VwGH 92/18/0315

VwGH92/18/03158.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 3. Juni 1992, Zl. Fr-109.526/92, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z3;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6 Abs1;
FrPolG 1954 §8;
VStG §55 Abs1;
AsylG 1968 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z3;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6 Abs1;
FrPolG 1954 §8;
VStG §55 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg (der belangten Behörde) vom 20. Februar 1990 war gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 und 3 iVm § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG) gestütztes, bis 20. März 1993 befristetes Aufenthaltsverbot für das "österreichische Bundesgebiet" erlassen worden.

Begründend hatte die belangte Behörde ausgeführt, daß der - am 16. Februar 1990 aus Ungarn legal nach Österreich eingereiste - Beschwerdeführer am 19. Februar 1990 illegal in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist und kurz darauf von deutschen Polizeiorganen wieder nach Österreich rücküberstellt worden sei. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. Februar 1990 sei der Beschwerdeführer deshalb wegen Übertretung des Grenzkontrollgesetzes und des Paßgesetzes bestraft worden. Auf die Bestimmung des § 3 Abs. 3 FrPolG - so die Formulierung in der Bescheidbegründung - "braucht in diesem Fall nicht eingegangen zu werden, da Sie keinerlei Bindungen im österreichischen Bundesgebiet besitzen, was Sie durch Ihre illegale Ausreise selbst dokumentiert haben. Es wird daher durch diese Entscheidung in ihr Privat- oder Familienleben nicht eingegriffen." Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

2. Den vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom 12. August 1991 an die Bezirkshauptmannschaft Gmünd gestellten und von dieser zuständigkeitshalber an die belangte Behörde übermittelten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes - im wesentlichen mit der mittlerweile eingetretenen Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie (Ehegattin und mj. Kind) begründet - wies die zuletzt genannte Behörde mit Bescheid vom 3. Juni 1992 gemäß § 8 FrPolG ab.

Zur Begründung ihrer Entscheidung wies die belangte Behörde darauf hin, daß der Beschwerdeführer trotz des mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Abreiseauftrages das Bundesgebiet nicht verlassen, sondern stattdessen einen Asylantrag gestellt habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß dieser Antrag mutwillig gestellt worden sei, um das Aufenthaltsverbot zu umgehen und sich im Bundesgebiet aufhalten zu können. Der Asylantrag sei zwischenzeitig negativ beschieden worden.

Der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei weitgehend nur auf die Tatsache gestützt worden, daß sich der Beschwerdeführer sozial und wirtschaftlich im Bundesgebiet integriert habe. Der Beschwerdeführer habe weiters darauf hingewiesen, daß die Vollziehung des Aufenthaltsverbotes schwerwiegende Auswirkungen auf seine persönlichen und familiären Verhältnisse haben würde.

Nach Prüfung aller Fakten sei die belangte Behörde der Auffassung, daß die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht weggefallen seien. Im Aufhebungs-Antrag sei auch nicht die Rede davon gewesen, daß diese Gründe weggefallen seien.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Begehren auf Aufhebung desselben wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 8 FrPolG ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhang mit § 3 FrPolG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zu Gunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1992, Zl. 92/18/0100, und vom 20. Juli 1992, Zl. 92/18/0305).

2. Die belangte Behörde weist im bekämpften Bescheid darauf hin, daß die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht weggefallen seien. Dies trifft zu, da die beiden als Grundlage für die Verhängung dieser Maßnahme herangezogenen rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretung des Grenzkontrollgesetzes und des Paßgesetzes im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde über den Aufhebungs-Antrag noch nicht als getilgt anzusehen waren (vgl. § 55 Abs. 1 VStG), sohin weiterhin dem Rechtsbestand angehören. Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß selbst dann, wenn diese Bestrafungen als getilgt anzusehen wären, dieser Umstand bei einem - wie hier - auf bestimmte Zeit (befristet) verhängten Aufenthaltsverbot nicht zur Aufhebung dieser Maßnahme führen würde, da der Eintritt der Tilgung im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes objektiv vorhersehbar war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0117).

3. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß auch die seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen Umstände bei der Entscheidung über die Aufhebung dieser Maßnahme zu berücksichtigen sind (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 92/18/0100 m.w.N. und das Erkenntnis Zl. 92/18/0305).

4.1. Es ist aktenkundig, daß der Beschwerdeführer im Oktober 1990 und März 1991 zweimal wegen Übertretung des § 14b Abs. 1 Z. 3 FrPolG und einmal wegen Übertretung des § 22 Abs. 1 des Paßgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist. Damit aber ist der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall FrPolG verwirklicht und aufgrund des Vorliegens einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" (des § 3 FrPolG) die Annahme, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde, gerechtfertigt.

Bereits im Hinblick auf diese drei rechtskräftigen Bestrafungen entspräche auch im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides - vorbehaltlich einer zuungunsten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG - die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer dem Gesetz.

4.2. Im vorliegenden Fall tritt - abgesehen von den den Gegenstand des Straferkenntnisses vom 20. Februar 1990 bildenden Bestrafungen des Beschwerdeführers - noch der folgende, keineswegs zu vernachlässigende Aspekt hinzu: Nach Ausweis der Akten und in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt, hat der Beschwerdeführer nach Erlassung des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 29. Mai 1990 (vom Beschwerdeführer nachweislich übernommen am 19. Juni 1990), mit dem sein am 22. Februar 1990 gestellter Asylantrag abgewiesen worden war, also seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes geendet hatte, das Bundesgebiet nicht verlassen, sich vielmehr auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem über ihn verhängten Aufenthaltsverbot zuwider in Österreich aufgehalten. Daß ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet entgegen dem Aufenthaltsverbot bewußt war, hat der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung vor der Bezirkshauptmannschaft Gmünd im Rahmen des Verfahrens zur Ungültigerklärung seines Sichtvermerkes (vgl. die Niederschrift vom 6. August 1991) klar zu erkennen gegeben. Die Mißachtung des mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes verknüpften Ausreisegebotes (§ 6 Abs. 1 FrPolG) - im Beschwerdefall wirksam mit rechtskräftigem negativem Abschluß des Feststellungsverfahrens nach § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes - fällt schwer ins Gewicht, bringt doch gerade dieses Verhalten sehr augenfällig zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken hat, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenpolizeilichen Vorschriften hinwegzusetzen.

5. Dem solcherart beachtlichen Gewicht des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes waren im Grunde des § 3 Abs. 3 FrPolG die privaten (familiären) Interessen des Beschwerdeführers gegenüberzustellen.

Die belangte Behörde hat den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Privatinteressen - seine mittlerweile eingetretene Integration sowie die seiner Familienangehörigen;

Beeinträchtigung des Fortkommens der Familienangehörigen im Fall der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes - erkennbar nur geringe Bedeutung beigemessen, ohne dies freilich nachvollziehbar zu begründen. Indes entbehrt auch dieser Begründungsmangel der Wesentlichkeit. Denn nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Interessenabwägung nur ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich zu berücksichtigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0350, und die dort zitierte Entscheidung). Der Aufenthalt des Beschwerdeführers entgegen dem bestehenden Aufenthaltsverbot war nicht zu seinen Gunsten zu veranschlagen. Was schließlich die behauptete Beeinträchtigung des Fortkommens seiner Frau und seines mj. Kindes und deren Integration im Bundesgebiet anlangt, so wirken diese Umstände nicht entscheidend zugunsten der Interessen des Beschwerdeführers. Zum einen ist der Aufenthalt dieser Personen in Österreich noch verhältnismäßig kurz (etwas mehr als zwei Jahre). Zum anderen bedeutet die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht zwangsläufig, daß der Beschwerdeführer nun keinen Beitrag mehr an der Rückzahlung des von den Eheleuten aufgenommenen Kredits leisten könnte; daß ihm dies außerhalb Österreichs möglicherweise schwerer fällt, muß in Kauf genommen werden. Jedenfalls wäre dies nicht als erhebliche Beeinträchtigung der Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie zu werten. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang vermißten Ermittlungen seitens der belangten Behörde waren demnach entbehrlich.

6. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde zu Recht den maßgebenden öffentlichen Interessen unverhältnismäßig größeres Gewicht als den gegenläufigen Privatinteressen des Beschwerdeführers zugemessen hat, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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