungen der belangten Behörde noch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, daß Georg J in X (und damit nicht in H) übernachtet habe. Mangels derartiger Übernachtungen fehlt es aber schon an dem für den Begriff des Wohnsitzes wesentlichen tatsächlichen Moment der Niederlassung in X (vgl. nochmals hg. Erkenntnis Zl. 87/03/0189). Davon abgesehen liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die eine allfällige Niederlassungsabsicht äußerlich erkennen ließen und auf einen dauernden Aufenthalt deuten würden. Der polizeilichen Anmeldung ist an sich schon geringes Gewicht beizumessen, wenn aber Georg J vorbringt, die polizeiliche Meldung wegen der anstehenden Jagdvergabe vorgenommen zu haben, so kann daraus zwar auf die Absicht geschlossen werden, als Mitglied einer Jagdgesellschaft oder allenfalls allein ein Jagdausübungsrecht zu pachten, nicht aber auf die Absicht, sich in X dauerhaft niederzulassen. Auch der Umstand, daß Georg J dem Jagdverein "G" beigetreten ist, läßt nicht auf die Niederlassungsabsicht schließen.

Es kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde aufgrund des unstrittigen Sachverhaltes hinsichtlich Georg J keinen Wohnsitz in X angenommen hat.

Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 33 Abs. 1 lit. b JG sind für den gegenständlichen Fall schon deshalb nicht von Relevanz, weil Georg J nicht Eigentümer der Grundstücke in X ist.

Wenn somit die belangte Behörde die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 lit. b JG im gegenständlichen Fall als nicht erfüllt ansah, weil drei der fünf Mitglieder des pachtenden Vereins, nämlich Hermann K, Dr. Harald B und Georg J, ihren ordentlichen Wohnsitz nicht in der Gemeinde X haben, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auf die zusätzlichen Beschwerdeausführungen betreffend den ordentlichen Wohnsitz des weiteren Vereinsmitgliedes Werner A war mangels Relevanz für das Schicksal der Beschwerde nicht einzugehen.

Die Beschwerdeführerin bringt schließlich unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, die belangte Behörde hätte, weil sie den Beschluß des Gemeinderates der Beschwerdeführerin im Instanzenzug nicht genehmigt habe, gemäß § 33 Abs. 6 JG die öffentliche Versteigerung anordnen müssen. Damit verkennt die Beschwerdeführerin, daß die Anordnung der Versteigerung eine von der Genehmigung des Gemeinderatsbeschlusses getrennte Sache ist, deren Unterlassung somit keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides haben kann. Im übrigen ist gemäß § 33 Abs. 6 JG die öffentliche Versteigerung durch die Bezirksverwaltungsbehörde anzuordnen, was auch für den Fall gilt, daß der freihändigen Verpachtung erst im Instanzenzug die Genehmigung versagt wird.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den zu Zl. AW 94/03/0042 protokollierten Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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