VwGH 94/02/0298

VwGH94/02/029812.8.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 17. Mai 1994, Zl. VwSen-101838/3/Bi/Fb, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 1994 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 28. August 1993 um 5.22 Uhr an einem näher beschriebenen Ort die von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Grund der festgestellten Alkoholisierungssymptome berechtigt verlangte "Alkomatentestprobe" verweigert, zumal auf Grund der festgestellten Symptome (wie deutlicher Alkoholgeruch, Rötung der Bindehäute, schwankender Gang, undeutliche Sprache) vermutet werden habe können, daß er kurz nach 4.30 Uhr desselben Tages einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf (näher umschriebenen) Straßen mit öffentlichem Verkehr bis zum Anhalteort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 14.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 280 Stunden) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides nahm die belangte Behörde als erweisen an, daß der Beschwerdeführer in der Nacht vom 27. auf den 28. August 1993 ein Zeltfest besucht und gegen

4.30 Uhr den Pkw gelenkt habe, wobei sich in diesem noch ein Freund befunden habe. An einem näher beschriebenen Ort habe der Beschwerdeführer den Pkw abgestellt, sich auf den Rücksitz gelegt und dort geschlafen, bis er um 5.22 Uhr von zwei Gendarmeriebeamten geweckt worden sei. Diesen sei der mit eingeschalteten Scheinwerfern abgestellte Pkw mit den beiden schlafenden Personen darin aufgefallen, sodaß sie beschlossen hätten, eine sicherheits- und verkehrsüberwachungsdienstliche Überprüfung durchzuführen. Im Verlauf des Gesprächs hätten beide Beamte beim Beschwerdeführer, der laut seinen eigenen und den Angaben des Beifahrers den Pkw bis dorthin gelenkt habe, Alkoholisierungssymptome (deutlichen Alkoholgeruch der Atemluft, gerötete Augenbindehäute, schwankender Gang und undeutliche Sprache) festgestellt, wobei der Beschwerdeführer angegeben habe, beim Zeltfest seit 22 Uhr des Vorabends (näher bezeichneten) Alkohol getrunken zu haben. Er sei daraufhin von einem der beiden Gendarmeriebeamten aufgefordert worden, einen Alkotest mittels Alkomat durchzuführen, den er jedoch mit der Begründung verweigert habe, er habe eine zu große Menge Alkohol konsumiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, im vorliegenden Fall sei es den einschreitenden Gendarmeriebeamten nicht darum gegangen, etwa einer Hilfeleistungspflicht nachzukommen, sondern um "eine Perlustrierung bzw. einen Eingriff in das als Übernachtungsstelle dienende Fahrzeug". Das Fahrzeug sei zu diesem Zeitpunkt "quasi als Wohnwagen" benützt worden. Durch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrechtes im Rahmen dieser Amtshandlung sei der angefochtene Bescheid schon deshalb mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1979, Zl. 855/79 (verstärkter Senat, Slg. Nr. 9975/A), ergebe sich ein Beweisverwertungsverbot, wenn das verfassungsgemäß gewährleistete Hausrecht verletzt worden sei.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem soeben zitierten hg. Erkenntnis ein solcher Rechtssatz nicht. Andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1994, Zl. 93/03/0117, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur), daß sogar eine allfällige Rechtswidrigkeit des Eindringens des Gendarmeriebeamten in die Wohnung des Kfz-Lenkers diesen nicht berechtigt, die dort von ihm verlangte Atemluftprobe zu verweigern; selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer den vorliegenden Sachverhalt damit gleichsetzen wollte, wäre sohin für ihn nichts gewonnen.

Rechtlich unerheblich ist es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 94/02/0242), ob der Beschwerdeführer tatsächlich alkoholisiert war. Richtig ist, daß laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Untersuchung der Atemluft auf Alkohol so lange verlangt werden kann, als noch praktische Ergebnisse der Atemluftprobe erwartet werden können. Bei einem großen Zeitabstand zwischen der Beendigung des Lenkens und der Verweigerung der Atemluftprobe ist die Behörde jedoch verpflichtet, näher zu begründen, warum trotz der verstrichenen langen Zeit noch verwertbare Ergebnisse des Alkotestes zu erwarten gewesen wären; unter einem "großen Zeitabstand" im obigen Sinne hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon einen Zeitraum von 3 Stunden und 40 Minuten verstanden (vgl. das vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl. 86/02/0130). Auch dieser Hinweis führt jedoch nicht zum Erfolg der Beschwerde, hat doch die hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. März 1994, Zlen. 93/02/0305, 0307) in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, bei einem zeitlichen Abstand zwischen Beendigung des Lenkens und Verweigerung der Atemluftprobe von jedenfalls bis zu drei Stunden bedürfe es für die Annahme, daß noch praktische Ergebnisse der Atemluftprobe erwartet werden könnten, keiner besonderen Begründung. Da im Beschwerdefall zwischen dem Zeitpunkt des Lenkens und der Aufforderung zur Atemluftprobe nicht einmal eine Stunde vergangen war, durfte sohin ohne besondere Begründung davon ausgegangen werden, daß noch verwertbare Ergebnisse einer Atemluftprobe zu erwarten waren.

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung weiters vorbringt, bei "bloßem Verdacht" des Lenkens eines Fahrzeuges könne ein Alkotest nicht verlangt werden, so scheint er zu übersehen, daß er ohnedies die Tatsache des Lenkens "um etwa 4.30 Uhr" selbst zugibt.

Im Hinblick auf die obigen Darlegungen ist den von einer verfehlten Rechtsanschauung abgeleiteten Verfahrensrügen der Boden entzogen. Was das Vorbringen des Beschwerdeführers anlangt, die belangte Behörde habe bei Zweifel über den Inhalt der Berufung jedenfalls eine Verhandlung durchzuführen gehabt, so wäre es ihm nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. März 1994, Zl. 93/02/0256) oblegen, die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels darzutun. Ebenso unterläßt es der Beschwerdeführer, konkret darzutun, inwieweit die Beweiswürdigung der belangten Behörde rechtswidrig wäre.

Auch der Hinweis auf die Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch den angefochtenen Bescheid ist verfehlt. Abgesehen davon, daß die ursprüngliche Formulierung des erstinstanzlichen Bescheides nicht Gegenstand der Überprüfung im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist, hat die belangte Behörde durch die Beseitigung überflüssiger Spruchteile lediglich eine sprachliche Verbesserung vorgenommen, wozu sie berechtigt war.

Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof der Anregung des Beschwerdeführers, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 5 Abs. 2 StVO zu stellen, nicht zu folgen. Weshalb - so der Beschwerdeführer - eine "denkunmögliche

Gesetzesanwendung ... gegen den klaren Wortlaut des § 5 Abs. 2"

StVO die letztzitierte Vorschrift verfassungswidrig erscheinen lassen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Auch mit dem Hinweis auf die durch die 19. StVO-Novelle (nachträglich) erfolgte Novellierung des § 5 Abs. 2 StVO ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil damit zur Verfassungsmäßigkeit der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung nichts ausgesagt wird. Der Schuldspruch ist daher frei von Rechtsirrtum.

Aber auch die Strafbemessung ist keineswegs als rechtswidrig zu erkennen. Selbst in Anbetracht der ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers ist die verhängte Strafe auf Grund von zwei einschlägigen Vormerkungen geradezu als sehr milde zu bezeichnen. Daß der Beschwerdeführer "freiwillig" seine Fahrt unterbrochen habe, hat mit der hier in Rede stehenden Tat der Verweigerung der Atemluftprobe nichts zu tun. Schließlich geht auch das Vorbringen in der Beschwerde, das VStG sei insofern verfassungswidrig, als es nicht das Institut der Straffreiheit "bei Selbstanzeige bzw. tätiger Reue" kenne, schon deshalb ins Leere, weil diese Voraussetzungen im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen von vornherein nicht in Betracht kommen.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte