VwGH 92/15/0099

VwGH92/15/009924.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg gegen den Bescheid dieser Finanzlandesdirektion (Berufungssenat) vom 26. März 1992, Zl. 1031-2/91, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1988 (mitbeteiligte Partei: G in F), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §16 Abs1 Z9;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §4 Abs5;
EStG 1972 §16 Abs1 Z9;
EStG 1972 §20 Abs1 Z2;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §4 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, der im Streitjahr bis zum 31. Oktober 1988 in einem Dienstverhältnis zu einem inländischen Dienstgeber stand und sich schon seit Jahren beruflich ausschließlich mit Aufgaben der Datenverarbeitung und Informatik befaßt hatte, unternahm vom 16. April bis 1. Mai 1988 in Gesellschaft weiterer Teilnehmer eine Reise in die USA. Allen Reiseteilnehmern war gemeinsam, daß sie in den Jahren 1985 bis 1987 an einem fünfsemestrigen Universitätslehrgang für angewandte Informatik teilgenommen hatten.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte der Mitbeteiligte die Anerkennung von im Zusammenhang mit dieser Reise stehenden Aufwendungen, und zwar von Fixkosten in Höhe von S 20.000,-- und von Taggeldern in der Höhe von S 11.700,--, als Werbungskosten.

Dem vom Mitbeteiligten dem Finanzamt vorgelegten Reisebericht zufolge wurde die Reise nach folgendem Reiseprogramm durchgeführt:

Vormittag Nachmittag

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01 SA 16.4. - - - - - - - - - - - 13.05 ab Zürich (SR 126)

15.15 an Boston

Hotel Lafayette

02 SO 17.4. frei frei

03 MO 18.4. Computer-Museum F e i e r t a g

300 Congress Street

04 DI 19.4. Digital Equipment 18.00 ab Boston

Corp. 21.28 an San Francisco

Holiday Inn Fishermens

Wharf

05 MI 20.4. frei Fachbesuche

06 D0 21.4. Abfahrt 08.30 10.00 - Stanford University,

11.45 Center for Integrated

Systems

Lunch in Stanford

13.30 - 15.30 LSI Logic, San Jose

15.45 - 17.00 Versatec, Santa Clara

07 FR 22.4. Abfahrt 07.30

09.00 - 11.00 Tandem Computers,

Cupertino

12.00 - 14.30 INTEL, Santa Clara

15.00 - 16.30 SUN Microsystems

08 SA 23.4. 8.50 ab San Francisco

14.34 an St.Louis

15.25 ab St.Louis

18.40 an Orlando

(Marriott)

09 SO 24.4. frei frei

10 M0 25.4. frei frei

11 DI 26.4. 09.45 ab Orlando

11.40 an Washington

Hotel SKYLINE

Washington frei

12 MI 2.4. IBM 17.00 ab Washington

George Mason 18.10 an New York

University

(School of Hotel MILFORD PLAZA

Engineering)

13 DO 28.4. AT & T, Bell-Labs Infoquest-Center

14 FR 29.4. Chamber of Commerce

N.Y. frei

200 Madison Avenue

15 SA 30.4. frei 17.15 ab New York

(SR 101)

16 SO 1.5. 06.35 an Zürich

In der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr anerkannte das Finanzamt die vom Mitbeteiligen geltendgemachten Reisekosten mit der Begründung nicht als Werbungskosten, daß die Reise nach den vorgelegten Unterlagen nicht ausschließlich der Berufsfortbildung gedient habe, sondern der überwiegende Teil derselben "Urlaubscharakter" aufgewiesen habe.

Der Mitbeteiligte berief und führte im wesentlichen aus, der Berufungssenat der belangten Behörde habe in einer einen anderen Reiseteilnehmer betreffenden Berufungsentscheidung unterstellt, daß von den vier nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten Voraussetzungen nur die überwiegende berufliche Bedingtheit der Planung und Durchführung der Reise, gegeben gewesen sei. Die Gründe, aus denen nach Meinung des Berufungssenates die restlichen Voraussetzungen als nicht erfüllt anzusehen seien, seien teilweise unrichtig. Für eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Würdigung seien daher folgende Klarstellungen erforderlich:

Zu dem Erfordernis, daß durch die Studienreise Kenntnisse erworben werden konnten, die eine einigermaßen konkrete Verwertung in der beruflichen Tätigkeit gestatteten, sei festzustellen, daß der Reisebericht, auf dessen Geleitwort sich der Berufungssenat auch gestützt habe, in erster Linie für die verschiedenen Sponsoren der Studienreise bestimmt gewesen sei. Tatsache sei aber, daß von den Lehrgangsteilnehmern, die - wie es auf ihn zutreffe - schon seit mehreren Jahren beruflich ausschließlich mit Aufgaben der Datenverarbeitung und Informatik befaßt seien, durch die "Studienreise" sehr wohl umsetzbare und zwischenzeitlich auch tatsächlich in der Praxis umgesetzte Kenntnisse hätten erworben werden können und auch erworben worden seien.

Bezüglich der Anziehungskraft der Reise auf Berufsfremde sei festzuhalten, daß wohl mit Sicherheit niemand bereit gewesen wäre, wegen der wenigen im Reiseprogramm enthaltenen Veranstaltungen von allgemeinem Interesse die relativ hohen Kosten ihrer Reise auf sich zu nehmen. Für Berufsfremde gebe es genügend Möglichkeiten, die im Reiseprogramm enthaltenen und zusätzliche weitere Programmpunkte von allgemeinem Interesse mit einem geringeren Kostenaufwand, als dies ihre Reise erfordert habe, zu absolvieren. Im Gegensatz zu vielen anderen als Studienreisen veranstalteten Reiseveranstaltungen bestimmter Berufsgruppen habe an seiner USA-Reise kein einziger Nichtfachmann und vor allem auch keine Begleitperson (z.B. Ehegattin) teilgenommen.

Nach Auffassung des Mitbeteiligten könne die durch die Rechtsprechung aufgestellte Forderung, daß andere allgemein interessierende Programmpunkte zeitlich gesehen nicht mehr Raum als jener einnehmen dürften, der während der laufenden Berufsausübung als Freizeit regelmäßig zu anderen als beruflichen Bestätigungen verwendet werde, nicht so ausgelegt werden, daß ausschließlich auf die Art der Programmpunkte an den in die Reisezeit fallenden normalen Arbeitstagen abgestellt werden müsse. Es müsse vielmehr auf die hiefür aufgewendete Gesamtzeit abgestellt und diese mit dem sonst erforderlichen normalen beruflichen Zeitaufwand während derselben Zeit verglichen werden. Gerade der Beruf des Informatikers stelle insoweit eine Besonderheit dar, als die praktische Anwendung der Datenverarbeitung in Betrieben bei Programmeinführungen, -änderungen, -ergänzungen und ähnlichen Arbeiten in der Regel nur außerhalb der normalen Arbeitszeit bzw. an Wochenenden erfolgen könne, um die laufende Betriebsentwicklung nicht zu beeinträchtigen. Wenn aber bei der normalen Berufsausübung die Einhaltung einer auf fünf Arbeitstage verteilten 38-Stunden-Woche nicht möglich sei, könne eine solche Forderung auch nicht für eine "Studienreise" in die USA aufgestellt werden.

Im übrigen seien nicht an vier Werktagen, die sonst normale Arbeitstage gewesen wären, allgemein interessierende Programmpunkte vollzogen worden. Dieser Einwand treffe teilweise auf den 20. April 1988 zu, da die Reiseteilnehmer nach einem Nachtflug von Boston erst um 3 Uhr früh in San Francisco gelandet seien. Nach entsprechender Erholung seien dann für die als allgemeiner Programmpunkt eines ganzen Tages gewertete Stadtrundfahrt in San Francisco nur wenige Nachmittagsstunden zur Verfügung gestanden. Insbesondere seien aber die am 29. April 1988 absolvierten Besuche der "Chamber of Commerce" und der "Österreichischen Außenhandelsstelle" KEINE allgemein interessierenden Programmpunkte gewesen. Dieser Tag sei ausschließlich Studienzwecken gewidmet gewesen, da in der "Chamber of Commerce" ein Erfahrungsaustausch mit amerikanischen Software-Entwicklern stattgefunden habe, während am Nachmittag in der österreichischen Außenhandelsstelle eine von dieser organisierte Diskussion mit einer Gruppe IBM-Manager abgewickelt worden sei.

Gegen eine in der Sache ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte der Mitbeteiligte den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde schränkte der Mitbeteiligte sein Berufungsbegehren insoweit ein, als er anstelle bisher geltend gemachter höherer Taggelder nunmehr einheitlich S 300,-- pro Reisetag als Mehrkosten für die auswärtige Verpflegung als Werbungskosten geltend machte.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Die belangte Behörde anerkannte 60 % der vom Mitbeteiligten geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß im Beschwerdefall alle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die ausnahmsweise Anerkennung von Aufwendungen für Auslandsreisen eines Steuerpflichtigen geforderten Voraussetzungen erfüllt seien. In der Begründung dieses Bescheides wurde auch die vom Mitbeteiligten in seinem Reisebericht gegebene Beurteilung der USA-Reise wie folgt wiedergegeben:

"Die hier beschriebene Studienreise entstand aus der Erkenntnis, daß 5 Semester Universitätslehrgang einerseits einen würdigen Abschluß finden sollten, andererseits mit weiterführenden Bildungsaktivitäten möglichst umgehend zu beginnen sei. Einmal an die Quellen der Computer-Technik vorzustoßen, schien uns hier die geeignete sowohl-als-auch-Maßnahme zu sein. Namen wie INTEL, SUN, DEC oder Stanford University sind den meisten Informatikern geläufig, die damit verbundenen Geschichten oder Mythen üben für den europäischen Computer-Interessierten eine gewisse Faszination aus.

Wenn wir durch diese Reise auch nicht viel weiteres Faktenwissen erworben haben, so ermöglichte sie uns doch einige Einblicke und Erfahrungen. Allein das Kennenlernen von fremden Kulturbegriffen, anderen Arbeitsweisen und die Kommunikation mit sehr vielen Menschen läßt heute manches in einem anderen Licht erscheinen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Präsidentenbeschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber ebenso wie der Mitbeteiligte von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu den Voraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung sogenannter "Studienreisen", die kumulativ vorliegen müssen, zählt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu beispielweise das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 92/15/0150, mwN) unter anderem, daß das Reiseprogramm und seine Durchführung derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen abgestellt sein müssen, daß sie jegliche Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren. Allgemein interessierende Programmpunkte dürfen nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen, als während der regelmäßigen beruflichen Betätigung als Freizeit verwendet wird; hiebei ist auf eine "Normalarbeitszeit" von durchschnittlich acht Stunden täglich abzustellen; für die steuerliche Anerkennung einer zweiwöchigen Studienreise ist daher eine Arbeitszeit von achtzig Stunden erforderlich (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/14/0150). Reisezeiten für die An- und Abreise sowie Transferzeiten bleiben für die Abgrenzung zwischen privat und beruflich bedingten Zeiten außer Ansatz; maßgebend für die steuerliche Beurteilung ist die Gestaltung des Aufenthaltes ohne Berücksichtigung der keinen Selbstzweck habenden Reisebewegungen.

Im Beschwerdefall betrug die Gesamtdauer der nach den eben dargelegten Grundsätzen als Arbeitszeit in Betracht kommenden Zeit der Reise, wie aus dem eingangs vom Mitbeteiligten im Abgabenverfahren selbst bekanntgegebenen, tatsächlich durchgeführten Reiseprogramm in Verbindung mit dem Fehlen der Behauptung, der Mitbeteiligte habe an den beruflichen Zwecken gewidmeten Terminen an Reisetagen länger als an Arbeitstagen durchschnittlich acht Stunden gearbeitet, hervorgeht, deutlich weniger als das eben genannte durchschnittliche Ausmaß. Auch kann es nicht darauf ankommen, ob die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von acht Stunden im Beruf üblicherweise nur durch Einbeziehung von Abendstunden und Wochenendzeiten erreicht wird. Schon wegen des Fehlens der in Rede stehenden Voraussetzung entsprach die Anerkennung der vom Mitbeteiligten geltend gemachten Reiseaufwendungen als Werbungskosten nicht dem Gesetz. Es erübrigt sich daher, auf jene Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides bzw. des Mitbeteiligten im Berufungsverfahren einzugehen, die sich mit der Frage des Vorliegens weiterer Voraussetzungen befassen.

Da das Reiseprogramm des Mitbeteiligten allein auf Grund der zeitlichen Relationen ein sogenanntes "Mischprogramm" darstellt, waren die Aufwendungen für seine Reise dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

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