VwGH 94/01/0022

VwGH94/01/002223.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des N in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1993, Zl. 4.314.500/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §6 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art50 Abs1;
B-VG Art50 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art31 Abs1;
FlKonv Art33 Abs1;
GrekoG 1996;
PaßG 1992;
AsylG 1968 §6 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art50 Abs1;
B-VG Art50 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art31 Abs1;
FlKonv Art33 Abs1;
GrekoG 1996;
PaßG 1992;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1993, in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. Juli 1991, ausgesprochen wurde, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem rumänischen Staatsangehörigen, der am 24. April 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 24. Juni 1991, daß er sich "im Zuge seiner Reisebewegung" in Ungarn aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, daß zwar "nach dem Asylgesetz 1991" (gemeint: auf Grund dessen § 25 Abs. 2 erster Satz) am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen seien, dies aber im vorliegenden Beschwerdefall nur deshalb der Fall gewesen sei, weil die belangte Behörde ihre sich aus § 73 Abs. 1 AVG ergebende Verpflichtung, über die (bereits am 12. August 1991 eingebrachte) Berufung ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen, verletzt habe. Die von ihm angestellten Überlegungen, warum es zu dieser Verzögerung gekommen sein könnte (einerseits Verdacht, daß die "Ursache in den bereits längere Zeit vor dem 1.6.1992 bekannt gewordenen, schärferen Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu suchen ist", andererseits mögliche Arbeitsüberlastung), vermögen daran, daß von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits die Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 (und damit auch jene des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit.) anzuwenden waren, nichts zu ändern. Die Ansicht des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte "so entscheiden müssen, als ob die 6monatige Entscheidungspflicht nach § 73 AVG noch nicht abgelaufen wäre und daher nach der alten Rechtslage im Rahmen des Berufungsverfahrens lediglich prüfen dürfen und auch müssen, ob dem Berufungswerber die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 des "alten" Asylgesetzes zukommt", findet im Gesetz keine Deckung. Vielmehr hat der Gesetzgeber in der genannten Übergangsbestimmung generell - also unabhängig davon, ob der Bundesminister für Inneres über die Berufung schon vor dem 1. Juni 1992 hätte entscheiden können oder er dazu sogar verpflichtet gewesen wäre - die Anwendung des Asylgesetzes 1991 für die am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Verfahren ausdrücklich vorgesehen, wobei diesbezüglich - wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. Dezember 1992, B 1035/92 und B 1387/92 und andere, zum Ausdruck gebracht hat - auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/1045). Hatte aber die belangte Behörde demnach die Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 anzuwenden, so hatte sie bei Vorliegen des von ihr gebrauchten Ausschließungsgrundes auf die Frage, ob der Beschwerdeführer als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen sei, nicht mehr einzugehen, weshalb schon aus diesem Grunde die vom Beschwerdeführer vermißten, damit im Zusammenhang stehenden Ermittlungen unterbleiben konnten.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die durch die belangte Behörde vorgenommene Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, indem er damit argumentiert, daß weder dem Asylgesetz 1991 noch der Genfer Flüchtlingskonvention eine Verpflichtung von Flüchtlingen zu entnehmen sei, "einen Asylantrag bereits im ersten Land nach ihrer Flucht zu stellen". Ihm ist entgegenzuhalten, daß es die Konvention zuläßt, daß ein Flüchtling, der aus einem Staat eingereist ist, in dem er nicht von Verfolgung im Sinne des Art. 33 Abs. 1 der Konvention bedroht wäre, in einen solchen zurück- oder ausgewiesen wird, und aus Art. 31 Abs. 1 der Konvention keine Verpflichtung ihrer Mitgliedstaaten zur Aufnahme von Flüchtlingen abgeleitet werden kann, die unabhängig davon wäre, ob der Asylwerber direkt aus einem Verfolgerstaat kommt oder nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/1177). Die Ausführungen, mit denen der Beschwerdeführer ins Treffen führt, daß die "auf illegale Einreisen bezogene gesetzliche Bestimmung" des Art. 31 Abs. 1 der Konvention "offensichtlich im angefochtenen Bescheid der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gleichgestellt wird, indem zum Ausdruck gebracht wird, daß die Durchreise durch Ungarn bereits die Anerkennung des Flüchtlingsstatus des Beschwerdeführers ausschließt analog dem Art. 31 FlKonv, wonach Einreisen nach Österreich illegal sind, wenn sie nicht direkt = unmittelbar vom Bedrohungsland nach Österreich erfolgen", erscheinen dem Verwaltungsgerichtshof nicht verständlich. Der Beschwerdeführer vermengt die Frage, ob jemand direkt aus dem Verfolgerstaat nach Österreich eingereist ist, mit der Frage, ob die Einreise illegal erfolgt ist. Auch eine direkte Einreise aus dem Verfolgerstaat kann auf Grund des PaßG bzw. des GrenzkontrollG illegal gewesen sein, wobei allerdings in diesem Falle - entsprechend dem Art. 31 Abs. 1 der Konvention gemäß § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - der Betreffende Straffreiheit genießt und für ihn darüber hinaus von vornherein der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht in Betracht kommt. Umgekehrt bedeutet aber eine Einreise nicht direkt aus dem Verfolgerstaat keineswegs, daß es sich schon deshalb um eine illegale Einreise handelte; unabhängig davon, ob sie illegal war (in welchem Falle dem Betreffenden keine Straffreiheit zukäme) oder nicht, stellt sich hiebei jedenfalls die Frage nach einer allfälligen Verfolgungssicherheit im anderen Staat. Der Beschwerdeführer übersieht auch, daß dem Asylgesetz 1991 im Falle eines (im übrigen, wie aufgezeigt, im gegebenen Zusammenhang gar nicht bestehenden) Konfliktes mit der (ihm gegenüber nicht höherrangigen) Konvention als lex posterior und lex specialis der Vorrang einzuräumen wäre (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 15. Dezember 1993). Dem einem Flüchtling zuzubilligenden Sicherheitsbedürfnis ist bereits dann entsprochen, wenn er sich nach Verlassen seines Heimatlandes in einem anderen Staat, selbst nur im Zuge der Durchreise, befunden hat und diese (seit Betreten dieses Staates vorhandene) Sicherheit schon dort hätte in Anspruch nehmen können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357). Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, mußten lediglich die rechtlichen Voraussetzungen für den geforderten Schutz gegeben sein und tatsächlich die Möglichkeit bestanden haben, "ihn durch oder bei Kontaktaufnahme mit der Behörde zu aktualisieren". Der Umstand, daß dort kein Asylantrag gestellt wurde, hinderte daher nicht die Annahme der Verfolgungssicherheit in diesem Staat. Wurde aber in einem Staat, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, ein solcher Antrag gestellt und dieser abgewiesen - was nicht heißt, daß keine Verfolgungssicherheit in diesem Staat vorgelegen wäre -, so kommt der (vom Beschwerdeführer angesprochene, von der belangten Behörde nicht herangezogene) Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 zum Tragen.

Umstände, die darauf schließen ließen, daß der Beschwerdeführer auf dem Boden der bestehenden Rechtslage in Ungarn nicht vor Verfolgung sicher gewesen sei, hat er konkret nicht geltend gemacht. Der Beschwerdeführer ist insbesondere auch nicht der Annahme der belangten Behörde entgegengetreten, Ungarn biete von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention - der dieses Land (mit der für den Beschwerdeführer zutreffenden Alternative a des Abschnittes B des Art. 1) unter Beachtung deren Art. 43 bereits wirksam beigetreten war, als er sich dort aufgehalten hat (siehe BGBl. Nr. 260/1992) - entsprechenden Schutz.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war dadurch entbehrlich.

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