VwGH 93/01/0167

VwGH93/01/016721.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. September 1992, Zl. 4.323.649/2-III/13/91, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §18 Abs1;
AsylG 1968 §18;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AVG §61 Abs1;
AVG §61a;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1 Z2;
MRKZP 07te Art1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs2;
AsylG 1968 §18 Abs1;
AsylG 1968 §18;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AVG §61 Abs1;
AVG §61a;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1 Z2;
MRKZP 07te Art1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Oktober 1991 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom 15. September 1991 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 8. Oktober 1991 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen. Am 10. November 1991 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, den er im wesentlichen damit begründete, daß ihm der genannte Bescheid, während er sich in Schubhaft befunden habe, ohne Rechtsmittelbelehrung in einer ihm verständlichen Sprache zugestellt worden sei und er erst bei einem Besuch eines Flüchtlingsberaters am 4. November 1991 darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß die Berufungsfrist bereits verstrichen sei. Dieser Wiedereinsetzungsantrag wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. September 1992 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist unter anderem gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Diese Voraussetzungen treffen aber - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - im vorliegenden Beschwerdefall nicht zu.

Der Beschwerdeführer geht in Ausführung der Beschwerdegründe davon aus, daß nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangelnde Deutschkenntnisse oder Rechtsunkenntnis, jeweils für sich allein, keine ausreichenden Wiedereinsetzungsgründe darstellten. Er vertritt aber den Standpunkt, daß dann, wenn diese Umstände kumulativ zusammenträfen und überdies noch hinzukomme, daß sich der Wiedereinsetzungswerber in Schubhaft befinde und er "einen ihm zugestellten Bescheid nicht übersetzt erhielt", eine andere rechtliche Beurteilung vorzunehmen wäre. Dabei macht er geltend, daß er auf die von ihm als wesentlich bezeichneten Umstände keinen Einfluß gehabt habe, "typischerweise" Flüchtlinge vor ihrer Flucht aus dem Heimatstaat nicht in der Lage seien, "um der konkret vorliegenden Situation zu entgehen, sich hinreichende Deutschkenntnisse und Kenntnisse des Verwaltungsverfahrens bzw. des Asylverfahrens anzueignen", und die "entgegenstehenden Tatsachenannahmen" der belangten Behörde aktenwidrig seien. Die belangte Behörde hat aber solche Feststellungen nicht getroffen, sondern zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführer nach Einbringung seines Asylantrages damit habe rechnen müssen, daß ihm ein in deutscher Sprache abgefaßter Bescheid zugestellt werde, und es ihm durchaus zuzumuten gewesen wäre, sich über die maßgeblichen österreichischen Rechtsvorschriften, zumindest über den grundsätzlichen Verlauf des Asylverfahrens und die von ihm zu beachtenden Fristen und damit verbundenen Schritte, zu informieren. Ob ihm diese Kenntnisse, wie die belangte Behörde - vom Beschwerdeführer gleichfalls bekämpft - meint, zum Beispiel "von anderen Asylwerbern, die der englischen Sprache mächtig sind", tatsächlich hätten vermittelt werden können, kann auf sich beruhen. Der Beschwerdeführer hat nämlich - im Sinne der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides - in seinem Wiedereinsetzungsantrag (und im übrigen auch in der Beschwerde) gar nicht konkret behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht, daß es ihm unmöglich gewesen wäre, rechtzeitig nach außenhin (etwa mit einem Flüchtlingsbetreuer oder einer anderen hiefür geeigneten Person) Kontakt aufzunehmen, um zu erfahren, worum es sich bei dem ihm zugestellten amtlichen Schriftstück handelt und was allenfalls dagegen unternommen werden kann. Darum hätte sich der Beschwerdeführer aber entsprechend bemühen müssen, wobei seinem Vorbringen nicht einmal entnommen werden kann, daß er diesbezüglich überhaupt einen Versuch unternommen habe, dieser aber vergeblich gewesen sei (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993,

Zlen. 92/01/1111, 1112). An dieser rechtlichen Beurteilung vermag der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer in Schubhaft befunden hat und er dadurch einer besonderen, von ihm (auch erst in der Beschwerde) näher geschilderten psychischen Situation ausgesetzt war, auch in Ansehung der von der belangten Behörde verneinten Frage, ob sein Verschulden als minderer Grad des Versehens zu werten ist, nichts zu ändern. Die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel, denen die unrichtige Rechtsansicht zugrunde liegt, ihn habe hinsichtlich des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes keine Behauptungs- (und darüber hinaus Bescheinigungs-) Pflicht getroffen und die belangte Behörde habe vielmehr ihre Ermittlungspflicht verletzt, liegen daher, ohne daß darauf noch im einzelnen einzugehen wäre, nicht vor.

Richtig ist, daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch gemäß § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG dann in Betracht kommt, wenn die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei. Wenn nun der Beschwerdeführer der Auffassung ist, daß seinem Antrag deshalb stattzugeben gewesen wäre, weil diesem Wiedereinsetzungsfall "die Unterlassung einer Rechtsmittelbelehrung in einer verständlichen Sprache gleichzuhalten" sei, so kann ihm auch in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Den Ausführungen des Beschwerdeführers, es entspreche den Grundsätzen über ein faires Verfahren (Art. 6 in Verbindung mit Art. 13 MRK), daß eine Partei auch die Möglichkeit haben müsse, von ihr nachteiligen Verfahrensergebnissen faktisch Kenntnis zu erlangen, um entsprechend disponieren zu können, also ein Rechtsmittel einzubringen, ist mit dem Hinweis darauf zu begegnen, daß dem Beschwerdeführer diese Möglichkeit nicht genommen war und es - wie bereits gesagt - an ihm gelegen gewesen wäre, zumindest zu versuchen, sich nach Zustellung des Bescheides hinreichend Gewißheit zu verschaffen, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Wenn er sich aber darauf stützt, daß nach dem 7. Zusatzprotokoll zur MRK Fremde über ihnen nachteilige Umstände "im Aufenthaltsverfahren" in einer ihnen verständlichen Sprache informiert werden müßten, und er daraus ableitet, daß im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation die Rechtsmittelbelehrung nach § 61 AVG in einer verständlichen Sprache erfolgen müsse, so scheitert diese Argumentation schon daran, daß das 7. Zusatzprotokoll zur MRK eine derartige Bestimmung nicht enthält. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß es im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Asylbescheides eine dem nunmehrigen § 18 Abs. 1 zweiter Satz Asylgesetz 1991 entsprechende Bestimmung noch nicht gegeben hat und auch diese im übrigen eine bloße Ordnungsvorschrift darstellt (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, Zlen. 92/01/1111, 1112).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigte sich auch ein Ausspruch über den (zur hg. Zl. AW 93/01/0092 protokollierten) Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte