Normen
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 27. November 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe bei seiner niederschriftlichen Vernehmung bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg angegeben, er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er sei politisch nie aktiv gewesen, hätte jedoch in den letzten Jahren an verbotenen Kundgebungen teilgenommen, weshalb er aber nie verhaftet worden sei. Im Jahre 1976 sei er in die BRD gereist, wo er einige Jahre gearbeitet hätte. Nach seiner freiwilligen Rückkehr in die Türkei habe er seinen Militärdienst abgeleistet. Ende 1989 habe er erfahren, daß sein Cousin, der in Istanbul studiert habe, der verbotenen Partei PKK beigetreten "und untergetaucht" sei. Im November 1989 sei er daraufhin zum Polizeiposten in C befohlen worden, wo man ihn nach dem Aufenthalt seines Cousins befragt habe. Bei dieser Vernehmung sei er mit Gummiknüppeln am ganzen Körper geschlagen worden. Im Mai 1990 sei er ein zweites Mal zur Polizeistation befohlen und nach seinem Cousin befragt worden. Im Zuge dieses Verhöhrs sei er neuerlich mißhandelt worden.
Da die Lage der Kurden in seinem Gebiet zusehends schlechter geworden sei, habe er beschlossen, die Türkei so rasch wie möglich zu verlassen. Er habe sich in K durch Bestechung einen Reisepaß besorgt. Im Falle seiner Rückkehr in die Türkei würde er unter "Beobachtung" gestellt werden. Ein freies Leben wäre für ihn dort nicht mehr denkbar. Im August 1990 hätte er die Türkei mit dem Bus in Richtung Rumänien verlassen. Dort sei er jedoch wieder in die Türkei zurückgewiesen worden. Ein zweiter Versuch sei ebenfalls mißlungen. Nach der Zurückweisung habe er in der Türkei keine Schwierigkeiten gehabt. Erst beim dritten Versuch sei es ihm gelungen, in das österreichisches Bundesgebiet zu gelangen.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, daß eine Verfolgung der Kurden, die sich der türkischen Kultur nicht bedingungslos anpaßten, erwiesen sei. Dies sei nach der ständigen Spruchpraxis sowohl "der Straßburger Konventionsinstanzen als auch der benachbarten Europäischen Höchstgerichte unbestritten". Ob dies im konkreten Fall des Antragstellers so sei oder nicht, hätte durch individuelle Sachverhaltsfeststellung und anschließende fachgerechte Auseinandersetzung mit dem festgestellten Sachverhalt begründet werden müssen. Das Antragsvorbringen mache "politische Verfolgung im Sinne des Gesetzes aus".
Die Abweisung der Berufung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen damit begründet, daß "der relevante zeitliche Zusammenhang" zwischen dem Vorfall im Mai 1990 und der im August 1990 erstmals versuchten Ausreise nicht gegeben sei, daß die allgemeine Situation, in der sich die kurdische Bevölkerung in der Türkei befinde "für sich allein" für die Gewährung von Asyl nicht genüge, daß Ermittlungen gegen PKK-Mitglieder - "einer bekanntermaßen mit Waffengewalt vorgehenden, sohin terroristischen Gruppierung" - keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 darstelle, wobei einzelne Übergriffe von Behördenangehörigen im Zuge von Vernehmungen den für die Annahme von wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung notwendigen Intensitätsgrad nicht erreicht hätten und daß der Beschwerdeführer letztlich den Sachverhalt nicht in der von § 3 Asylgesetz 1991 geforderten Weise glaubhaft gemacht habe. So habe sich der Beschwerdeführer nach seiner Schilderung der Geschehnisse den Reisepaß nach dem Vorfall vom Mai 1990 besorgt, der Reisepaß sei ihm jedoch bereits am 24. Jänner 1990 ausgestellt worden. Auch weise der Reisepaß einen türkischen Grenzkontrollstempel vom 25. Februar 1990 auf, woraus zu schließen sei, daß sich der Beschwerdeführer bereits damals im Ausland befunden habe und offenbar freiwillig in die Türkei zurückgekehrt sei. Überdies habe er im Laufe des Asylverfahrens das Lager Traiskirchen ohne Abmeldung verlassen und den Behörden keinerlei Auskunft über seinen jeweiligen Aufenthaltsort gegeben, woraus sich zeige, daß beim Beschwerdeführer ein Interesse, Schutz vor Verfolgung in Österreich zu finden, "wohl kaum gegeben" sei. Daraus sei wiederum zu erschließen, daß eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht bestehe. Schließlich habe er auch seine Behauptung, im Zuge von Vernehmungen geschlagen worden zu sein, "in keinster Weise untermauert". Insgesamt hätten sich sohin erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers ergeben.
Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, seine Einvernahme vor der Erstbehörde sei ohne Zuziehung eines tauglichen Dolmetschers vorgenommen worden. So stünden die Darlegungen des angefochtenen Bescheides über seine Ausreise aus der Türkei in offenkundigem Widerspruch zur zutreffenden Feststellung, daß er am 3. September 1990 in Österreich Asyl beantragt habe. Es sei auch völlig ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer einerseits einen Reisepaß vorgelegt und andererseits absichtlich falsche Angaben zu Prokoll gegeben habe. Die Widersprüche zwischen den Daten des Reisepasses und den Angaben in der Niederschrift wären vielmehr das Ergebnis der Beiziehung eines untauglichen Dolmetschers und der offenkundigen Unzulänglichkeit der Amtshandlung. Die Asylbehörden hätten nämlich offenbar nicht einmal den Versuch unternommen, den Sachverhalt aufzuklären. Dies sei wegen eines "früheren Formulars" der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg erfolgt, - das auch im Falle des Beschwerdeführers zur Anwendung gekommen sei -, in dem festgehalten worden sei, daß das Vorbringen des Asylwerbers unglaubwürdig sei. Widersprüche würden daher von der Behörde - weil systemgewollt - nicht abgeglättet, sondern herausgearbeitet, um das Vorbringen des Asylwerbers als unglaubwürdig beurteilen zu können.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die Auffassung der belangten Behörde, bei einem zeitlichen Zwischenraum von drei Monaten zwischen der Verfolgungshandlung und der Ausreise bestehe kein "relevanter zeitlicher Zusammenhang" fundamental verfehlt sei. Auch die brutale Verfolgung der Juden durch das Naziregime habe nicht dazu geführt, daß alle Juden bereits zu Beginn der Verfolgung ihre Heimat verlassen hätten, sondern viele Juden hätten lange gehofft, daß es nicht zum Schlimmsten kommen werde. Derzeit herrsche in Kurdistan "voller" Krieg, obwohl "eine traditionell tendenziöse westliche (NATO-)Presse" diesen Krieg gerne "totschweigen" würde. Die Ursachen dieses Krieges lägen darin, daß die türkische Zentralregierung die ethnische Existenz des kurdischen Volkes leugne und ihm "fundamentalste" kulturelle Minderheitenrechte verweigere, obwohl jedermann bekannt sei, daß die Kurden ein indoeuropäisches Volk seien, im Gegensatz zum zentralasiatischen Volk der Türken, und daß beider Sprachen vollkommen verschieden seien etc. In diese Kategorie passe auch die Feststellung des angefochtenen Bescheides, wonach die PKK eine terroristische Vereinigung sei. Tatsache sei, daß die türkische Armee Kurdistan mit Flächenbombardements auf friedliche Dörfer bekriege. Der "Standardsatz", daß einzelne übergriffe von Behördenvertretern nicht der türkischen Zentralregierung zugeschrieben werden können, komme in fast jedem abschlägigen Asylbescheid vor. Es sei aber bekannt und für derartige Bürgerkriege typisch, daß von der türkischen Polizei eine Art Sippenhaftung praktiziert werde. Neu, jedoch gleichermaßen unzutreffend sei hingegen das Argument, die mangelnde Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ergäbe sich aus dem Umstand, daß er das Flüchtlingslager verlassen habe. Im übrigen verkenne der angefochtene Bescheid den "Maßstab der Sachverhaltswürdigung", wenn er darlege, daß sich erhebliche Zweifel an der Darstellung des Beschwerdeführers ergeben hätten. Um seine Aussage nicht der Bescheidfindung zu Grund zu legen, müßte wohl eher deren Unrichtigkeit erwiesen sein.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen, da die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, in seinem Heimatland Verfolgung aus einem der Gründe des § 1 Z. 1 des - im vorliegenden Fall anzuwendenden - Asylgesetzes 1991 befürchten zu müssen, im Ergebnis zutrifft. Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers und nicht auf die allgemeinen politischen Verhältnisse in seinem Heimatland an. Es genügt daher der Hinweis auf die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei nicht, sondern es müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und glaubhaft gemacht werden, aus denen die im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0745).
Weder aus dem - unbestritten gebliebenen - Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren noch selbst aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich allerdings, daß der Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen durch staatliche Behörden seines Heimatlandes ausgesetzt gewesen wäre, die auf seine politische Gesinnung oder auf einen anderen der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe zurückzuführen gewesen wäre. Vielmehr ergibt sich daraus, daß die Maßnahmen, die gegen ihn ergriffen wurden, ausschließlich in der politischen Gesinnung seines Cousins liegen, dessen Aufenthaltsort in Erfahrung gebracht werden sollte. Aus seinen Angaben ergibt sich aber insbesondere nicht, daß man dem Beschwerdeführer die politische Gesinnung seines Cousins selbst unterstellt oder ihn dieser zumindest verdächtigt habe (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0884, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982 sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/0788). Ebensowenig ergibt sich daraus, daß die Mißhandlungen anläßlich seiner zweimaligen Vernehmung ihre Ursache in der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur kurdischen Volksgruppe oder einem anderen der Gründe des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gehabt hätten. Auch hat der Beschwerdeführer nach der Zurückweisung in die Türkei - wie sich aus seinem diesbezüglichen unbestrittenen Vorbringen über seine Ausreise ergibt - dort keine Schwierigkeiten gehabt - wobei zu bemerken ist, daß der von der Beschwerde behauptete Widerspruch zwischen der Schilderung der Ausreise und dem Datum der Asylantragstellung dem Verwaltungsgerichtshof nicht einsichtig ist.
Der Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei kein Asyl zu gewähren, kann sohin mangels Vorliegens eines der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Verfolgungsgrundes nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers einzugehen, zumal er auch nicht dartut, daß und gegebenenfalls welche von ihm gemachten Angaben wegen des "untauglichen Dolmetschers" bzw. der "Unzulänglichkeit der Amtshandlung" im angefochtenen Bescheid keine Berücksichtigung gefunden haben.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des zuzuerkennen.
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