Normen
ForstG 1975 §12 litb;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §18 Abs4;
ForstG 1975 §12 litb;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §18 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. August 1990 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (belangte Behörde) der mitbeteiligten Partei über deren - nicht näher begründeten - Antrag vom 9. Juli 1990 gemäß den §§ 17, 18 Abs. 1 und 4 sowie 19 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 in der Fassung der Novelle 1987, BGBl. Nr. 576 (ForstG), unter Vorschreibung von Auflagen die Bewilligung zur vorübergehenden Rodung einer Teilfläche des Waldgrundstückes Nr. 972, KG X, im Ausmaß von ungefähr 5 Hektar zum Zwecke der landwirtschaftlichen Zwischennutzung, befristet bis 15. April 1994.
In der Begründung ihres Bescheides gab die belangte Behörde zunächst den Befund und sodann die Stellungnahme des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen wieder, wonach es durch die vorübergehende landwirtschaftliche Nutzung der Fläche zu einer Verbesserung der Bodenstruktur durch weitestgehende Beschattung und somit Verhinderung von unproduktiver Verdunstung und Hintanhalten von zu starker Verunkrautung durch die Bodenbearbeitung komme. Somit stelle diese kurzfristige Nutzung eine notwendige Maßnahme zur Bodenvorbereitung für die Wiederaufforstung dar.
Den Ausführungen des forsttechnischen Sachverständigen zufolge habe die Rodung nicht nur den Zweck, das Grundstück einer landwirtschaftlichen Zwischennutzung zuzuführen, sondern stelle diese Form der Nutzung eine entsprechende Vorbereitung für die in drei Jahren geplante Wiederaufforstung dar. Bei derart stark vergrasten, verunkrauteten Wäldern könne eine Bestandesumwandlung nur durch entsprechende Bodenvorbereitung bewirkt werden, weshalb die beabsichtigte Maßnahme auch aus forstlicher Sicht positiv beurteilt werde. Die Abwägung des Verlustes an Waldfläche für den relativ kurzen Zeitraum von drei Jahren gegenüber der Neuaufforstung mit Baumarten, welche die Wirkungen des Waldes besser gewährleisteten, ließe daher bei einem Überwiegen des öffentlichen Interesses am Rodungszweck aus forstlicher Sicht keine Bedenken gegen die Rodung aufkommen.
Die belangte Behörde stellte fest, in Übereinstimmung mit dem forstlichen Amtssachverständigen gelange sie zu dem Ergebnis, daß das öffentliche Interesse an der Verwendung des Waldbodens für die landwirtschaftliche Zwischennutzung vorübergehend das Walderhaltungsinteresse überwiege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 ForstG gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
In der Beschwerde wird im wesentlichen ausgeführt, im gegenständlichen Fall käme als öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG eine Maßnahme der Agrarstrukturverbesserung in Frage. Entsprechend den Ausführungen des forsttechnischen und des landwirtschaftlichen Sachverständigen - von der Beschwerdeführerin sei hiezu keine Stellungnahme abgegeben worden - sei beabsichtigt, die gegenständliche Fläche einer vorübergehenden landwirtschaftlichen Nutzung zur Verbesserung der Bodenstruktur zuzuführen. Ausführungen, welche für im Interesse der Agrarstrukturverbesserung gelegene Maßnahmen sprächen, seien jedoch in der Stellungnahme des landwirtschaftlichen Sachverständigen nicht enthalten. Aufgrund des Bescheides ergebe sich vielmehr, daß die beabsichtigten Maßnahmen dem öffentlichen Interesse der Walderhaltung zuzuordnen seien. Ein öffentliches Interesse an der Walderhaltung stelle aber kein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG dar, weil eine Abwägung gleicher Interessen naturgemäß nicht vorgenommen werden könne. Ein sonstiges öffentliches Interesse, welches für die Durchführung des Rodungsvorhabens spreche, sei aus den Aktenunterlagen nicht abzuleiten. Das Vorliegen einer nicht im öffentlichen Interesse gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. gelegenen Maßnahme bedinge die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Ausgehend von den vom forsttechnischen Sachverständigen dargelegten schlechten Boden- und Bewuchsverhältnissen, dürften diese im Bereich des Seewinkels aufgrund der dort vorherrschenden längeren Trockenperioden und ungünstigen klimatischen Verhältnisse keinen Ausnahmefall darstellen, woraus sich als Schlußfolgerung - vor allem im Hinblick auf § 12 lit. a und b ForstG - die Forderung nach einer diesen Verhältnissen entsprechenden forstlichen Bewirtschaftung ergebe. Dem Gesetzgeber sei keinesfalls die Absicht zu unterstellen, derartig erschwerten forstlichen Verhältnissen solle durch Erteilung einer Rodungsbewilligung mit intensiver landwirtschaftlicher Zwischennutzung - sozusagen als "Ersatzhandlung" für die vom Waldeigentümer eventuell verabsäumten Maßnahmen - begegnet werden. Um der hohen Bedeutung von Waldflächen in diesem Gebiet, welche auch im Waldentwicklungsplan klar zum Ausdruck komme, Rechnung zu tragen, wäre von der entscheidenden Behörde ein entsprechend strenger Beurteilungsmaßstab anzulegen gewesen. Mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang stehend reiche der Verweis auf die allgemeinen Bemerkungen des forsttechnischen Sachverständigen keineswegs aus, eine gemäß § 17 Abs. 2 ForstG vorzunehmende Interessenabwägung zu ersetzen; ebensowenig könne mit den Feststellungen des landwirtschaftlichen Sachverständigen im gegenständlichen Verfahren zur Abwägung der öffentlichen Interessen das Auslangen gefunden werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der
sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann jedoch eine Rodungsbewilligung erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt.
Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG u.a. insbesondere in der Agrarstrukturverbesserung begründet.
Gemäß § 18 Abs. 4 ForstG ist im Bewilligungsbescheid, wenn aus dem Antrag hervorgeht, daß der beabsichtigte Zweck der Rodung nicht von unbegrenzter Dauer sein soll, die beantragte Verwendung ausdrücklich als vorübergehend zu erklären und entsprechend zu befristen, ferner ist die Auflage zu erteilen, daß der Waldgrund nach Ablauf der festgesetzten Frist wieder zu bewalden ist (befristete Rodung).
Die belangte Behörde hat festgestellt, daß durch die vorübergehende landwirtschaftliche Zwischennutzung der zu rodenden Fläche die Bodenstruktur verbessert wird und somit diese kurzfristige Nutzung eine notwendige Maßnahme zur Bodenvorbereitung für die Wiederaufforstung darstellt. Die Rodung habe nicht nur den Zweck einer landwirtschaftlichen Zwischennutzung, sondern es soll die Fläche durch diese Nutzung "einer entsprechenden Vorbereitung" für die geplante Wiederaufforstung "zugeführt" werden.
Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nicht, von welchem öffentlichen Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG die belangte Behörde auf dem Boden des in der Begründung festgestellten Sachverhaltes ausgegangen ist. Daß ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 leg. cit., wie die belangte Behörde erst in der Gegenschrift behauptet, in der Agrarstrukturverbesserung gelegen sei, und daß dieses Interesse, mag davon in der Bescheidbegründung auch keine Rede sein, "klar zutage" liege, entbehrt jeder Grundlage. Die landwirtschaftliche Nutzung ist in der Bescheidbegründung (ebenso wie in den beiden Gutachten) als Mittel zum Zweck einer "Bodenvorbereitung für die Wiederaufforstung" dargestellt. Für eine Agrarstrukturverbesserung fehlt jeglicher Anhaltspunkt.
Der von der belangten Behörde angenommene Rodungszweck einer "landwirtschaftlichen Zwischennutzung zwecks Bodenvorbereitung für die Wiederbewaldung der Rodungsfläche" kann nicht als öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG angesehen werden. Öffentliche Interessen, welche auf Walderhaltung gerichtet sind, können nämlich - unabhängig vom Zeitpunkt und von der Identität des Waldbestandes - nicht gegeneinander abgewogen werden. Walderhaltung kann sich nur auf den gegebenen Status des Waldbestandes beziehen. Die beabsichtigte Rodung, die der Walderhaltung dienen soll, steht in einem unüberbrückbaren Widerspruch zum Inhalt und zur ratio legis des § 17 Abs. 2 ForstG, weshalb die notwendige Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Walderhaltung und dem öffentlichen Interesse am Rodungszweck nicht nachvollzogen werden kann. Die Schaffung und Erhaltung von Wald, die erst in der Zukunft erfolgen soll, wobei vorhandene Waldflächen zuerst vollständig gerodet werden müssen, kann somit - insbesondere vor dem Hintergrund des § 12 lit. b ForstG - nicht als öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 2 leg. cit. gewertet werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. September 1992, Zl. 92/10/0075).
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.
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