VwGH 93/08/0209

VwGH93/08/020919.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des G in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. Juli 1993, Zl. MA 12 - 10590/90, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Berufung in einer Sozialhilfesache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden (vom Beschwerdeführer selbst verfaßten, doch mit einem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes verbundenen) Beschwerde in Verbindung mit der gleichzeitig vorgelegten Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 24. Juni 1991 hat der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 8, 12 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 idgF in Verbindung mit den §§ 1 und 5 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 27. Februar 1973, LGBl. Nr. 13/1973 idF LGBl. Nr. 24/1990 und 76/1990, für den Zeitraum vom 13. August 1990 bis 10. April 1991 eine Geldaushilfe für die Sicherung des Lebensunterhaltes in der Höhe von insgesamt S 23.803,-- zuerkannt. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers (darunter die Übernahme näher bezeichneter Schulden und Alimentationsverpflichtungen) wurde abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Nach dem Beschwerdevorbringen wurde der Beschwerdeführer am 25. Juni 1993 mit Schreiben vom gleichen Tag vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, wonach seine Berufung als verspätet zurückzuweisen sei.

Am 10. Juli 1993 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid vom 24. Juni 1991 und begründete dies - nach der insoweit mit dem Beschwerdevorbringen übereinstimmenden Begründung des angefochtenen Bescheides - wie folgt: Er habe die Berufung am 10. Juli 1991 (also einen Tag vor Ablauf der am 11. Juli 1991 endenden Berufungsfrist) verfaßt und sie infolge von Übermüdung einer nicht namentlich bezeichneten Person übergeben, die er mehrmals darauf hingewiesen habe, die Berufung am 11. Juli 1991 aufzugeben. Tatsächlich sei die Postaufgabe erst einen Tag später erfolgt.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen und sein Antrag vom 10. Juli 1993 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Berufungsfrist am 11. Juli 1991 endete und die erst am 12. Juli 1991 zur Post gegebene Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen sei. Im Vorbringen des Beschwerdeführers könne kein für ihn unabwendbares oder unvorhersehbares Ereignis erblickt werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Darin wendet sich der Beschwerdeführer vor allem gegen die Auffassung der belangten Behörde, es liege kein unabwendbares oder unvorhersehbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG vor. Dieses sei nicht die Übermüdung des Beschwerdeführers gewesen, sondern sein "Nichtwissen über den Umstand, daß die verfaßte Berufung nicht termingerecht zur Post gebracht wurde". Im übrigen legt der Beschwerdeführer in seinen umfangreichen Ausführungen dar, auf welche Weise - seiner Auffassung nach - die mit der gegenständlichen Verwaltungssache befaßten Behörden durch die Art der Verfahrensführung gegen Art. 6 MRK verstoßen hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, u.a. gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Gemäß § 71 Abs. 2 muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Es kann im Beschwerdefall offenbleiben, ob der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 10. Juli 1993 (unter der Annahme, daß der Antrag an diesem Tag zur Post gegeben wurde) im Sinne der letztgenannten Bestimmung fristgerecht gestellt worden ist (nach dem Beschwerdevorbringen wurde der Beschwerdeführer am 25. Juni 1993 von der Verspätung seiner Berufung in Kenntnis gesetzt, sodaß die Wiedereinsetzungsfrist spätestens mit diesem Tag zu laufen begonnen hat und daher am 9. Juli 1993 - einem Freitag - endete), weil der Beschwerdeführer dadurch, daß die belangte Behörde (möglicherweise) den Wiedereinsetzungsantrag ab- statt zurückgewiesen hat, in keinem Recht verletzt sein könnte.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG hat die Partei das "unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis" glaubhaft zu machen, d.h., nicht nur zu behaupten, sondern die Behörde auch davon zu überzeugen, daß seine Behauptungen wahrscheinlich den Tatsachen entsprechen. Der Beschwerdeführer irrt zunächst, wenn er meint, die (zunächst gegebene) Unkenntnis von der Verspätung der Berufung sei der Hinderungsgrund im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG. Der Beschwerdeführer wurde nach seinem Vorbringen an der rechtzeitigen Einbringung der Berufung vielmehr dadurch gehindert, daß - behauptetermaßen: für ihn unvorhersehbar - jene Person, die er mit der Postaufgabe seines Rechtsmittels betraut hat, dieses weisungswidrig einen Tag zu spät zur Post gegeben hat. Gerade dazu hat aber der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag kein ausreichendes Sachvorbringen erstattet. Er hat - nach der vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Wiedergabe seines Wiedereinsetzungsantrages in der Begründung des angefochtenen Bescheides - nicht einmal die Person namentlich genannt, der er den Auftrag zur Postaufgabe erteilt haben will. Es war daher der belangten Behörde objektiv gar nicht möglich, das Vorliegen des zwar behaupteten, nicht aber glaubhaft gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen.

Die belangte Behörde hat daher schon deshalb den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen und die - wie der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde nicht bestreitet - verspätete Berufung daher zu Recht zurückgewiesen.

Da sich somit bereits aus der vorliegenden Beschwerde ergibt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, konnte die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat abgewiesen werden.

Eine Entscheidung über den - bei der gegebenen Sachlage keinem erkennbaren Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers mehr dienenden - Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher entbehrlich.

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