VwGH 93/18/0266

VwGH93/18/026617.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 13. April 1993, Zl. Fr-109.416/93, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
VwRallg;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg (der belangten Behörde) vom 13. April 1993 wurde der dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, von dieser Behörde am 6. Februar 1991 erteilte, bis 6. Februar 1994 befristete Wiedereinreisesichtvermerk gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, für ungültig erklärt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe am 18. Jänner 1990 in der Türkei mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen. Daraufhin sei ihm über Betreiben seiner Gattin von der österreichischen Botschaft in Ankara ein Sichtvermerk mit dreimonatiger Gültigkeitsdauer erteilt worden, mit dem er im Feber 1990 in Österreich eingereist sei. Aufgrund seiner Verehelichung sei ihm ein Befreiungsschein erteilt worden. Nach Aufnahme einer Beschäftigung in Salzburg sei dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde am 27. März 1990 ein bis 22. Februar 1991 befristeter und in der Folge der spruchmäßig für ungültig erklärte Sichtvermerk erteilt worden. Anläßlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 5. April 1993 sei der Beschwerdeführer geständig gewesen, bewußt eine Scheinehe geschlossen zu haben, um einen Aufenthalt in Österreich und einen Befreiungsschein zu erreichen. Laut den Angaben des Beschwerdeführers habe sich seine nachmalige Gattin nach mehreren Treffen in Salzburg bereit erklärt, mit ihm eine Scheinehe einzugehen. Zu diesem Zweck habe sich der Beschwerdeführer in der Türkei von seiner Gattin scheiden lassen. Nachdem er die besagte österreichische Staatsbürgerin zu einem Urlaub in die Türkei eingeladen habe, sei am 18. Jänner 1990 die Ehe geschlossen worden. Anläßlich der Eheschließung sei vereinbart worden, sich nach einer gewissen Zeit scheiden zu lassen; dies sei Ende 1991 tatsächlich geschehen. Im Jänner 1992 habe der Beschwerdeführer in der Türkei wieder seine geschiedene Frau geehelicht.

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung und eines Befreiungsscheines einen evidenten Rechtsmißbrauch darstelle, vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährden würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk für ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen würden.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, es habe der Inhalt der Niederschrift über seine Einvernahme am 5. April 1993 nicht den von ihm in türkischer Sprache getätigten Angaben, insbesondere zur Verehelichung, entsprochen. Dies dürfe auf Verständigungsschwierigkeiten mit dem amtlichen Dolmetscher, der ein kaum verständliches Türkisch gesprochen habe bzw. der türkischen Sprache kaum mächtig gewesen sei, zurückzuführen sein. Jedenfalls seien die Abweichungen dem Beschwerdeführer erst nachträglich bekannt geworden, als ein vom Beschwerdevertreter beigezogener Dolmetscher den Inhalt der Niederschrift genau übersetzt habe. Aufgrund der besagten Verständigungsschwierigkeiten mit dem amtlichen Dolmetscher sei dem Beschwerdeführer das Recht auf Parteiengehör genommen worden, da es ihm nicht möglich gewesen sei, den Sachverhalt so darzulegen, "wie er der Richtigkeit entspricht". Darüber hinaus sei ihm das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Kenntnis gebracht und ihm keine Gelegenheit geboten worden, zu den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde Stellung zu nehmen.

2.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel darzutun. Dazu hätte es konkreter Ausführungen darüber bedurft, was der Beschwerdeführer vor der Behörde, insbesondere zu seiner Eheschließung, ausgesagt hat und inwiefern diese Aussage vom amtlichen Dolmetscher unrichtig übersetzt worden ist. Mit der Behauptung, die Niederschrift habe "nicht zur Gänze" seinen tatsächlich gemachten Angaben entsprochen, bleibt völlig offen, in welchen Punkten die angeblichen Abweichungen vorliegen - mit der Folge, daß der Gerichtshof außerstande ist, zu beurteilen, ob die behauptete Nichtübereinstimmung von Aussage und Niederschrift von entscheidendem Einfluß auf den Ausgang des Verwaltungsverfahrens sein konnte. Gleiches gilt in bezug auf die gerügte Verletzung des Parteiengehörs; insoweit wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, darzulegen, worin aus seiner Sicht der maßgebliche Sachverhalt besteht, den zu schildern ihm aufgrund angeblicher Verständigungsschwierigkeiten mit dem amtlichen Dolmetscher nicht möglich gewesen sei. Schließlich hat es der Beschwerdeführer unterlassen aufzuzeigen, welche Äußerung er konkret zu den behördlichen Sachverhaltsfeststellungen abgegeben hätte, wären sie ihm vorgehalten worden.

3.1. Mangelhafte Sachverhaltsermittlung erblickt die Beschwerde darin, daß es die belangte Behörde verabsäumt habe, die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers einzuvernehmen. Die belangte Behörde hätte ohne Rücksicht auf die Aussage des Beschwerdeführers den "wirklichen" Sachverhalt festzustellen gehabt. Anlaß für diese (unterlassene) Einvernahme hätte neben dem "notorischen Umstand, daß sich Häftlinge nach mehrtägiger Haft oft in einem psychischen Ausnahmezustand befinden, in dem sie oftmals "alles unterschreiben", um nur ja enthaftet zu werden", auch der Umstand sein müssen, daß sich der Beschwerdeführer geweigert habe, das erste Protokoll (über seine Vernehmung vom 2. April 1993) zu unterschreiben.

3.2. Hinsichtlich des zuletzt genannten Gesichtspunktes geht die Rüge schon deshalb ins Leere, weil sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung nicht auf die Aussage des Beschwerdeführers vom 2. April 1993, sondern ausschließlich auf jene vom 5. April 1993 gestützt hat. Der vom Beschwerdeführer näher beschriebene "notorische Umstand" führt deshalb nicht weiter, weil darin - ganz abgesehen von der nur ganz allgemein gehaltenen Form dieses Hinweises - nicht einmal die Behauptung enthalten ist, daß der Beschwerdeführer durch der Behörde zuzurechnende Drohungen zur eigenhändigen Unterfertigung der Niederschrift bestimmt worden sei. Das allfällige Motiv ("um nur ja enthaftet zu werden") - wollte man es konkret auf den Beschwerdeführer beziehen - für die Leistung der Unterschrift aber ist für deren Rechtswirksamkeit ohne Bedeutung.

Was schließlich die gerügte Unterlassung der Vernehmung der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers anlangt, so hat es der Beschwerdeführer verabsäumt aufzuzeigen, inwiefern diese von ihm vermißte Aussage zu einem anderen (für ihn günstigen) Ergebnis geführt hätte, wird doch an keiner Stelle der Beschwerde auch nur behauptet, daß die geschiedene Gattin des Beschwerdeführers dem von der belangten Behörde festgestellten maßgeblichen Sachverhalt eine in wesentlichen Punkten konträre Darstellung entgegengesetzt hätte.

4. Da nach dem Gesagten die behördliche Beweiswürdigung - im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zustehenden (eingeschränkten) Überprüfbarkeit (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) - einwandfrei ist, und auch der unter zutreffender Bezugnahme auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0096, und vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0159) gezogene Schluß, daß die rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe durch den Beschwerdeführer zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten darstellt, welches dazu führt, daß die öffentliche Ordnung durch den (weiteren) Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gefährdet wäre, unbedenklich ist, haftet dem bekämpften Bescheid Rechtswidrigkeit nicht an.

5. Im Grunde des § 35 Abs. 1 VwGG war die Beschwerde - das Fehlen der behaupteten Rechtsverletzung ergibt sich bereits aus dem Beschwerdeinhalt - ohne weiteres Verfahren (daher auch ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages bezüglich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres) als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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