VwGH 90/06/0211

VwGH90/06/021111.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Griesmacher, DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Degischer, Dr. Kremla, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Gritsch, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. Oktober 1990, Zl.890.689/3-VI/12a-90, betreffend Vertretungskosten im Enteignungsverfahren nach dem Bundesstraßengesetz 1971, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §35;
AVG §74 Abs2;
BStG 1971 §20 Abs1;
EisbEG 1954 §44;
NKT 1992 impl;
VEG 1925 Art13;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;
AVG §35;
AVG §74 Abs2;
BStG 1971 §20 Abs1;
EisbEG 1954 §44;
NKT 1992 impl;
VEG 1925 Art13;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. März 1990 wurde der Beschwerdeführer für den Ausbau der B 129, Eferdinger Bundesstraße, gemäß den §§ 17 und 20 des Bundesstraßengesetzes 1971 unter gleichzeitiger Festsetzung eines Entschädigungsbetrages hinsichtlich ca. 700 m2 Grund enteignet. Am 30. März 1990 langte beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung ein Antrag des Beschwerdeführers vom 29. März 1990 auf Ersatz der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung ein. Dieser Antrag wurde damit begründet, daß gemäß § 20 des Bundesstraßengesetzes für das Enteignungsverfahren das Eisenbahnenteignungsgesetz sinngemäß anzuwenden sei und nach § 44 eben dieses Gesetzes die Kosten des Enteignungsverfahrens von demjenigen zu tragen seien, der enteigne. Nach der neuesten Rechtsprechung zählten hiezu auch die Kosten der anwaltlichen Vertretung.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. April 1990 abgewiesen.

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach § 20 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 entscheide über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung der Landeshauptmann unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteigungsgesetzes 1954. Die Vorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes seien daher nur hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit, des Gegenstandes und des Umfanges der Enteignung anzuwenden. § 20 Abs. 1 BStG 1971 treffe nämlich keine Aussage dahingehend, daß die im Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 normierte Kostenregelung auch im (Administrativ-)Enteignungsverfahren anzuwenden wäre. Abgesehen davon, daß im (Administrativ-)Enteignungsverfahren § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes nicht anzuwenden sei, gehe die letztgenannte Bestimmung nicht von einem Ersatz der Kosten an den Enteigneten aus. Der Kostenbegriff dieser Bestimmung sei nur auf die für die behördlichen Tätigkeiten zu entrichtenden Gebühren beschränkt. Auch der Verwaltungsgerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Kostenbegriff des § 44 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 Kosten, die einer Partei durch die Teilnahme an einem Verwaltungsverfahren erwachsen (z.B. Reise- oder Anwaltskosten) nicht erfasse, sondern diesbezüglich von dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren allgemein geltenden Grundsatz der Selbsttragung auszugehen sei.

Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. Oktober 1990 keine Folge, wobei sie sich im wesentlichen der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides anschloß.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:

Gemäß § 74 Abs. 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Nach § 74 Abs. 2 leg. cit. bestimmen die Verwaltungsvorschriften, inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, daß der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann.

Zunächst ist nach der Aktenlage davon auszugehen, daß der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz der Anwaltskosten so rechtzeitig eingebracht wurde, daß der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid vom 29. März 1990 hätte aufgenommen werden können, da der Antrag des Beschwerdeführers am 30. März 1990 bei der Behörde einlangte, der Enteignungsbescheid vom 29. März 1990 zwar schon am 20. März 1990 konzipiert wurde, aber erst am 2. April 1990 reingeschrieben, am 3. April gelesen und erst am 4. April 1990 abgefertigt wurde. Bis zur Abfertigung des Bescheides am 4. April 1990 hätte die (monokratisch organisierte) Behörde noch Gelegenheit gehabt, den Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufzunehmen.

Da der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 29. März 1990 einen Kostenzuspruch nach § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes begehrte, sich offensichtlich auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 19. Dezember 1986, GZ. 6 Ob 647/84, berufen und in seinem Antrag ausdrücklich von Enteignungskosten gesprochen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß er sich auf die Enteignungsentschädigung bezogen hat. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher nicht die Ansicht, der Beschwerdeführer bekämpfe in Wahrheit den Ausspruch über die Höhe der Enteignungsentschädigung, denn die Enteignungskosten (im Sinne von Kosten des Enteignungsverfahrens) sind nicht mit der Enteignungsentschädigung identisch. Nach der im Antrag verwendeten Formulierung war daher die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Zuerkennung von Enteignungskosten zulässig.

Im Geltungsbereich des AVG gilt hinsichtlich der Kosten des Verwaltungsverfahrens der Grundsatz der Selbsttragung, ein Kostenersatz zwischen den Beteiligten findet nur dort statt, wo er in den Verwaltungsvorschriften geregelt ist.

Gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz des Bundesstraßengesetzes 1971 (BStG 1971), BGBl. Nr. 286, entscheidet über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, in der geltenden Fassung. Diese Verweisungsnorm, die unter der Überschrift "Enteignungsverfahren" steht, bezieht sich auf das gesamte Eisenbahnenteignungsgesetz, das im Verfahren betreffend die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung anzuwenden ist. Nach Meinung des Gerichtshofes ist das Gebot der "sinngemäßen" Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes so zu verstehen, daß dessen Bestimmungen nur dort nicht anzuwenden sind, wo sie dem Wesen der Regelung des BStG 1971 widersprechen bzw. daß sie diesem entsprechend angepaßt anzuwenden sind.

Da im § 20 Abs. 1 erster Satz BStG 1971 keine Bestimmung des Eisenbahnenteignungsgesetzes von der sinngemäßen Anwendung ausgeschlossen ist, gilt grundsätzlich auch dessen § 44 im Enteignungsverfahren nach dem Bundesstraßengesetz.

§ 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 lautet:

"Die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung sind, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten."

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist zunächst die Anwendbarkeit des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 dem Grunde nach auch im Enteignungsverfahren nach dem Bundesstraßengesetz 1971 zu bejahen (so auch Brunner, Enteignung für Bundesstraßen, 1983, 37). Zum selben Ergebnis käme man aber auch, wenn man angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Kostenregelung im Bundesstraßengesetz 1971 meint, daß sich dies aus Art 13 des Verwaltungsentlastungsgesetzes 1925 ergebe (so Kühne, ÖJZ 1987, 238, sowie an der dort in FN 17 angegebenen Stelle).

Zu der in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage, ob sich aus § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 (bzw. der wortgleichen Bestimmung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1878) auch eine Verpflichtung des Enteigners zur Tragung der dem Enteignungsgegner erwachsenen PARTEIKOSTEN im allgemeinen bzw. der KOSTEN RECHTSFREUNDLICHER VERTRETUNG im besonderen ergebe, hatte der Verwaltungsgerichtshof bisher nur vereinzelt Stellung zu nehmen.

In seinem Erkenntnis vom 16. Mai 1918, Slg. (aF) Nr. 12128/A, hatte der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) die Frage zu klären, ob auch Kosten anwaltlicher Vertretung des Enteignungsgegners vom Enteigner zu tragen seien: Die Beschwerdeführer hatten vorgebracht, daß unter den Verfahrenskosten im Sinne des § 44 leg. cit. auch die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung jener Parteien zu verstehen seien, die zur (Enteignungs-)Verhandlung geladen wurden und sich an dieser Verhandlung auch beteiligt haben. Dem entgegnete der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis (S. 302 der Sammlung) wörtlich folgendes:

"Der Anspruch auf die Zuerkennung von Parteikosten, insbesondere der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung, ist für das Gebiet des Administrativverfahrens durch eine allgemeine Norm nicht vorgesehen; vielmehr steht ein solcher Anspruch der Partei nur in jenem Verfahren zu, als für dieses Verfahren eine besondere Vorschrift, wie solche z.B. in § 99, Alinea II, böhm. WassG., vorkommt, besteht. Für das Eisenbahnenteignungsverfahren ist aber eine derartige Ausnahmsbestimmung nicht gegeben. Sie kann weder im § 365 ABGB, der mit dem Worte "Entschädigung" nur die für den Wert des enteigneten Objekts von den Exproprianten zu leistenden Vergütung bezeichnet wissen will, noch im § 44 EisenbExprG vom Jahre 1878 erblickt werden, in welchem unter den "Kosten der Enteignungsverhandlung" nur die durch die behördliche Amtshandlung erwachsenen Kosten der Kommissionsmitglieder und Experten, daher mit Ausschluß aller Parteikosten verstanden werden müssen. Übrigens beruhen auch jene Ausnahmsbestimmungen stets auf dem Grundgedanken, daß einen Ersatz ihrer Kosten nur die sieghafte Partei beanspruchen darf und daher die Rekurskosten nur derjenige verlangen darf, der mit diesem seinen Rekurse einen Erfolg hatte. Diese Voraussetzung würde aber im vorliegenden Falle nicht zutreffen, da der Ministerialrekurs der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen wurde."

In seinem Erkenntnis vom 29. März 1951, Slg. N.F. Nr. 2005/A, wiederholte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf Slg. (aF) 12128/A lediglich den Rechtssatz, daß aus § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes ein Anspruch auf die Zuerkennung von Vertretungskosten nicht abgeleitet werden könne.

In den Erkenntnissen vom 20. November 1970, Zl. 1009/70, 1029/70, und vom 18. Oktober 1973, Zl.279/73, ging es jeweils um die Frage, ob der Enteignungsgegner oder der Enteignungswerber Gerichtsgebühren (im erstgenannten Fall) bzw. Sachverständigengebühren (im zweitgenannten Fall) zu tragen hätten. Die Enteignungswerber standen jeweils auf dem Standpunkt, daß nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz 1962, BGBl. Nr. 288, (insbesondere § 2) in Verbindung mit § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes, wonach der Enteignungswerber die Kosten des Enteignungsverfahrens nicht zu tragen habe, soweit sie durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen seien, das Veranlasserprinzip gelte. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem im erstangeführten Erkenntnis vom 20. November 1970 widersprochen und im Erkenntnis vom 18. Oktober 1973 diesen Rechtssatz wiederholt, wonach aus § 44 leg. cit. nicht etwa ein Erfolgsprinzip abgeleitet werden könne und unter Kosten im Sinne dieser Gesetzesstelle auch Kosten zu verstehen seien, die vom Enteignungsgegner verursacht wurden. Im Erkenntnis vom 18. Oktober 1973 fügte der Verwaltungsgerichtshof dem bei, daß die Beurteilung der Kostenregelung nach § 44 leg. cit. nicht auf den für den Enteignungsgegner erfolgreichen Ausgang des von ihm eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens über die Entschädigung abzustellen sei. Vielmehr liege es im Sinne dieser Bestimmung, daß der Enteignete als der in der Regel finanziell Schwächere, in dessen Eigentum eingegriffen wurde, ohne weitere materielle Einbußen befürchten zu müssen in die Lage versetzt werde, sein Recht auf angemessene Entschädigung bei Gericht verfolgen zu können. Nur wenn dieses Einschreiten ungerechtfertigt erfolge, billige der Gesetzgeber dem Enteigneten diese Rechtswohltat nicht zu. Unter diesem Gesichtspunkt sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes der im § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes verwendete Begriff "ungerechtfertigt" nicht als "endgültig erfolglos" zu verstehen, wohl aber auch nicht als "mutwillig" und zwar wegen des subjektiven Aspekts dieses Begriffes. Ein ungerechtfertigtes Einschreiten in dem oben dargelegten Sinne liege vielmehr dann vor, wenn es nach objektiven Maßstäben kein geeignetes Mittel für eine zweckdienliche Rechtsverfolgung sein könne.

Dieser Überblick zeigt, daß nur zwei Erkenntnisse, nämlich Slg. Nr. 12128/A (aF) und Slg. N.F. Nr. 2005/A, einen Rechtssatz zur Frage des Ersatzes von Vertretungskosten enthalten, wobei das letztgenannte Erkenntnis auf Slg. Nr. 12128/A verweist. Diesem Erkenntnis wurde durch das Erkenntnis vom 18. Oktober 1973, Zl. 279/73, in einem seiner tragenden Gründe (nämlich der Behauptung des Erfolgsprinzips) bereits widersprochen; seine Begründung, wonach die Zuerkennung von Parteikosten, insbesondere der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung, nur im Falle einer "besonderen Vorschrift" in Betracht komme, unter "Kosten der Enteignungsverhandlung" im § 44 leg. cit. jedoch nur die durch die behördliche Amtshandlung verursachten Kosten - daher unter Ausschluß der Parteikosten - verstanden werden müßten, enthält ein unzutreffendes Zitat des Gesetzestextes des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes (richtig: Kosten des EnteignungsVERFAHRENS) und fußt im übrigen auf einer nicht näher begründeten rechtlichen Annahme.

Für das GERICHTLICHE ENTSCHÄDIGUNGSVERFAHREN hatte der Oberste Gerichtshof in seinem Plenissimarbeschluß vom 22. April 1902, GlUNF 1860, ebenfalls die Auffassung vertreten, daß von § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes Anwaltskosten nicht erfaßt seien. Der Oberste Gerichtshof ist in einem verstärkten Senat (Beschluß vom 19. Dezember 1986, EvBl. 60/1987) jedoch von dieser - seit 1902 mehrfach bekräftigten - Rechtsauffassung abgerückt und vertritt nunmehr die Auffassung, daß zu den nach § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 vom Enteigner zu ersetzenden Kosten des gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Entschädigung auch Kosten der Vertretung des Enteignungsgegners für einen berufsmäßigen Parteienvertreter zählen.

Dieses Auslegungsergebnis ist auch für die hier zu entscheidende Rechtsfrage zunächst insoweit von Bedeutung, als das Bundesstraßengesetz in der Kostenfrage zwischen dem Enteignungsverfahren und dem Verfahren zur Festsetzung der Enteignungsentschädigung in bezug auf die sinngemäße Anwendbarkeit des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 keinen Unterschied macht. Aus eben diesem Grunde sah sich der erkennende Senat veranlaßt, in eine eingehende Prüfung dieser Frage einzutreten:

Die Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage hängt von der Auslegung der Wendung "die Kosten des Enteignungsverfahrens und ... sind (vom Enteigner) ... zu bestreiten" im § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes ab. Diese Wendung war (wortgleich) bereits im Gesetz vom 18. Februar 1878 betreffend die Enteignung zum Zwecke der Herstellung und des Betriebes von Eisenbahnen enthalten. Ob darunter auch Parteikosten, insbesondere die Kosten einer anwaltlichen Vertretung des Enteignungsgegners zu verstehen sind, läßt sich dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar entnehmen, sodaß zunächst zu untersuchen ist, ob der juristische Sprachgebrauch zur Zeit der Erlassung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1878 zwischen (sonstigen) Verfahrenskosten und Parteikosten in dem hier maßgebenden Sinne unterschieden hat.

Im Bericht des Ausschusses des Abgeordnetenhauses vom 3. Oktober 1877 (719 Blg. sten. Prot. des Abgeordnetenhauses VIII. Session, Seite 1f) werden die Mißstände, die sich auf dem Gebiete der Enteignungen für Eisenbahnbauten ergeben hatten, dargelegt und dahin zusammengefaßt, daß einerseits die zu Enteignenden den Bau von Eisenbahnen als eine günstige Gelegenheit, sich zu bereichern, betrachteten, weshalb die Eisenbahnunternehmungen - sollte der Bau nicht verzögert werden - den "unverschämtesten Entschädigungsforderungen" entsprechen würden. Andererseits sei den Eisenbahnunternehmungen vorgeworfen worden, "daß sie sich Vergewaltigungen der Enteigneten hinsichtlich der Occupation der Gründe" erlaubt und zugesagte Zahlungen jahrelang nicht geleistet hätten. Diesen Mißständen sollte mit dem Gesetz abgeholfen werden.

Aus dem "Bericht der vereinigten juridischen und Eisenbahncommission des Herrenhauses" vom 21. November 1877 (406 Blg. sten. Prot. HH, VIII. Session) geht hervor, daß der Gesetzentwurf in mehreren Punkten vom Herrenhaus abgeändert worden ist, darunter auch der Text des § 44; dabei ging es um die Wendung, daß eine Partei die Kosten zu tragen habe, die durch ihr ungerechtfertigtes Einschreiten entstanden sind. Der Streichung dieser Wendung durch das Abgeordnetenhaus vermochte das Herrenhaus aus folgenden Gründen nicht zuzustimmen:

"Wenn die Gesetzgebung sich genöthigt sah, in dem Gesetze vom 16. Mai 1874, Z. 69, die allgemeine Bestimmung aufzunehmen, daß der unterliegende Theil die Proceßkosten zu ersetzen habe, so ist wohl kaum ein Grund beim Expropriationsgesetz, die dem Rechte und der Billigkeit ganz widersprechende Verfügung zu treffen, daß die Eisenbahnunternehmung ausnahmslos, selbst dann, wenn die Kosten durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei veranlaßt werden, dieselben tragen müsse.

Die in der Regierungsvorlage und dem Beschlusse des Herrenhauses durch den § 44 verfügte Ausnahme geht nicht so weit wie die Bestimmung des § 24 des Gesetzes vom 16. Mai 1874, indem der unterliegenden Partei nicht immer die Tragung aller durch ihr Einschreiten veranlaßten Kosten auferlegt wird, sondern nur dann, wenn ihr Einschreiten nach dem Urtheile der Politischen oder Justizbehörde ungerechtfertigt ist. Die Streichung dieser Bestimmung wäre umso bedenklicher, als der daraus erwachsende Nachtheil auch den Staat, wenn er Eisenbahnen baut, treffen würde."

Dies läßt erkennen, daß offenbar zwischen dem Kostenbegriff des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1878 einerseits und dem der Zivilprozeßnovelle 1874 andererseits inhaltlich kein Unterschied gesehen wurde, wie auch die Argumentation zeigt:

Wenn nicht einmal der unterliegende Teil des Zivilprozesses verpflichtet war, jedwede Kosten der anderen Seite in vollem Umfang zu tragen (sondern nach dem zitierten § 24 des Gesetzes RGBl. Nr. 69/1874 nur jene, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienen), so sollte dies umsoweniger dem Enteigner aufgebürdet werden, dem die Kostentragungspflicht ohnehin ERFOLGSUNABHÄNGIG auferlegt war.

Die Zivilverfahrensnovelle RGBl. Nr. 69/1874 stellte ihrerseits einen Vorgriff auf die damals noch in Ausarbeitung befindliche und erst rund 25 Jahre später in Kraft getretene Zivilprozeßordnung dar und sollte (unter anderem) Mißstände beseitigen, die sich als Folge der bis dahin in Kraft gestandenen Bestimmungen über den Ersatz der Gerichtskosten ergeben hatten (vgl. 156 Blg. sten. Prot. Abgeordnetenhaus VIII. Session, Seite 1449 f); dies waren jene der §§ 398 ff der Allgemeinen Gerichtsordnung (Patent vom 1. Mai 1781, JGS 13). Darin werden die Verfahrenskosten als "Gerichtsunkosten" (Marginalrubrik vor § 398 sowie auch im § 402 u.a.) bzw. "Unkosten" (§§ 399, 405), aber auch als "Gerichtskosten" (§ 400) bezeichnet. In jedem Fall werden darunter aber auch Kosten rechtsfreundlicher Vertretung verstanden, wie § 404 leg. cit. zeigt: Danach war "für die Schriften, welche eine Partei selbst oder ein Advocat in eigener Sache verfertiget hat, die nähmliche Gebühr anzurechnen, als wenn sie von einem Dritten wären verfasset worden". Diese Klarstellung zeigt, daß bei den Bestimmungen über den Kostenersatz insgesamt gerade und ausdrücklich auch jene anwaltlicher Vertretung gemeint gewesen sind. Der - allerdings noch durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochene - Grundsatz der Kostenersatzpflicht der unterliegenden Partei wird einmal mit Kosten "vergütet" bzw. "tragen" (§ 398 am Anfang und am Ende sowie § 401), aber auch mit "ersetzen" (§ 402) und "erstatten" (§ 405), somit keineswegs einheitlich, umschrieben, sodaß aus dieser Terminologie kein Schluß in die Richtung gezogen werden kann, es käme auf den Gebrauch des Wortes "ersetzen" an, um eine Kostenersatzpflicht auch hinsichtlich der Anwaltskosten begründen zu können.

Dieses System der Allgemeinen Gerichtsordnung wurde durch die Bestimmungen der §§ 24 bis 26 der Zivilprozeßnovelle vom 16. Mai 1874, RGBl. Nr. 69, dahin geändert, daß nunmehr die unterliegende Partei "in allen Fällen" der Gegenpartei die Kosten zu ersetzen hatte, allerdings nur die "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nothwendigen Kosten" (§ 24 Abs. 1 leg. cit., vgl. auch die spätere wortgleiche Wendung des § 41 ZPO, RGBl. Nr. 113/1895). Es unterliegt im gegebenen Zusammenhang also keinem Zweifel, daß der Begriff der Kosten (gleich jenem des Sprachgebrauchs der Allgemeinen Gerichtsordnung) nicht zwischen Vertretungskosten und sonstigen Gerichtskosten differenzierte, sondern BEIDE meinte.

Abgesehen von den §§ 41 ff ZPO, deren entsprechender Sprachgebrauch außer Frage steht (vgl. dazu etwa Fürstl, Die neuen österreichischen Zivilprozeßgesetze, Wien 1897, 78), verstand aber auch das AVG 1925 in seinem § 74 Abs. 1, wonach jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten habe (soweit nicht im Sinne des § 74 Abs. 2 AVG die Verwaltungsvorschriften anderes bestimmen) unter Kosten auch Rechtsanwaltskosten (vgl. die bei Ringhofer,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, Anmerkung 1 zu § 74 AVG, abgedruckten Gesetzesmaterialien, worin gerade die Anwaltskosten als Grund für die Einführung des Selbstragungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren genannt werden, der offenbar keineswegs als ohne weiteres bestehend angesehen wurde).

Aus all dem läßt sich der Befund gewinnen, daß in den Verfahrensgesetzen die Kosten anwaltlicher Vertretung stets als Kosten des Verfahrens verstanden und bezeichnet worden sind. Diesem Befund entspricht es auch, daß der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu den (in diesem Punkt gleichlautenden) ehemaligen Landeswasserrechtsgesetzen unter den "Kosten für commissionelle Erhebung und Verhandlung" sowie unter den "Verhandlungskosten" immer auch die Vertretungskosten der Parteien verstanden hat (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1884, Budw 2045, vom 11. Oktober 1888, Budw 4279, vom 1. Dezember 1893, Budw 7555, vom 17. Oktober 1894, Budw 8094, vom 10. Mai 1895, Budw 8654, vom 30. Oktober 1896, Budw 10034, sowie vom 18. September 1900, Budw 14516; GEGENTEILIG erst ab Erkenntnis vom 29. September 1903, Budw 1990/A, und vom 3. November 1914, Budw 10527/A, jeweils zu § 99 WRG 1869).

Vor dem Hintergrund der eingangs zitierten Materialien zu § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes spricht somit alles dafür, daß auch der Kostenbegriff dieser Bestimmung nicht anders verstanden werden darf. Eine andere Interpretation stünde mit der Absicht des Gesetzgebers, den Enteigneten schadlos zu halten, vor allem deshalb im Widerspruch, WEIL AUCH

DER VOM ENTEIGNUNGSWERBER ZU UNRECHT BELANGTE

ENTEIGNUNGSGEGNER, DEM DIE ABWEHR DES ENTEIGNUNGSBEGEHRENS

GELINGT, DIE IHM DADURCH ENTSTANDENEN KOSTEN DER

RECHTSFREUNDLICHEN VERTRETUNG SELBST ZU TRAGEN hätte, würde man unter "Kosten des Enteignungsverfahrens" nicht auch die Kosten der Partei einschließlich jener der anwaltlichen Vertretung verstehen.

Im Sinne eines entsprechenden, einheitlichen juristischen Sprachgebrauchs sprechen auch die Argumente der Literatur (vgl. statt vieler die überblicksweise Darstellung Dullingers, JBl. 1984, 641 ff) sowie der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Bereich der Enteignungsentschädigung (vgl. EvBl. 60/1987) für die Bejahung eines weiten Begriffsverständnisses der "Kosten" im Sinne des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes umso eher im Enteignungsverfahren selbst: Der kontradiktorische Charakter des Verfahrens sowie die Grundrechtsnähe des Enteignungsvorganges (der auch als Eingriff in "civil rights" den besonderen Verfahrensgarantien des Art. 6 MRK unterliegt) ließen auch nach heutigem Rechtsschutzverständnis die Aufrechterhaltung einer Gesetzesinterpretation ungerechtfertigt scheinen, die auf eine Erschwerung der Rechtsdurchsetzung des Enteignungsgegners hinausliefe, deren Zusammenhang mit der Frage der Kostentragung bereits dem Gesetzgeber des Jahres 1878 bewußt gewesen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich daher im Ergebnis der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes an und ist nunmehr der Auffassung, daß zu den Kosten des Enteignungsverfahrens im Sinne des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes auch jene der rechtsfreundlichen Vertretung zählen. Zum Umfang der Kostenersatzpflicht verweist der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom 18. Oktober 1973, Zl. 279/73.

Aus den dargelegten Gründen hält der Verwaltungsgerichtshof seine oben wiedergegebene Rechtsprechung zu § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes nicht aufrecht.

Die belangte Behörde hat von der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes (insbesondere jener in den Erkenntnissen vom 16. Mai 1918, Slg. Nr. 12128/A, und vom 29. März 1951, Slg. N.F. Nr. 2005/A) ausgehend, den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Vertretungskosten zu Unrecht abgewiesen. Dies zumal deshalb, als der Vertreter des Beschwerdeführers bei der im Verwaltungsverfahren abgehaltenen mündlichen Verhandlung eine Reihe vertretbarer Lösungsvarianten aufgezeigt hat, die hinsichtlich der Notwendigkeit der Enteignung wenigstens eines Teiles der Fläche beachtlich waren. Der angefochtene Bescheid ist demnach mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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