VwGH 92/15/0010

VwGH92/15/001017.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, in der Beschwerdesache des F in T, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom 3. Oktober 1991, Zl. GA 10 - 806/90, BS I - 55/90, betreffend Finanzvergehen, den Beschluß gefaßt:

Normen

FinStrG §125 Abs1;
FinStrG §132 Abs1;
FinStrG §156;
FinStrG §161 Abs1;
FinStrG §202;
FinStrG §204;
FinStrG §210;
FinStrG §212;
FinStrG §214;
FinStrG §54 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
FinStrG §125 Abs1;
FinStrG §132 Abs1;
FinStrG §156;
FinStrG §161 Abs1;
FinStrG §202;
FinStrG §204;
FinStrG §210;
FinStrG §212;
FinStrG §214;
FinStrG §54 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Im Zuge des gegen den Beschwerdeführer wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG geführten Finanzstrafverfahrens sprach der Spruchsenat am Sitze des Finanzamtes für den 1. Bezirk in Wien als Organ des Finanzamtes Baden mit Bescheid vom 3. Oktober 1990 unter Hinweis auf § 125 Abs. 1 FinStrG aus, die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Spruchsenates lägen nicht vor. In der Begründung vertrat der Spruchsenat die Auffassung, der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der K. GmbH in den Jahren 1980 bis 1985 Umsatzsteuervorauszahlungen in einer insgesamt S 1 Mio übersteigenden Höhe wissentlich verkürzt und dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen; es seien daher nach § 53 Abs. 1 lit. b, Abs. 4 FinStrG die Voraussetzungen für das Einschreiten des Gerichtes gegeben.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurück. Zugleich hob sie den bekämpften Bescheid des Spruchsenates aus Anlaß der Beschwerde ersatzlos auf. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, sowohl der Spruchsenat als auch der Beschwerdeführer übersähen, daß § 125 FinStrG nur in jenen Fällen anzuwenden sei, in denen die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde zur Ahndung von Finanzvergehen im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren unbestritten und lediglich die Zuständigkeit des Spruchsenates bestritten sei. Allein in diesen Fällen entscheidet der Spruchsenat gemäß § 125 FinStrG darüber, ob die Voraussetzungen für sein Tätigwerden gegeben oder die dafür maßgeblichen Wertgrenzen nicht überschritten worden seien. Vorliegend gehe es aber nicht um einen Zuständigkeitsstreit zwischen Spruchsenat und Einzelbeamten der Finanzstrafbehörde, sondern um einen solchen zwischen Spruchsenat und Gericht. In den letzteren Fällen sei aber allein die Ratskammer des Gerichtes berufen, über die Zuständigkeit nach dem § 202 FinStrG abzusprechen. Deren rechtskräftige Entscheidung binde für den Fall der Verneinung der gerichtlichen Zuständigkeit sodann den Spruchsenat. Dieser hätte daher gemäß dem § 54 Abs. 1 FinStrG Anzeige an die Staatsanwaltschaft ohne unnötigen Aufschub zu erstatten bzw. die Anzeigeerstattung durch den Amtsbeauftragten zu veranlassen gehabt. Dagegen entbehre der vorliegende Bescheid einer gesetzlichen Grundlage; eine Beschwerdebefugnis gegen diesen Bescheid könne daher auch nicht aus der nicht anwendbaren Bestimmung des § 125 FinStrG abgeleitet werden. Die unzulässigen Beschwerden seien daher zurückzuweisen, aus Anlaß derselben aber der verfehlte Bescheid aufzuheben. Es werde sodann Aufgabe des Spruchsenates sein, eine Vorgangsweise gemäß § 54 FinStrG zu veranlassen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf eine Sachentscheidung in einem Finanzstrafverfahren verletzt.

Voraussetzung der Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof ist das Rechtsschutzbedürfnis (die Beschwer). Beschwer liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder wenn mangels Antrages die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet (materielle Beschwer).

Im Beschwerdefall ist bei der Prüfung des Vorliegens der Beschwer maßgeblich, daß der Beschwerdeführer mit seiner Administrativbeschwerde die Beseitigung des Ausspruches des Spruchsenates, wonach die Voraussetzungen für dessen Tätigwerden nicht vorlägen, angestrebt hat. Dieses Rechtsschutzziel hat der Beschwerdeführer durch die ersatzlose Behebung des von ihm bekämpften Bescheides erreicht; daran ändert der Umstand nichts, daß die Behebung des Bescheides "aus Anlaß der Beschwerde" erfolgte, weil es für die nunmehr durch die Kassation des bekämpften Bescheides gestaltete Rechtsstellung des Beschwerdeführers im Verfahren unerheblich ist, ob der bekämpfte Bescheid in Stattgebung der Beschwerde oder (bei gleichzeitiger Zurückweisung) "aus deren Anlaß" ersatzlos behoben wurde.

Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist aber auch nichts gewonnen, wenn man unterstellt, der Beschwerdeführer habe mit seinem Rechtsmittelantrag einen Ausspruch angestrebt, mit dem die Zuständigkeit des Spruchsenates bejaht, die Zuständigkeit des Gerichtes hingegen verneint werde. Ein Recht auf eine die Zuständigkeit des Spruchsenates (insbesondere in Abgrenzung zur Zuständigkeit des Strafgerichtes) bejahende Entscheidung räumt das Finanzstrafgesetz nämlich nicht ein. Nach dessen Systematik (vgl. §§ 54, 124, 125) kommt lediglich eine die Zuständigkeit des Spruchsenates verneinende Entscheidung in Betracht, wenn dieser die Voraussetzungen für sein Tätigwerden deshalb für nicht gegeben hält, weil die Tat in die Zuständigkeit des Einzelorganes der Finanzstrafbehörde fällt (§ 125 Abs. 1 FinStrG). Dies folgt schon aus § 125 Abs. 2 letzter Satz FinStrG, wonach der Bestrafung kein S 150.000,-- bzw. S 300.000,-- übersteigender strafbestimmender Wertbetrag zugrunde gelegt werden darf, wenn der Spruchsenat festgestellt hat, daß die Voraussetzungen für sein Tätigwerden nicht gegeben sind. Gegen die die Zuständigkeit verneinende Entscheidung des Spruchsenates ist u.a. dem Beschuldigten ein Beschwerderecht eingeräumt (§ 125 Abs. 1 FinStrG).

Seine Unzuständigkeit infolge Zuständigkeit des Strafgerichtes hat der Spruchsenat hingegen in jeder Lage des Verfahrens (ohne ausdrückliche Entscheidung über die Unzuständigkeit) durch Erstattung der Anzeige an die Staatsanwaltschaft wahrzunehmen (§ 54 FinStrG). Über die gerichtliche Zuständigkeit in Abgrenzung zur Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde hat das Gericht zu entscheiden (§§ 202, 204, 210, 212, 214 FinStrG).

Eine von der Sachentscheidung abgesonderte, die Zuständigkeit des Spruchsenates ausdrücklich bejahende Entscheidung des Spruchsenates sieht das Finanzstrafgesetz somit nicht vor. Der Beschwerdeführer kann daher auch nicht in einem entsprechenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein.

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

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