VwGH 92/13/0151

VwGH92/13/015122.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, in der Beschwerdesache der H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Abgabensache, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs1 idF 1990/357 ;
AVG §13 Abs3;
BAO §83;
BAO §85 Abs1;
BAO §85 Abs2;
BAO §86a;
TelekopieV 1991;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §55 Abs1;
ZustG §9;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs1 idF 1990/357 ;
AVG §13 Abs3;
BAO §83;
BAO §85 Abs1;
BAO §85 Abs2;
BAO §86a;
TelekopieV 1991;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §55 Abs1;
ZustG §9;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.430,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1991 erhob die Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien betreffend die Festsetzung einer Zwangsstrafe das Rechtsmittel der Berufung. Über diese Berufung wurde vom Finanzamt mit einem Bescheid vom 26. Mai 1992 insoferne entschieden, als die Berufung gemäß § 275 BAO als zurückgenommen erklärt und das Berufungsverfahren eingestellt wurde.

Nach einem erfolglosen Zustellversuch in der Wohnung der Beschwerdeführerin wurde der Bescheid des Finanzamtes vom 26. Mai 1992 der Beschwerdeführerin am 5. August 1992 an ihrem Arbeitsplatz zugestellt.

Bereits am 4. August 1992 langte beim Finanzamt mittels Telekopierer ein als "Vollmacht" - und zwar an X, den Ehegatten der Beschwerdeführerin - bezeichnetes Schriftstück ein. Diese mit 4. August 1992 datierte "Vollmacht" wies keine Unterfertigung durch einen handschriftlichen Schriftzug auf; vielmehr trug die "Vollmacht" in Maschinschrift den Namen "H".

Mit Verfügung vom 21. Oktober 1992 trug das Finanzamt der Beschwerdeführerin auf, den Mangel der Unterschrift des Vollmachtgebers nachzuholen. Daraufhin wurde neuerlich mittels Telekopierers eine "Vollmacht" vorgelegt, die nunmehr den handschriftlichen Schriftzug "H" aufwies.

Gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG hat die Behörde eine Person, die gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, als Empfänger zu bezeichnen. Die Verpflichtung der Behörde, einem Bevollmächtigten zuzustellen, setzt voraus, daß eine entsprechende Bevollmächtigung eines Vertreters gegenüber der Abgabenbehörde auch tatsächlich erfolgt ist. Die Zustellung an den Bevollmächtigten ist ab dem Zeitpunkt des Einlangens der Vollmacht geboten (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, S. 238 zu § 101 BAO alte Fassung, und die dort zitierte Rechtsprechung). Bis zum Einlangen der schriftlichen Vollmacht bei der Behörde ist somit an die Partei persönlich zuzustellen, da, solange die schriftliche Vollmacht bei der Behörde nicht eingelangt und der Bevollmächtigte demnach noch nicht ausgewiesen ist, eine Zustellung an den noch nicht als bevollmächtigt ausgewiesenen Vertreter nicht rechtswirksam ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1987, 86/06/0229, vom 11. Februar 1988, 86/06/0167, und vom 13. März 1990, 86/07/0061).

Die Frage der wirksamen Zustellungsbevollmächtigung ist dabei ausschließlich anhand der Bestimmungen des Zustellgesetzes zu beurteilen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist daher die Bestimmung des § 83 Abs. 4 BAO, wonach die Abgabenbehörde von einer ausdrücklichen Vollmacht bei einer Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige oder Angestellte unter bestimmten Voraussetzungen absehen kann, für die Frage der Zustellungsbevollmächtigung nicht maßgebend.

Auch die Auffassung der Beschwerdeführerin, die von ihrem Vertreter im Wege eines Telekopierers eingereichte "Vollmacht" stelle ein Anbringen im Sinne der abgabenrechtlichen Vorschriften dar, ist unzutreffend: Anbringen sind Schritte der Parteien, die die Geltendmachung von Rechten oder die Erfüllung von Pflichten zum Gegenstand haben (vgl. § 85 Abs. 1 BAO). Demgegenüber ist unter schriftlichen Vollmacht die Schrift zu verstehen, in der die Vollmachtserteilung beurkundet ist (Vollmachtsurkunde; vgl. Strasser in Rummel, ABGB I2, Rz 9 zu § 1005). Diese Urkunde enthält die Willenserklärung über die Einräumung der Vertretungsmacht. Eine Vollmachtsurkunde stellt somit kein "Anbringen" im Sinne der Begriffsbestimmung des § 85 Abs. 1 BAO dar.

Im Gegensatz zu einem Anbringen (vgl. § 86 a BAO in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. Nr. 494/1991) ist der Ausweis einer Vollmacht im Wege einer automationsunterstützten Datenübertragung im Gesetz nicht vorgesehen. Daraus folgt, daß eine Vollmacht insbesondere mittels eines Telekopierers (Telefaxgerätes) der Behörde gegenüber nicht rechtswirksam erbracht werden kann. Bei dieser Rechtslage war nicht mehr von Belang, daß die beim Finanzamt eingelangte Fernkopie keine einen handschriftlichen Schriftzug aufweisende Unterschrift trug. Ebensowenig war maßgeblich, daß das Finanzamt in Verkennung der Rechtslage ein Mängelbehebungsverfahren im Sinne des § 85 Abs. 2 BAO - welche Gesetzesstelle sich ausschließlich auf Eingaben, nicht aber auf schriftliche Vollmachten bezieht - durchgeführt hat.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß bis zum 5. August 1992, dem Tag, an dem der in Rede stehende Bescheid des Finanzamtes der Beschwerdeführerin selbst zugestellt worden ist, eine Bevollmächtigung des X gegenüber der Abgabenbehörde tatsächlich nicht erfolgt ist. Die Zustellung am 5. August 1992 erfolgte daher rechtswirksam.

Die Entscheidung des Finanzamtes wurde der Beschwerdeführerin somit nach der am 3. Juli 1992 erfolgten Postaufgabe ihrer Säumnisbeschwerde, jedoch vor der am 20. August 1992 bewirkten Zustellung der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. August 1992 über die Einleitung des Vorverfahrens an die belangte Behörde zugestellt. Eine Abschrift dieses Bescheides wurde dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen, weil die Erfüllung der Entscheidungspflicht vor Beginn der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist erfolgte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 letzter Satz VwGG im Zusammenhalt mit Art. I lit. A Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Daß der ausständige Bescheid vor Beginn der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist erlassen wurde, ist für den Kostenersatzanspruch der Beschwerdeführerin bedeutungslos (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 712, und die dort wiedergegebene Judikatur). Der pauschale Schriftsatzaufwandersatz umfaßt auch die Kosten der Verfassung der Mitteilung zur Anfrage betreffend die Klaglosstellung sowie des weiteren im Verfahren eingebrachten Schriftsatzes (vgl. Dolp, a.a.O., S. 696).

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