VwGH 92/05/0327

VwGH92/05/032713.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 22. Oktober 1992, Zl. MD-VfR-B XVIII-31 u. 32/92, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: A-AG in Wien, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §76 Abs10;
BauO Wr §81 Abs2;
BauRallg;
BauO Wr §76 Abs10;
BauO Wr §81 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgeweisen.

Begründung

Mit der am 9. Juni 1989 beim Magistrat der Stadt Wien eingelangten Eingabe ersuchte die mitbeteiligte Partei um die Erteilung der Baubewilligung für ein teilweise unterkellertes, zweistöckiges Wohnhaus mit zwei Dachgeschoßen und ein ganz unterkellertes ebenerdiges Kleinhaus mit teilweise ausgebautem Dachgeschoß auf dem Grundstück Nr. nn, KG. X, Y-Straße 20. Dem Ansuchen war der Bescheid vom 18. Mai 1989 über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen angeschlossen, wonach für die zu bebauende Liegenschaft an der Y-Straße die Widmung Wohngebiet, Bauklasse II, und die offene oder gekuppelte Bauweise mit der maximalen Gebäudehöhe von 10,50 m festgelegt ist. Überdies ist an der Front zur Y-Straße ein 7,50 m tiefer Vorgarten vorgesehen. Hinter der mit Bauklasse II festgesetzten Bauplatzfläche schließt eine mit der Widmung Wohngebiet, Bauklasse I, offene Bauweise ausgewiesene Fläche an, für die die Bebauungsbeschränkung gilt, daß die Gebäudehöhe maximal 4,50 m und die bebaubare Fläche maximal 150 m2 bzw. 17 % betragen dürfe.

Mit Bescheid vom 3. Juni 1992 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin und anderer Anrainer wurden zum Teil als unbegründet ab-, zum Teil als unzulässig zurückgewiesen und teilweise auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß mit dem Projekt die zulässige Bebauungsdichte und der Seitenabstand nicht eingehalten und die zulässige Gebäudehöhe überschritten würden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch falsche Berechnung der zulässigen bebaubaren Fläche, Unterschreitung des Seitenabstandes, Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe sowie durch zu befürchtende Hangrutschungen infolge der Bauführung in ihren Rechten verletzt.

Die gesamte Grundstücksfläche beträgt im vorliegenden Fall

2.356 m2. Auf dieser Fläche sollen zwei Gebäude errichtet werden, wobei die bebaute Fläche für das Haus 1 445,29 m2 und 147,78 m2 für das Haus 2 umfassen soll. Dies ergibt eine gesamte bebaute Fläche von 593,07 m2 oder 25,17 % der gesamten Grundstücksfläche. Auf Grund der Tatsache, daß für die von der Bebauung betroffene Liegenschaft an der Y-Straße die Bauklasse II, für den hinteren Teil dieser Liegenschaft jedoch die Bauklasse I mit einer Verbaubarkeit von 17 %, maximal 150 m2, festgesetzt ist, sei es nach den Beschwerdeausführungen unzulässig, die gesamte bebaubare Fläche undifferenziert für die Beurteilung der Frage der Einhaltung der sogenannten Drittelbebauung heranzuziehen. Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin, daß die Bestimmungen über die Drittelbebauung nicht auf die Bauklasse, sondern auf die Bauweise und vor allem auf die Bauplatzgröße abstellen. Abgesehen davon, daß durch die Bauklasseneinteilung - wie aus § 75 Abs. 1 BO hervorgeht - nur die Gebäudehöhe für die Wohngebiete und gemischten Baugebiete festgesetzt wird, knüpft die Vorschrift des § 76 Abs. 10 erster Satz BO in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 7/1990 nur an die im Bebauungsplan festgelegten Bauweisen an.

Die Überschrift zu § 76 BO lautet: "Bauweisen;

Ausnützbarkeit der Bauplätze".

§ 76 Abs. 10 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 7/1990 lautet:

"(10) Im Wohngebiet darf bei offener, bei offener oder gekuppelter, bei gekuppelter und bei der Gruppenbauweise das Ausmaß der bebauten Flächen nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen. Außerdem darf die bebaute Fläche von Gebäuden in der Bauklasse I nicht mehr als 470 m2, in der Bauklasse II nicht mehr als 700 m2 betragen. Bei gekuppelter Bebauung ist diese Fläche auf die beiden Bauplätze nach dem Verhältnis der Bauplatzflächen aufzuteilen, wobei aber auf den kleineren Bauplatz in der Bauklasse I eine bebaubare Fläche von mindestens 100 m2, in der Bauklasse II eine bebaubare Fläche von mindestens 150 m2 entfallen muß; in beiden Bauklassen darf die bebaubare Fläche jedoch nicht mehr als ein Drittel der Fläche des Bauplatzes betragen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 13. Mai 1980, Slg.N.F.Nr. 10.127/A, zur Rechtslage vor der Novelle 1976, aber auch zur neuen Rechtslage mit seinen Erkenntnissen vom 26. Mai 1981, Slg.N.F.Nr. 10.469/A, sowie vom 16. Oktober 1990, Zl. 90/05/0039, ausgesprochen, daß die Bezugsgröße für Bebauungsbeschränkungen der Bauplatz ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Abgesehen davon, daß die Norm des § 76 Abs. 10 BO selbst auf die Bauplatzfläche Bezug nimmt und nicht bloß auf einen Teil derselben, ist die gesamte gegenständliche Liegenschaft in offener bzw. offener oder gekuppelter Bauweise zu bebauen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde sei bei der Beurteilung der Einhaltung der in Rede stehenden Gesetzesnorm zu Unrecht von der gesamten Bauplatzfläche ausgegangen, nicht zu teilen.

Das an der Y-Straße gelegene Haus 1 weist eine Trakttiefe von 30 m auf, hält zur etwas schräg verlaufenden Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin bis zur Gebäudetiefe von 15 m eine Entfernung von 3,20 m ein und springt in dieser Tiefe um 3 m zurück, sodaß es mit dem hinteren Gebäudeteil auch an der engsten Stelle des verbleibenden Seitenabstandes 6 m von der Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin entfernt ist. Die Beschwerdeführerin meint, damit widerspreche das Bauvorhaben den Bestimmungen des § 79 Abs. 3 BO. Es entspreche dieser Norm z. B. in den Bauklassen I und II ein Heranrücken des Gebäudes an die Nachbargrenze bis auf 3 m bei einer Gebäudetiefe von 15 m; da das Gebäude jedoch tiefer als 15 m sei, müsse es an allen Stellen einen größeren Abstand als 3 m einhalten.

Gemäß § 79 Abs. 3 BO muß in der offenen Bauweise der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in den Bauklassen I und II mindestens 6 m betragen. Die Fläche, die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liegt, wird als Abstandsfläche bezeichnet. In die Abstandsflächen darf auf demselben Bauplatz mit nur einem Gebäude an zwei Gebäudefronten auf höchstens die Hälfte dieses Abstandes an die Nachbargrenzen herangerückt werden, wenn die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche innerhalb eines Rechteckes liegt, dessen Umfang nach Abzug der Schnittlängen an keiner der beiden Fronten in den Bauklassen I und II mehr als 21 m beträgt. Daß das bewilligte Bauvorhaben mit der Bestimmung des § 79 Abs. 3 BO im Einklang steht, ergibt sich schon aus einem bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, Prugg-Verlag 1992, wiedergegebenen Fallbeispiel. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch bei einer größeren Gebäudetiefe als 15 m ein Heranrücken auf die Hälfte des Seitenabstandes mit dem bis zu 15 m tiefen Gebäudeteil zulässig, sofern nur mit dem über 15 m tiefen Gebäudeteil die gesamte Abstandsfläche eingehalten wird. Gerade dieser Fall wird mit dem gegenständlichen Bauvorhaben verwirklicht.

Die Liegenschaften der Beschwerdeführerin befinden sich östlich und nördlich der zu bebauenden Liegenschaft. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das Haus 2 übersteige die zulässige Gebäudehöhe an der südlichen Begrenzung, die Terrasse überrage das bestehende Gelände noch zusätzlich. Hiezu ist zunächst festzustellen, daß der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen hat, daß der Nachbar auf die Einhaltung der höchsten zulässigen Gebäudehöhe nur in bezug auf die ihm zugewandten Seiten der Außenflächen des Gebäudes einen Rechtsanspruch hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Mai 1980, Slg.N.F.Nr. 10.127/A, sowie vom 26. Juni 1990, Zl. 90/05/0034). Wie aus dem Plan C 5 hervorgeht, hält das Haus 2 mit seiner (zur Liegenschaft zur Beschwerdeführerin gerichteten) ostseitigen Gebäudefront die hier zulässige Gebäudehöhe von 4,50 m ein. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin wird die Terrasse bei der Ermittlung der Gebäudehöhe nicht berücksichtigt. Es ist daher in bezug auf die zulässige Gebäudehöhe unerheblich, ob zur Herstellung der Terrasse das anschließende Gelände nach Süden hin aufgeschüttet wird.

Die Beschwerdeführerin hat im erstinstanzlichen Verfahren Einwendungen hinsichtlich befürchteter Hangrutschungen vorgebracht. In ihrer Berufung hat sie aber die Gefahr einer Hangrutschung nicht mehr geltend gemacht, sie hat ihr Berufungsvorbringen auch während des Berufungsverfahrens nicht ergänzt. Die belangte Behörde hatte somit keine Veranlassung, sich mit diesem Fragenkomplex, der bereits durch die Behörde erster Instanz erledigt worden war, auseinanderzusetzen.

Die Beschwerde erweist sich daher in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei bezog sich auf die Zuerkennung eines (zweiten) Schriftsatzaufwandes und den Ersatz der Umsatzsteuer, da der pauschalierte Schriftsatzaufwand nur einmal zuerkannt werden kann und in diesem Betrag die Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist.

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