VwGH 92/09/0231

VwGH92/09/023118.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des A in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 1. April 1992, Zl. I/2-St-9171, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z2 lita idF 1988/231;
AuslBG §28 Abs1 Z2 lita;
AuslBG §3 Abs5;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z2 lita idF 1988/231;
AuslBG §28 Abs1 Z2 lita;
AuslBG §3 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer wurde auf Grund einer Anzeige des Landesarbeitsamtes Wien ein Verwaltungsstrafverfahren wegen der unberechtigten Beschäftigung von fünf polnischen Arbeitskräften an einer Baustelle in Wien geführt. Dem Landesarbeitsamt Wien gegenüber verantwortete sich der Beschwerdeführer in der Niederschrift vom 13. März 1990 dahin, daß die Polen auf Grund von "Volontariatsverträgen" eingeschult worden seien. In einer weiteren Niederschrift vom 5. April 1990 gestand der Beschwerdeführer eine "Beschäftigung" der fünf Polen laut Stundenlisten vom 1. März 1990 bis zum 12. März 1990 zu, er hielt aber daran fest, daß es sich nur um eine (unentgeltliche) Einschulung gehandelt habe.

Mit Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling (BH) vom 24. August 1990 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe in der Zeit vom 20. Februar bis zum 12. März 1990 fünf namentlich genannte Polen ohne die nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) erforderliche Bewilligung beschäftigt. Diesen Vorhalt ließ der Beschwerdeführer unbeantwortet.

Mit Straferkenntnis vom 15. März 1991 sprach die BH den Beschwerdeführer folgender Verwaltungsübertretung schuldig:

"Sie haben vom 20. Februar bis 12. März 1990 als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der X-Ges.m.b.H. mit dem Standort in K auf der Baustelle in W, Y-Straße, die polnischen Staatsangehörigen B, F, J, S und P beschäftigt, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt wurde."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 lit. a AuslBG begangen und werde dafür zu Geldstrafen von insgesamt S 100.000,-- verurteilt.

Der im Spruch angeführte Sachverhalt sei vom Landesarbeitsamt Wien festgestellt worden. Die angeführten Ausländer seien zweifellos in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur Firma des Beschwerdeführers gestanden. Es seien weder Beschäftigungsbewilligungen erteilt noch Befreiungsscheine ausgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe zum Sachverhalt keine Stellungnahme abgegeben.

In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, die BH sei auf die widersprechenden Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht eingegangen und habe nicht dargelegt, wie der maßgebende Sachverhalt festgestellt worden sei. Dazu verwies der Beschwerdeführer auf seine Einvernahmen vom 13. März und vom 5. April 1990.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. April 1992 hat die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungsschritte dieser Berufung teilweise Folge gegeben, den Tatzeitraum auf "1. bis 12. März 1990" eingeschränkt und die verhängten Strafen auf insgesamt S 87.500,-- herabgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, für die Beschäftigung der fünf Polen in der Zeit vom 20. bis zum 28. Februar 1990 lägen keine geeigneten Beweismittel vor, weshalb der Tatzeitraum einzuengen und die Strafe herabzusetzen gewesen sei. Daß die fünf Polen in der Zeit vom 1. bis 12. März 1990 an der genannten Baustelle vom Beschwerdeführer beschäftigt worden seien, sei durch mehrmalige Erhebungen an Ort und Stelle von Organen des Arbeitsamtes festgestellt und vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme zugegeben und durch die vorgelegten Stundenlisten dokumentiert worden. Weitere Erhebungen hätten sich daher erübrigt. Zur subjektiven Tatseite sei die BH zu Recht vom Vorliegen von Fahrlässigkeit ausgegangen, weil es sich um ein Ungehorsamsdelikt handle. Im übrigen begründete die belangte Behörde noch das Strafausmaß.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 15. Juni 1992, B 619/92-3, ablehnte und diese Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht wegen Übertretung des AuslBG schuldig erkannt und bestraft zu werden, verletzt. Er macht unter Hinweis auf das Vorliegen von Volontariatsverhältnissen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Sie meint insbesondere zur Beschwerdebehauptung, es seien Volontariatsverhältnisse vorgelegen, die Unmöglichkeit solcher Verhältnisse sei bereits im Verfahren vor der BH ausreichend geklärt worden; auch habe die behauptete Verwendung der Ausländer als Volontäre in der Berufung keine Erwähnung gefunden, diese Behauptung sei daher als vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung unbeachtlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG in der im Beschwerdefall auf Grund der Tatzeit anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein besitzt.

Nach Abs. 5 dieser Bestimmung bedürfen Ausländer, die ausschließlich zum Zwecke der Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis ohne Arbeitspflicht und ohne Entgeltsanspruch (Volontäre) bis drei Monate beschäftigt werden, keiner Beschäftigungsbewilligung. Die Beschäftigung ist vom Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, spätestens am Tag der Arbeitsaufnahme dem zuständigen Arbeitsamt anzuzeigen.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der genannten Fassung (die späteren Fassungen dieser Gesetzesstelle sind nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG für den Täter günstiger) begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.

Wer entgegen dem § 3 Abs. 3, 4 und 5 einen Ausländer beschäftigt, ohne die Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt rechtzeitig anzuzeigen, begeht eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 231/1988.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch - durch den Hinweis auf die "Einschulung" der Polen und durch die Bezugnahme auf seine Einvernahmen vom 13. März und vom 5. April 1990 - im Berufungsverfahren geltend gemacht, er habe die fünf Polen nur als Volontäre beschäftigt. Dies ist von entscheidender Bedeutung, denn bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 5 AuslBG wäre an die Stelle der sonst bestehenden Bewilligungspflicht eine den Beschwerdeführer treffende Anzeigepflicht getreten, deren Nichteinhaltung gemäß den obigen Bestimmungen nicht nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG, sondern nach Z. 2 lit. a dieser Gesetzesstelle strafbar wäre.

Ein Volontärsverhältnis im Sinne des § 3 Abs. 5 AuslBG liegt nur dann vor, wenn alle im folgenden genannten Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind:

1. Ein bestimmter Zweck der Beschäftigung (Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis),

  1. 2. das Fehlen der Arbeitspflicht,
  2. 3. das Nichtbestehen eines Entgeltanspruches sowie
  3. 4. die Befristung der Beschäftigung auf maximal drei Monate (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1990, Zl. 89/09/0127, und vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0058).

    Der Beschwerdeführer macht mit Recht geltend, daß es die im Beschwerdefall eingeschrittenen Verwaltungsstrafbehörden trotz seines darauf abzielenden Vorbringens unterlassen haben, das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen im Falle der dem Beschwerdeführer angelasteten Beschäftigung der fünf Polen zu ermitteln und darüber nachprüfbare Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Beide Instanzen haben sich vielmehr mit der vom anzeigenden Landesarbeitsamt getroffenen "Feststellung" begnügt, der Beschwerdeführer habe die fünf Polen zur Tatzeit an einer Baustelle in Wien "beschäftigt". Auch die Tätigkeit von Volontären erfolgt aber gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG im Rahmen einer "Beschäftigung". Zur Überprüfung und allfälligen Widerlegung des Vorbringens des Beschwerdeführers hätte es daher nach dem Gesagten der Prüfung und Feststellung bedurft, welchem Zweck die Beschäftigung der Polen diente, ob sie eine Arbeitspflicht und einen Entgeltsanspruch hatten und ob diese Beschäftigung befristet war. Schon im Falle des Fehlens auch nur einer der oben angeführten Voraussetzungen wäre allerdings nach der oben zitierten Vorjudikatur das Vorliegen der behaupteten Volontariatsverhältnisse zu verneinen.

    Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weshalb auch gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG von der Abhaltung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abzusehen war.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 Abs. 3 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte