VwGH 92/18/0301

VwGH92/18/030120.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über den Antrag der G in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung ihrer Beschwerde gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Mai 1992, Zl. IV-643.896/Frb/92, betreffend Sichtvermerk, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0178, wurde das Verfahren, betreffend die im Spruch genannte Beschwerde, gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil die Beschwerdeführerin dem hg.

Mängelbehebungsauftrag vom 26. Mai 1992 entgegen der Vorschrift des § 24 Abs. 1 zweiter Satz VwGG insoweit nicht entsprochen hatte, da der Text der nachgereichten dritten Beschwerdeausfertigung in mehrfacher Hinsicht nicht mit jenem der ursprünglich vorgelegten Ausfertigungen übereinstimmte.

Im nunmehrigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, am 15. Mai 1992 habe die Sekretärin des Beschwerdevertreters nach dem Diktat die Beschwerde geschrieben und sei diese in der Folge korrigiert und ergänzt worden. Nach Durchführung dieser Überarbeitung sei die Beschwerde ausgedruckt und zweifach (beim Verwaltungsgerichtshof) eingebracht worden. Nach Einlangen der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1992 habe die Sekretärin eine weitere Ausfertigung der in der Textverarbeitung abgespeicherten Beschwerde ausgedruckt. Daß es sich bei dieser dritten Ausfertigung um die erste Fassung der Beschwerde ohne Korrekturen und Ergänzungen gehandelt habe, sei erst bei Einlangen des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes über die Einstellung des Verfahrens am 22. Juni 1992 festgestellt worden. Da es in der Kanzlei des Beschwerdevertreters bis jetzt noch niemals vorgekommen sei, daß ein Schriftsatz nicht in seiner Endfassung in der Textverarbeitung abgespeichert gewesen sei, habe die Sekretärin keine Veranlassung gehabt, die in Befolgung des Verbesserungsauftrages ausgedruckte dritte Ausfertigung auf ihre Identität mit den beiden anderen Ausfertigungen zu vergleichen, sodaß ihr der Fehler nicht auffallen habe können. Auf Grund der durch mehrjährige fehlerfreie Tätigkeit in der Kanzlei des Beschwerdevertreters unter Beweis gestellten Zuverlässigkeit dieser Sekretärin habe für den Beschwerdevertreter kein Grund bestanden, die vergleichsweise einfache Tätigkeit der Herstellung einer dritten Ausfertigung der Beschwerde durch die Sekretärin auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das Verschulden eines Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt nach der ständigen hg. Rechtsprechung dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist.

Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zugrunde gelegt, hat der Rechtsanwalt die zur Erledigung des Verbesserungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes hergestellte Beschwerdeausfertigung nicht kontrolliert. Vielmehr wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es aufgrund der Verläßlichkeit der betreffenden Kanzleikraft für den Rechtsanwalt nicht erforderlich gewesen sei, die "Herstellung einer dritten Ausfertigung der Beschwerde ... auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen".

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist es mit den rechtsanwaltlichen Pflichten nicht vereinbar, sich überhaupt nicht um die Vollständigkeit bzw. Übereinstimmung eines dem Gerichtshof vorzulegenden Schriftsatzes zu kümmern; in dieser Hinsicht kann der Rechtsanwalt nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, und zwar auch dann nicht, wenn er mit der Vorbereitung der Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages eine (besonders) verläßliche Kanzleikraft betraut hat.

Angesichts des Fehlens jeglicher Kontrolltätigkeit des Rechtsanwaltes kann von einem minderen Grad des Versehens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin keine Rede sein (vgl. den hg. Beschluß vom 12. März 1991, Zl. 91/07/0015).

Mit dem Hinweis der Antragstellerin auf den hg. Beschluß vom 26. September 1991, Zlen. 91/09/0129, 0127, ist für sie nichts gewonnen, handelte es sich doch dort um einen völlig anders gelagerten Sachverhalt.

Da das Verschulden des Parteienvertreters die Partei selbst trifft (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A), mußte dem Wiedereinsetzungsantrag im Grunde des § 46 Abs. 1 VwGG der Erfolg versagt bleiben.

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