VwGH 92/18/0231

VwGH92/18/023112.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 29. April 1992, Zl. III 36-2/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. April 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden kurz: FPG) ein mit drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer am 29. Februar 1991 beim österreichischen Generalkonsulat in Instanbul einen Antrag auf Ausstellung eines drei Monate gültigen Sichtvermerks gestellt habe, wobei er als Reisezweck unter Vorlage der "Sichtvermerksbescheinigung" der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 22. Jänner 1991 "Besuch" angegeben und eine Erklärung unterfertigt habe, wonach er nur für die im Sichtvermerksantrag angegebene Zeit und nur zu einem Besuchsaufenthalt nach Österreich reisen werde. Von diesem Generalkonsulat sei dem Beschwerdeführer in der Folge ein bis 6. Juni 1991 gültiger Sichtvermerk erteilt worden, auf Grund dessen er im März 1991 in das Bundesgebiet eingereist sei. Mit Schreiben vom 29. August 1991 habe der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Sichtvermerks unter anderem mit der Begründung begehrt, daß er bereits eine Beschäftigungsbewilligung erhalten habe.

    Im Zuge des Berufungsverfahrens sei - so die belangte Behörde weiter - der Vater des Beschwerdeführers einvernommen worden, welcher am 31. März 1992 im wesentlichen folgendes zu Protokoll gegeben habe: "...Bei der Antragstellung auf Erteilung eines Sichtvermerks wurde als Einreisegrund "Besuch" angegeben, weil wir gewußt haben, daß wir sonst keine Möglichkeit haben, daß mein Sohn einen Sichtvermerk bekommt ... Nachdem er in Österreich war, hat er mir mitgeteilt, daß er um das Arbeitslosengeld ansuchen wird und hier arbeiten wird, ... Ich habe von anderen türkischen Staatsangehörigen in Erfahrung bringen können, daß eine Einreise nach Österreich eben nur dann möglich ist, wenn man als Reisegrund "Besuch" angibt ... Ich möchte noch einmal sagen, daß mir mein Sohn die wahren Gründe der Einreise vor seiner Ankunft in Österreich nie mitgeteilt hat ...".

    Daraus gehe nach Ansicht der Behörde zweifelsfrei hervor, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Beantragung des Sichtvermerks beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul nicht nur die Absicht gehabt habe, seine Angehörigen zu besuchen, sondern es sei offensichtlich, daß er über den Weg des "Besuchervisums" in der Absicht nach Österreich hätte gelangen wollen, um sich hier um eine längerfristige Aufenthaltsberechtigung zu bemühen. Es liege klar auf der Hand, daß der Beschwerdeführer unter dem Vorwand, einen Besuch abstatten zu wollen, um die Erteilung eines Sichtvermerks angesucht habe, um sich nach erfolgter Einreise in Österreich für längere Zeit niederzulassen. Der Beschwerdeführer habe dadurch den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG erfüllt.

    Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. dazu das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe anläßlich der Stellung des Sichtvermerksantrages in Istanbul unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht und damit den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG erfüllt, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Insbesondere vermag der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie sich in diesem Zusammenhang auch auf die erwähnten Angaben des Vaters des Beschwerdeführers gestützt hat.

    Konnte aber die belangte Behörde in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FPG verwirklicht hat, so war auch die Annahme gerechtfertigt, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 91/19/0256).

    Aber auch die von der belangten Behörde nach § 3 Abs. 3 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen: Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang unter anderem darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer von 1975 bis 1981 bereits in Österreich aufhältig gewesen sei. Von 1981 bis 1986 habe gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestanden, in dessen Vollziehung er im März 1981 in die Türkei abgeschoben worden sei. Wohl befänden sich die Eltern des Beschwerdeführers und seine Schwester schon seit vielen Jahren in Österreich und seien hier integriert, auch habe der Beschwerdeführer einen Teil seiner Jugend in Österreich verbracht und hier die Schule besucht. Das berufliche und persönliche Fortkommen des Beschwerdeführers werde zwar durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes beeinträchtigt, es sei aber zu bedenken, daß er längst volljährig sei und von 1981 bis 1991 getrennt von Eltern und Geschwistern in der Türkei gelebt habe und daß sich die Gattin des Beschwerdeführers nicht im Bundesgebiet aufhalte. Seine Tätigkeit als Kellner könne er nicht nur in Österreich ausüben.

    Dem vermag der Beschwerdeführer nichts Entscheidendes entgegenzusetzen.

    Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte